Spektakulärer Polizeieinsatz

Einen spektakulären Polizeieinsatz erlebten die Einwohner des kleinen Weilers Mettenbuch, als am 9. Mai, abends bei Regenwetter zahlreiche Polizisten und Zivilfahnder mit ihren Fahrzeugen die Hauptstraße blockierten. Mit dabei war das Sondereinsatzkommando, inklusive eines Panzerfahrzeuges. Sie alle waren auf der Suche nach einem 59-Jährigen, der mit seiner Ehefrau in Mettenbuch in einem Haus lebt, und aus seiner Gesinnung als sogenannter Reichsbürger keinen Hehl macht. Vorausgegangen war eine  Verfolgungsjagd, die sich der Mann am Morgen mit der Polizei geliefert hatte. Gegen 8.50 Uhr hatte er nach Polizeiangaben in Bad Saulgau einen Streifenwagen gerammt.

Der Tatverdächtige war mit seinem Auto unterwegs, das zur Konkursmasse einer Firma in der Schweiz gehört, und den er an den Konkursverwalter hätte herausgeben müssen. Aufgrund eines Rechtshilfeersuchens aus der Schweiz wollte die Polizei das Fahrzeug beschlagnahmen. Als ihn eine Streifenwagenbesatzung stoppte, hielt der 59-Jährige zwar an, lehnte aber wegen seiner politischen Einstellung jegliche Zuständigkeit der Polizei ab und berief sich auf seinen „Diplomatenstatus“. Beim Versuch eines Beamten, den Zündschlüssel abzuziehen, fuhr der Mann unvermittelt los.

Bei der Verfolgungsfahrt gelang es einer Streifenwagenbesatzung, sich neben das Auto des Mannes zu setzen, der daraufhin ruckartig nach links lenkte und das Polizeifahrzeug seitlich rammte.

„Wieder auf freiem Fuß“

Letztlich wurde er festgenommen, befindet sich aber wieder auf freiem Fuß, wie Oberstaatsanwalt Franz-Josef Diehl von der Staatsanwaltschaft Ravensburg auf Anfrage des SÜDKURIER bestätigte. Da gegen den 59-Jährigen Ermittlungsverfahren wegen Erpressung und Bedrohung in der Schweiz und im Kreis Sigmaringen laufen, wo der Mann Behördenleitern angedroht hatte, „Militär aufzubieten und seine Interessen mit Waffengewalt durchsetzen zu wollen“, waren das Anwesen in Mettenbuch sowie die Geschäftsräume in Bad Saulgau von
Spezialkräften der Polizei nach Waffen, Sprengstoff und anderen gefährlichen Stoffen durchsucht worden.

„Reichsbürgerbekenntnis ist kein Straftatbestand“

Nach Angaben des Ravensburger Staatsanwaltes dauern die Ermittlungen gegen den Mann noch an, unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Widerstand gegen die Polizei. Dass der Mann sich als Reichsbürger definiert, der die staatlichen Autoritäten der Bundesrepublik nicht anerkennt, ist dabei unerheblich. „Das ist kein Straftatbestand, sondern eine Einstellung“, verdeutlicht Oberstaatsanwalt Diehl. Er rechnet damit, dass die Ermittlungen noch zwei bis drei Monate dauern werden.

Landratsamt meldet Verdachtsfälle

Im Landratsamt machen Mitarbeiter verschiedener Fachbereiche immer wieder Erfahrungen mit Reichsbürger, wobei man nach Angaben von Pressesprecher Tobias Kolbeck keinen Überblick über deren exakte Zahl hat: „Haben wir den Verdacht, dass jemand der Szene nahe steht, melden wir es dem Verfassungsschutz.“ Die Behörde schätzt, dass im Kreis Sigmaringen mit seinen 130 000 Einwohner etwa 40 Personen mit Reichsbürgerhintergrund mit dem Landratsamt in Kontakt sind. Diese Zahlen bleiben konstant, eine Steigerung ist nicht festzustellen. Ernsthafte Zwischenfälle mit Gewalt oder Drohungen habe es bislang nur einmal gegeben, als Bürger schriftlich mehr oder weniger deutlich mit einer Amoktat drohte: „In diesem Fall haben wir dann auch die Polizei informiert.“

„Vorgefertigte Schreiben“

Der Kontakt mit Antragstellern aus dem Reichsbürger-Milieu läuft nach Angaben des Landratsamtssprechers vorwiegend auf dem Schriftweg, wobei teilweise vorgefertigte Schreiben genutzt werden, die grundsätzlich absurde Behauptungen beinhalteten. So beispielsweise, dass die Bundesrepublik ein unsouveränes Staatskonstrukt der Alliierten sei oder gar als Firma „BRD GmbH“ agiere. „Bei Anträgen auf sogenannte Staatsangehörigkeitsausweise ist die Zahl sehr stark rückläufig“, ergänzt Kolbeck. Zum Höhepunkt der Reichsbürgerbewegung 2016 wurden 16 Anträge, 2015 zwei und 2017 drei Anträge auf die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich gestellt.