Vier Jahre nach der Tagung „Die Bischöfe Conrad Gröber und Joannes Baptista Sproll und der Nationalsozialismus. Historischer Kontext und historischer Erinnern“ im Meßkircher Schloss ist nun der gleichnamige Tagungsband erschienen. Mitherausgeber Edwin Ernst Weber stellte ihn vor und bat Abraham Peter Kustermann, Christoph Schmider und Clemens Joos, die zu den 13 Autoren des Buches gehören, zu einer kleinen, interessanten Diskussionsrunde, bei der sich auch das Publikum beteiligen konnte.

Kontroversen begannen 2007

Ausgangspunkt der Tagung bildeten die Kontroversen im Jahr 2007 um die Rolle des Erzbischofs Conrad Gröber während der Zeit der Nazi-Diktatur. Der Sozialwissenschaftler Wolfgang Proske brachte damals mit seinem Buch aus der Reihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ den Stein ins Rollen. Er bezeichnete Erzbischof Conrad Gröber als „vielleicht wichtigsten Förderer des Nationalsozialismus in Baden Anfang und Mitte der dreißiger Jahre“.

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Damit stellte sich die Frage, ob weiterhin Straßen nach dem Erzbischof benannt werden sollten und ob er die Meßkircher Ehrenbürgerwürde behalten sollte. Damals stimmte der Stadtrat für den Vorschlag, eine Tagung zum Thema historisches Erinnern durchzuführen, da sich die Ankläger und Verteidiger Gröbers unversöhnlich gegenüberstanden. Die Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur entschied sich, zusammen mit dem Kirchengeschichtlichen Verein für das Erzbistum Freiburg und dem Geschichtsverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart, anhand einer Tagung diese Debatte auf der Basis historischer Sachkenntnis und Differenzierung zu führen.

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Doch auch nach der Tagung, die das Verhalten der beiden Bischöfe Gröber und Sproll anhand historischer, kultur- und sozialwissenschaftlicher Betrachtungen beleuchtete, konnte Edwin Ernst Weber den Meßkirchern kein Ende der Debatte versprechen, wie er bei der Vorstellung des Tagungsbandes im Festsaal des Meßkircher Schlosses erläuterte. Ein wichtiger Grund dafür sei der Wandel der Erinnerungskultur, welche Geschichte und deren Protagonisten „mit vielfach zeitgebundenen Fragestellungen und Wertmaßstäben laufend neu erkundet und auch bewertet“.

Thema darf nicht vergessen werden

„Dieses Thema kann man nie beenden“, betonte auch der Meßkircher Bürgermeister Arne Zwick bei seinem Grußwort im Hinblick auf das Handeln beziehungsweise Nichthandeln Conrad Gröbers im Nationalsozialismus. „Der Stachel soll bleiben“, ergänzte er, denn das Thema sei zu wichtig, um es der Vergessenheit preiszugeben. Er würde sich freuen, wenn die Debatten den Jugendlichen, auch innerhalb der Schule, Anlass geben, über das Verhalten im Nationalsozialismus zu diskutieren.

Heutige Bewertung des Verhaltens

Unter der Moderation von Edwin Ernst Weber (2. von links) diskutierten Abraham Peter Kustermann (von links), Clemens Joos und Christoph ...
Unter der Moderation von Edwin Ernst Weber (2. von links) diskutierten Abraham Peter Kustermann (von links), Clemens Joos und Christoph Schmider über die Erinnerungskultur und ihren Wandel anhand des Verhaltens der beiden Bischöfe in der Nazi-Diktatur. | Bild: Isabell Michelberger

Im Gespräch des Moderators Edwin Ernst Weber mit dem Theologen Abraham Peter Kustermann, dem Historiker Clemens Joos und dem Leiter der Diözesanstelle „Archive Bibliotheken, Schriftgutverwaltung“ im Erzbischöflichen Ordinariat Christoph Schmider ging es darum, wie sinnhaft eine heutige Bewertung der beiden während der Zeit des Nationalsozialismus gegensätzlich agierenden südwestdeutschen Diözesanbischöfe Conrad Gröber und Joannes Baptista Sproll ist, was ihre Motivation und ihre möglichen Handlungsspielräume gewesen sein mögen.

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Beide hatten einige biografische Gemeinsamkeiten, da sie im ländlichen Raum aufwuchsen und aus eher armen Familien stammten. Jedoch sei die Sozialisation unterschiedlich verlaufen, da Gröber in Rom studiert habe, wie Kustermann ausführte. Dort seien die angehenden Theologen darauf konditioniert worden, sich diplomatisch zu verhalten. Sproll hingegen sei eine Art „oberschwäbischer Dickschädel“ gewesen, der mit Hartnäckigkeit und Konsequenz seine Ziele verfolgt habe.

Görbers Interventionen halbherzig

Clemens Joos beschrieb das zurückhaltende Wesen Gröbers, der politisch vor Entscheidungen und Handlungen zurückgeschreckt sei, wo es moralisch angezeigt gewesen wäre, sich mutig zu bekennen. Er habe auf den Einsatz gegen das NS-Unrecht verzichtet, um eine Eskalation zwischen Kirche und Staat zu verhindern. Seine Interventionen seien stets halbherzig gewesen, sogar als er seinen Freund, den Diözesanpriester Heinrich Feurstein, möglicherweise hätte retten können.

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Christoph Schmider, der im Freiburger Gremium saß, das über die Aberkennung von Straßennamen entschied, berichtete, dass Gröber der schwierigste Fall gewesen sei. Er hielt das Verhalten des Erzbischofs nicht für klug, da er keinen Schutz für seine Priester erreicht habe. Er habe sich lediglich auf dem normalen bürokratischen Weg für sie eingesetzt, aber nicht mit letzter Konsequenz. Man könne es als naiv beschreiben, dass er in den dreißiger Jahren geglaubt habe, mit Argumenten bei den Nationalsozialisten etwas erreichen zu können.

Keine Unterstützung aus Rom

Abraham Kustermann schilderte, dass damals jeder Bischof für sich alleine gestanden habe, ohne Rückhalt der Bischofkonferenz, die nicht in persona getagt habe. Und auch von Rom sei keine Unterstützung gekommen, da dort wohl der Ernst der Lage in Deutschland nicht erkannt worden sei, wie Kustermann vermutet.

Besitzen wir das Recht zu urteilen?

Nach wie vor blieb die schwierige Frage der Beurteilung beziehungsweise Verurteilung der Persönlichkeiten in Bezug auf ihr Verhalten in der NS-Zeit. Es gehe nicht um eine Relativierung, indem man konstatiere, dass alle Kinder ihrer Zeit gewesen seien, allerdings müsse hinterfragt werden, ob die Gegenwart das Recht besitze zu urteilen. Clemens Joos unterschied in dieser Hinsicht zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur. Die Wissenschaft zeige historische Prozesse auf, um sie nachvollziehbar zu machen, die Kultur hingegen untersuche, was heute noch relevant ist. Dabei ändern sich jedoch die Wertmaßstäbe ständig, wie Weber einwarf. Gerade in unserer Zeit sitze die Gesellschaft auf einem hohen moralischen Ross, wie Joos ausführte, was teilweise absurde und totalitäre Züge zeige. Was den Umgang mit kritischen Persönlichkeiten aus der Vergangenheit angeht, schlug er vor, die Kunst sprechen zu lassen. „Die moderne künstlerische Sprache kann die Ambivalenz aufzeigen“, erklärte er. Sie könne eine Identitätsstiftung erreichen, die in die Zukunft trage.