Nach Jahren der erzwungenen Pandemie-Unterbrechung fand endlich wieder eine Heidegger-Konferenz im Meßkircher Schloss statt. Das Thema: „Heidegger und der deutsche Idealismus. Schelling & Heidegger. Heidegger & Schelling“. Unter „deutscher Idealismus“ fasst man die von Kants „Kritik der reinen Vernunft“ (1781) angestoßenen philosophischen Überlegungen und Auseinandersetzungen bis zu Hegels Tod (1831) zusammen. Diese Epoche gilt als ein Höhepunkt der neueren Philosophiegeschichte.
Einige Vorträge und Diskussionen digital
Es kamen weniger Zuhörer als vor Corona-Zeiten, einige Vorträge und Diskussionen wurden digital durchgeführt und Corona hatte zugeschlagen: Vorgesehene Referenten mussten absagen, und es galt Maskenpflicht im Haus. Trotzdem freute sich Professor Dr. Holger Zaborowski, seit 2020 Professor für Philosophie in Erfurt, Herausgeber verschiedener Zeitschriften und von Werken Heideggers, wieder eine Präsenz-Tagung hier eröffnen zu können. Er dankte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr Kommen und der Stadt Meßkirch für die gute Zusammenarbeit. Leider könne Dr. Alfred Denker, Leiter des Heidegger-Archivs und Mit-Organisator dieser Konferenz, an dieser Tagung nicht teilnehmen.
Erste große Tagung vor 20 Jahren
Denker und Zaborowski hatten vor genau 20 Jahren die erste große Tagung der Heidegger-Forschungsgruppe in Meßkirch organisiert. Dem Dank schloss sich Bürgermeister Arne Zwick an. Auch er freute sich, dass nach der langen Corona-Abstinenz nun wieder eine solche Veranstaltung möglich und damit ein „normales Leben“ in die Stadt eingekehrt sei.
Hauptbegründer der Naturphilosophie
Bis vor wenigen Jahren tauchte in der Literatur über Martin Heidegger der Name von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854), dem Hauptbegründer der Naturphilosophie, nur selten auf. Seine Philosophie beeinflusste zwischen 1800 und 1830 fast alle Gebiete der damaligen Naturwissenschaften und der romantischen Literatur, seine Lehre vom Unbewussten führte später zur Ausbildung der Psychoanalyse. Schelling verbindet Kants und Hegels von der Vernunft gesteuerten Überlegungen mit einer neuartigen Sicht auf die Natur und, vor allem beim frühen Schelling, mit dem Problem der „Freiheit“. Seit einigen Jahren wird immer klarer, welche Bedeutung die Begegnung von Heidegger mit dem bis dahin wenig beachteten Schelling hatte. Auf den hatte ihn sein Professoren-Kollege Karl Jaspers durch ein Buchgeschenk aufmerksam gemacht, und so eröffnete sich für Heidegger eine neue Dimension, vor allem durch einen anderen Blick auf die Natur und den Begriff der „Freiheit“, die bis zu „Sein und Zeit“ ebenso wenig eine Rolle gespielt hatten wie das Böse, das nur durch die Möglichkeit der freien Entscheidung zugelassen werden kann.
Der Eröffnungsvortrag von Holger Zaborowski führte in die Thematik der Tagung ein: „Heidegger und Schelling. Von der Hermeneutik zur Seinsgeschichte“. Also von der Erklärung eines Textes, Sachverhalts oder Kunstwerks aus sich heraus zum Nachdenken über das Sein. Zaborowski verwies zunächst auf die Bedeutung, die der deutsche Idealismus für Heidegger gehabt hat. Während in diesem Jahr Heideggers Verhältnis zu Schelling im Vordergrund stehe, werde im nächsten Jahr in Meßkirch sein Verhältnis zu Fichte und im übernächsten seine Auseinandersetzung mit Hegel thematisiert.
Bedeutung Schellings
Zaborowski erörterte dann, welche Bedeutung Schelling für den gesamten Denkweg Heideggers gehabt hat. Motive Schellings spielen bereits beim frühen Heidegger eine Rolle. Von zentraler Bedeutung wird ab 1927/28 die Lektüre von Schellings Freiheitsschrift aus dem Jahr 1809. In den Jahren 1936 und 1941 hielt Heidegger zwei wichtige Vorlesungen über diesen Text, um Schellings Stellung in der Geschichte der Metaphysik zu verdeutlichen und sein eigenes Denken zu bestimmen. Das Thema der diesjährigen Konferenz zeige sich so als äußerst wichtig für das Verständnis des Meßkircher Philosophen, und so sei es kein Wunder, dass es wieder einmal Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt hierher gelockt habe.
Die vorwiegend jüngeren Vortragenden behandelten im Rahmen der Heidegger-Konferenz, zum Teil in englischer Sprache oder digital, entweder allgemein das Verhältnis von Heidegger und Schelling, die Frage nach Schellings Freiheitsbegriff, nach dem „wahren Gott“ oder die Überwindung des Gegensatzes von Subjekt und Objekt, Ich gegen Natur durch das „Sein“, dem beide zugehören.