Am Freitag, an einem der närrischsten Tage im Jahr, könnte Charly Sauter seinen 100. Geburtstag feiern. Keiner prägte die Zeremonien der Meßkircher Fasnacht so wie er. Sprüche, Gedichte, Lieder, Theaterstücke entstammen seiner Feder. Die Welt erblickte er vor 100 Jahren einen Tag nach dem Schmotzige Dunschtig. Obwohl er diese „Punktlandung“ beim Eintritt ins Leben nur knapp verfehlte, begleitete ihn die Leidenschaft für die Fasnacht sein ganzes Leben lang. Die Kreativität, mit der er sogar nach einem langen Tag noch schnell ein paar humorvolle Zeilen aus dem Ärmel schütteln konnte, machte ihn in seiner Heimatstadt Meßkirch unsterblich. Er verstarb, man könnte hier ebenfalls von einer Punktlandung sprechen, im Jahr 2007 am 28. Juni, dem Namenstag des heiligen Heimerad, mit dessen Vita er sich intensiv beschäftigt hatte.

Immer wieder neues im Familienarchiv entdeckt

Die Suche im Familienarchiv ist für Heimo Sauter immer wieder eine Entdeckung. Sein Vater Charly Sauter hat viel geschrieben, gesammelt ...
Die Suche im Familienarchiv ist für Heimo Sauter immer wieder eine Entdeckung. Sein Vater Charly Sauter hat viel geschrieben, gesammelt und dokumentiert. | Bild: Michelberger, Isabell

Zum Schreiben setzte sich Charly Sauter an den Schreibtisch im Wohnzimmer, schenkte sich ein Glas Rotwein ein und griff zu einem Zigarillo. Der Fantasie-Funken muss fast immer gesprüht haben. „Wenn ihm nachts etwas einfiel, schrieb er es auf kleine Zettelchen, damit die Ideen nicht verloren gehen“, erzählt sein Sohn Heimo Sauter. Zudem war der Vater ein wahrer Sammler und legte zahlreiche Fotoalben an. „Wenn ich etwas recherchiere fallen mir immer Sachen in die Hände, die mir neu sind“, beschreibt Heimo Sauter die Suche im umfangreichen Familienarchiv.

Charly Sauter (rechts mit Pfeife) organisierte für die Beobachtungseinheit in Russland im Jahr 1944 Schallmühlenabende mit Programm.
Charly Sauter (rechts mit Pfeife) organisierte für die Beobachtungseinheit in Russland im Jahr 1944 Schallmühlenabende mit Programm. | Bild: Familie Sauter

Er zieht ein Heft hervor, in das sein Vater kleinere und größere Geschichten schrieb. Darunter steht die Jahreszahl 1941. Da war Charly Sauter gerade mal 19 Jahre alt. Durch alle Texte zieht sich ein gutes Quantum Humor und ein gewisser Schalk sowie die Freude am Schreiben. Sogar der Zweite Weltkrieg konnte ihm das Närrische nicht ganz austreiben. Während seiner Zeit in einer Beobachtungseinheit in Russland organisierte er „Schallmühlenabende“, zu denen er ein närrisches Programm aufstellte. Über Funk wurde dieses sogar zu anderen Einheiten übertragen.

Zwischen 1954 und 1960 entstanden die Narrensprüche

Charly Sauter als Charly Chaplin im Jahr 1954.
Charly Sauter als Charly Chaplin im Jahr 1954. | Bild: Familie Sauter

In den Jahren zwischen 1954 und 1960 entstanden die Narrensprüche für die Zeremonien der Meßkircher Fasnacht. Es muss ihm sehr leicht gefallen sein, Sprüche und Gedichte aufs Papier zu bringen, mutmaßt sein Sohn. „Wenn er beispielsweise nach einer Wanderung mit dem Albverein nach Hause kam, konnte er sich gleich an den Schreibtisch setzen und zu diesem Tag noch ein paar Zeilen schreiben“, erzählt er. Wahrscheinlich stamme das Talent von seiner Mutter Emma Sauter, geborene Rieger, die allerdings schon 1924 verstarb, als Charly Sauter gerade erst zwei Jahre alt war.

In den 30er Jahren ritten die Fledermäuse durch die Stadt.
In den 30er Jahren ritten die Fledermäuse durch die Stadt. | Bild: Familie Sauter

Alefanz-Orden für „nix“

„Ich frage mich manchmal, wann er das alles gemacht hat“, wundert sich Heimo Sauter über die Produktivität seines Vaters, während er in den zahlreichen Aufzeichnungen blättert, hier und dort etwas vorliest. Wichtig sei dem Vater auch die „Langensteiner Kumpanei“ gewesen, die ihm 1996 den berühmten Alefanz-Orden verlieh. Hebt man den Orden von der Urkunde weg, kann man die Begründung lesen, wofür er den Orden erhielt – für „nix“. Lachend erklärt der Sohn, was hinter diesem „nix“ steckt. Das komme daher, dass sich Charly Sauter eingehend mit dem Nichts bei Martin Heidegger befasst, sich fasnetsmäßig damit beschäftigt und Gedichte zum Nichts geschrieben habe.

Zeremonienmeister Charly Sauter vermählt im Jahr 1971 die Narreneltern Maria Meschenmoser und Konrad Schühle.
Zeremonienmeister Charly Sauter vermählt im Jahr 1971 die Narreneltern Maria Meschenmoser und Konrad Schühle. | Bild: Familie Sauter

Bereits als 24-Jähriger schrieb Charly Sauter Gedichte und Theaterstücke. In einem Notizbüchlein liest man den Wunsch, „dass diesem Buch noch tausend folgen mögen“, was sein großes Vergnügen am Schreiben zeigt. Herausgegeben hat er zwei Gedichtbände unter dem Titel „Uffm Wäeg“ und im Familienarchiv befinden sich zahlreiche Aufschriften. Wenn uns jedes Jahr der Katzenmarsch in den Ohren klingt, sind es auch immer die Zeilen von Charly Sauter, die ihn begleiten: „Dreh‘ die Mietze, dreh‘ die Rälle …“ Narro!

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