Eigentlich hätte die Besuchersaison des Campus Galli am 27. März starten sollen – eigentlich. Das Corona Virus machte der geplanten Öffnung einen Strich durch die Rechnung. Schon 2020 musste die Saison alles andere als normal laufen. Wegen hoher Inzidenzzahlen im Landkreis Sigmaringen verschiebt sich der Auftakt für die Besucher in diesem Jahr auf unbestimmte Zeit.
Viel in den kommenden Monaten vor

Normalerweise sei der Parkplatz am Eröffnungstag der Saison voll. „Es ist eine trostlose Eröffnung, ganz ohne Besucher“, sagte Hannes Napierala, Archäologe und Geschäftsführer des Campus Galli: „Und trotzdem haben wir viel vor in den kommenden Monaten.“ Auf dem Jahresplan stehen mehrere Aktionen und natürlich die Bauvorhaben. Gearbeitet wird auf der mittelalterlichen Baustelle das ganze Jahr, auch wenn die Tore für Besucher geschlossen sind. Auf dem insgesamt 25 Hektar großen Gelände soll eine karolingische Klosterstadt entstehen. Vorbild für das Vorhaben ist der Sankt Galler Klosterplan, eine Zeichnung aus dem 9. Jahrhundert und die einzige erhaltene Darstellung eines frühmittelalterlichen Baukomplexes. Der Plan entstand um das Jahr 820 im Kloster auf der Insel Reichenau und war für das Kloster Sankt Gallen bestimmt. Er bildet 52 Gebäudegrundrisse und Anlagen ab, darunter eine große Abteikirche, Wohngebäude, Werkstätten, Küchen und Ställe. Auch wenn der Sankt Galler Klosterplan keine Angaben über Maßstäbe, Dimensionen oder Materialien macht, zeigt er doch eine ausgeklügelte Komposition von Gebäuden, die im Bezug zueinander auf den Alltag in einem Kloster abgestimmt sind. „Das Faszinierende am Sankt Galler Klosterplan ist, dass er lebendig wird, wenn man sich damit beschäftigt, bis hin zu den Menschen, die ihn erstellt haben“, so der Geschäftsführer.
Werkzeuge und Methoden des 9. Jahrhunderts
Dieser Faszination waren auch die beiden Initiatoren von Campus Galli und Gründer des Vereins „Karolingische Klosterstadt“ erlegen. Bert Geurten und Verena Scondo riefen 2012 den Verein ins Leben und legten damit den Grundstein für das Vorhaben, den Sankt Galler Klosterplan, der seinerzeit nicht in die Tat umgesetzt wurde, Realität werden zu lassen. Im Juni 2013 wurde die Eröffnung von Campus Galli gefeiert. Seitdem wird Stück für Stück ein Teil des frühen Mittelalters und des Klosterplans zum Leben erweckt. Die Arbeiter bedienen sich dabei nicht moderner Geräte und Techniken. Gebaut wird mit den Werkzeugen und Methoden des 9. Jahrhunderts.
Sicherheit wird immer großgeschrieben

Entlang der Wege, die für Besucher zugänglich sind, befinden sich die mittelalterlichen Werkstätten, in denen die Materialien und Werkzeuge für die Baustelle gefertigt werden. Experimentelle Archäologie, die unter anderem das Ziel verfolgt, wissenschaftliche Erkenntnisse über das frühe Mittelalter zu gewinnen. Historische Anleitungen von Handwerkern, Materialrezepte und die Beschreibung von Vorgänge seien in der Theorie oft leicht zu lesen. „Erst beim Versuch das Ganze umzusetzen, zeigt sich, wo die Haken sind“, sagt Archäologe Napierala. Zudem müssen die mittelalterlichen Bauweisen auf dem Campus Galli unter den heutigen Bau- und Sicherheitsvorschriften ausgeführt werden. Die Sicherheit für Besucher und Mitarbeiter werde zu jeder Zeit ganz großgeschrieben, betont der Vorsitzende des Vereins „Karolingische Klosterstadt“, Anton Oschwald.
Aktuell wird die Scheune errichtet

Das Gelände verändert sich ständig. Im vergangenen Winter wurden unter anderem Bäume gefällt und Platz geschaffen für die anstehenden Bauprojekte. Herzstück der Anlage soll eine rund 70 Meter lange Steinkirche werden, deren Grundriss grob abgesteckt wurde und den Betrachtern einen ersten Eindruck vermittelt, welche Dimension die Zeichnungen auf dem Sankt Galler Klosterplan erreichen kann. Doch das aktuelle Bauvorhaben in den kommenden Monaten ist die Errichtung der zehn mal 20 Meter großen Scheune. Bis zum Ende des Jahres sollen die Außenwände stehen und das Dach mit Stroh gedeckt sein. Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen für ein als „Abtsnebenhaus“ bezeichnetes Gebäude. „Wir werden hier noch viele Jahrzehnte beschäftigt sein“, sagt Napierala. Die Zeit auf dem Campus Galli ist eben eine andere. Das merkt man deutlich, wenn man sich die Zeit nimmt, alles genau zu betrachten, den Arbeitern zuzuschauen und sich auf die besondere Atmosphäre des Ortes einzulassen. Alle Beteiligten hoffen, dass das bald wieder für die Besucher möglich sein wird.