Das traditionelle Oktoberkonzert mit Henriette Gärtner musste, um es überhaupt stattfinden zu lassen, Corona-bedingt auf drei Termine mit demselben Programm und mit jeweils 60 zugelassenen Besuchern innerhalb von 25 Stunden im Schlosssaal aufgeteilt werden. Die Künstlerin bedankte sich bei der Stadtverwaltung dafür, dass sie hier in Meßkirch ihr erstes öffentliches Konzert überhaupt in diesem Jahr spielen durfte, in einem Jahr, das, wie sie in mehreren Interviews erklärt hat, neben finanziellen Einbußen vor allem emotionale Einschränkungen mit sich brachte: Die Kraft der Musik bereichere und verbinde Menschen und auch sie mit den Menschen.

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Gleichgeblieben ist dagegen das durchdachte Programm, die perfekte Vorbereitung, die schlüssige Interpretation und die hilfreichen Einführungen, getreu ihrem Credo: „Die Menschen sollen bereicherter nach Hause gehen und mehr in ihrem Herzen zu bewegen haben als vor dem Konzert.“ Sie eröffnete das Programm (mit der Überschrift „Liebesglück“) mit dem Oboenkonzert in d von Alessandro Marcello in der Bearbeitung für „Clavier“, also für Cembalo, Clavichord oder Orgel, von Johann Sebastian Bach (BWV 974). Sie wies vor allem auf den „wunderschönen“ zweiten Satz dieses Werks hin, den sie, im Gegensatz zu den kräftig und sehr schnell gespielten Ecksätzen, mit großer Ruhe, reich verzierter Oberstimme und zurückhaltender Begleitung interpretierte.

Zuhörer lernen einen ernsten, herben Mozart kennen

Von Bach zog Henriette Gärtner eine Linie zu Mozarts Fantasie in c-moll (KV 475): Sie erklärte, diese Fantasie sei offenbar von Mozart als Präludium zur c-moll-Sonate gedacht und mit ihr zusammen veröffentlicht worden; aber dieses Werk, die Auseinandersetzung mit Bachs Polyphonie und das Produkt einer Lebenskrise, sei so reich und tief, es könne auch sehr gut für sich allein stehen. Sie arbeitete die scharfen Kontraste zwischen Unisono und Mehrstimmigkeit, Forte und Seufzermotiven im Piano, melodischen Passagen und rasend schnellen Figuren und die bis dahin unerhörte Farbigkeit durch Chromatik und Ausflüge in weit entlegene Tonarten kraftvoll heraus. So lernten die Zuhörer einen sehr ernsten, herben Mozart kennen.

Beethovens Waldsteinsonate ist ein Wendepunkt

Die Waldsteinsonate (Sonate Nr. 21 in C, op. 53) von Ludwig van Beethoven gilt als Wendepunkt in der Geschichte der Klaviermusik; sie nimmt mit neuen technischen Anforderungen (Oktavenglissando!) und ihrer „Romantik“ schon die Klaviermusik des 19. Jahrhunderts vorweg. Henriette Gärtner meinte, es sei ihr klar gewesen: Wenn sie im Beethovenjahr 2020 etwas von ihm spielen würde, dann komme nur diese Sonate in Frage. Der Übergang von der dunklen Introduzione (Adagio molto) zum strahlend hellen Rondo wirke auf sie wie der Sonnenaufgang oder sei nur mit dem Wort „Liebesglück“ zu umschreiben. So sei sie auch zum Programmtitel gekommen.

Drei Zugaben für begeistertes Publikum

Das Publikums war begeistert. Sie bedankte sich mit drei Zugaben: der „musikalischen Schnupftabaksdose“ von Anatoli Ljadow und (im Beethovenjahr natürlich) zwei Bagatellen aus op. 33 des 250-jährigen Jubilars, die es beide bei aller Kürze technisch in sich hatten.