Wegen deren tiefen Verstrickungen mit den Nazis müsse dem Philosophen Martin Heidegger, dem einstigen Freiburger Erzbischof Conrad Gröber und dem ehemaligen Bizerba-Chef Wilhelm Kraut sen. die Ehrenbürgerwürde der Stadt Meßkirch aberkannt werden. Diese zentrale Forderung erhob der Meßkircher Geschichtslehrer Helmut Weißhaupt in einem Vortrag im Festsaal des Schlosses.

Wegen der Corona-Pandemie gab es diesen erst jetzt, wie Kreisarchivar Edwin Ernst Weber in seiner Begrüßung der rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörer sagte. Ursprünglich war der Vortrag von Weißhaupt in den kreisweiten Kulturschwerpunkt „Erinnern“ des Jahres 2021 eingebettet gewesen. Weber war es, der sich am Ende des Vortrags klar gegen die Forderung von Helmut Weißhaupt aussprach. Vielmehr solle bei Gröber und Heidegger eine „gewisse Widersprüchlichkeit des Verhaltens“ während der NS-Zeit „ausgehalten“ werden. Der Kreisarchivar wies auch darauf hin, dass eine Ehrenbürgerschaft mit dem Tod im Grunde erlösche.

Vorbild für Demokratie als Kriterium

Zentrale Kriterien für den Titel Ehrenbürger müssten nach Ansicht von Weißhaupt aus heutiger Sicht sein: Dass diese Person sich in herausragender Weise um das Wohl der Bürger verdient gemacht hat oder sich in außergewöhnlichem Maße zur Steigerung des Ansehens der Stadt beigetragen hat. Vor allem aber müsse ein Ehrenbürger, heute mehr denn je, ein Vorbild für die Demokratie sein. Letzteres sprach Helmut Weißhaupt Gröber und Heidegger ab.

Helmut Weißhaupt hatte in seinem Vortrag auch darauf hingewiesen, dass sich Björn Höcke, Rechtsausleger der AfD, in seiner Polemik auf den Philosophen Martin Heidegger beziehe. Heideggers Sprache und Denken finde bei der „Neuen Rechten“ großen Anklang. Die Stadt Meßkirch müsse unter anderem deshalb achtgeben, dass der Name Martin Heidegger unter Umständen nicht zu einer Belastung für die Stadt werde. Weißhaupt kritisiert auch, dass Heidegger auch nach dem Jahr 1945, als die Naziherrschaft zu Ende war, kein Bedauern für die Opfer des Holocausts gezeigt habe.

Stadt änderte bereits Hinweise

„Erwähnen möchte ich aber unbedingt, dass ich den Eindruck habe, dass in Meßkirch ein gewisses Umdenken stattgefunden hat. So wird in der neuesten Broschüre der Stadt über den Badischen Geniewinkel auf Gröbers umstrittene Rolle im Nationalsozialismus hingewiesen. Und über Heidegger ist neuerdings auf einer Tafel an der Tourist-Info zu lesen: ‚Sein Denken ist indes umstritten. Die einen schätzen ihn als den wichtigsten Denker des 20. Jahrhunderts; andere sehen ihn auch aufgrund seines nationalsozialistischen Engagements sehr kritisch‘“, so Weißhaupt.

Rolle Gröbers bis heute umstritten

In seinem detailreichen Vortrag hatte er auch auf die Fakten hingewiesen, mit denen sich eine nazikritische Haltung von Conrad Gröber belegen lässt. „Gröbers Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus war und ist bis heute umstritten. Seine Verteidiger führen seine Silvesterpredigten im Freiburger Münster und seine Fastenhirtenworte an, in denen er die Kirchenfeindlichkeit der Nazis anprangerte. Sie weisen auf seine Eingaben an NS-Ministerien hin, in denen er seinen Protest gegen die Euthanasie bekundet“, sagte Weißhaupt. Sie könnten auch Aussagen von Nazi-Größen, wie des Propaganda-Ministers Joseph Goebbels anführen, der im Februar 1940 über Gröber schrieb: „Den Jungen müssen wir uns später mal kaufen.“ Und er wies unter anderem auf den Aktenvermerk des badischen Kulturministers hin, in dem Gröber als „größter Feind der NSDAP und des nationalsozialistischen Staates“ bezeichnet wird. Auf der anderen Seite würden Kritiker von Conrad Gröber diesen durchaus als einen Steigbügelhalter der Nazis ansehen. Im Zusammenhang mit einer kritischen Würdigung des einstigen Freiburger Erzbischofs wies Weißhaupt auch daraufhin, dass der regionale Caritasverband nach dem Umzug des Meßkircher Altenpflegeheims in den Neubau nicht mehr am bisher genutzten Namen festhielt, sondern das Altenpflegeheim der Caritas nun den Namen St. Martin-Zentrum trägt.

Meßkircher Baby wird in Auschwitz ermordet

Noch geklärt werden muss nach der Ansicht von Helmut Weißhaupt die Handlungsweise von Conrad Gröber beim Völkermord an den Sinti und Roma. Im Mai 1943 war der Erzbischof in einem anonymen Schreiben darauf aufmerksam gemacht worden, dass „alle Zigeuner und Zigeunermischlinge in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht werden … Man geht systematisch dazu über, unseren Stamm auszurotten.“ Gröber habe dieses Schreiben an die Bischofskonferenz weitergeleitet, aber geschehen sei nichts. „Gerade mal neun Monate alt war das in Meßkirch geborene Mädchen Gertrud Reinhardt, das mit seiner Familie in einem Sammeltransport am 27. März 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Hier wurde die kleine Meßkircherin mit der Häftlingsnummer Z 5962 am 27. April 1943 ermordet,“ so der Meßkircher Geschichtslehrer in seinem Vortrag.

Bei der Betrachtung der Biografie des ehemaligen Bizerbachefs fand Weißhaupt wenig Entlastendes. Dieser sei ein Nutznießer des Systems gewesen.

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