Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber sie mahlen und so können sieben Jahre nach der Pleite des Küchenmöbelherstellers Alno endlich Ergebnisse der wirtschaftlichen und juristischen Aufarbeitung präsentiert werden. In einer Bekanntmachung informierte das Insolvenzgericht Hechingen bezüglich des Insolvenzverfahrens der Alno AG, dass die Prüfung von nachträglich angemeldeten Forderungen beendet wurde und die Beteiligten bis 18. Juni diesen Meldungen beim Gericht schriftlich widersprechen können.
Insolvenzverwalter erklärt den aktuellen Sachstand
Im Gespräch mit dem SÜDKURIER erläutert der vom Amtsgericht 2017 als Insolvenzverwalter eingesetzte Professor Martin Hörmann den Sachstand. Hörmann ist Partner und Geschäftsführer der in Ulm ansässigen Anchor Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Als Hybrid aus Anwaltskanzlei und Unternehmensberatung ist die Unternehmung mit 14 Standorten und rund 150 Mitarbeitern in den Bereichen Insolvenz und Sanierung deutschlandweit eine der großen Restrukturierungseinheiten.
Nur 200 Millionen Euro an Forderungen anerkannt
Schier genauso spektakulär wie die Alno-Pleite gestaltet sich die Arbeit des Insolvenzverwalters Martin Hörmann, der seit seinem Amtsantritt versucht, noch Vermögenswerte wie auch offene Forderungen des einstigen Küchenmöbelriesen zu finden und für die Insolvenzmasse verfügbar zu machen. Und es wird viel Geld gebraucht, um die Regressforderungen zu befriedigen. Insgesamt haben über 1200 Gläubiger Forderungen in Höhe von 1,92 Milliarden Euro im Rahmen des Insolvenzverfahrens angemeldet, benennt Hörmann im SÜDKURIER-Gespräch die Faktenlage. Von diesen fast zwei Milliarden Euro hat der erfahrene Insolvenzverwalter allerdings nur 200 Millionen Euro als berechtigt anerkannt und 1,68 Milliarden Euro bestritten, wie es im Fachjargon heißt. Manche Firmen hätten zweistellige Millionensummen angemeldet, erklärt Hörmann, dass es keine Hinweise gebe, die diese Förderungshöhen rechtfertigten. „Einige haben auch absolute Phantasiesummen angemeldet“, ergänzt der Insolvenzverwalter, dass er sich auf 200 Millionen Euro an Forderungen festlegte, die aus der Insolvenzmasse dann anteilsmäßig bedient werden könnten.
Für 2024 ist eine Vorabausschüttung geplant
Geplant sei noch in diesem Jahr eine Quotenzahlung im Rahmen einer sogenannten Vorabausschüttung an die Insolvenzgläubiger der Alno AG zu leisten. Zur genauen Höhe wollte Hörmann aktuell keine Auskunft geben. Dass dies funktionieren kann, zeigt das Verfahren beim Alno-Tochterunternehmen Pino, das im Zuge der Pleite des Mutterkonzerns gleichfalls Insolvenz anmelden musste. Hier ist es Hörmann vor zwei Jahren gelungen, die Gläubiger komplett zu befriedigen. So hofft der Anwalt, dass in ein bis zwei Jahren auch das Insolvenzverfahren der Alno AG beendet sein könnte.
Vermögensschadenhaftpflichtversicherung spielt große Rolle
Eine entscheidende Rolle spielen dabei auch geltend gemachte Ansprüche gegen die früheren Organe der Alno-Gesellschaften. Zu dem Stand der Verhandlungen wollte Hörmann aktuell keine Stellung nehmen. Üblicherweise verfügen Unternehmen wie Alno über eine Directors-and-Officers-Versicherung (D & O). Dies ist eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die ein Unternehmen für seine Organe und leitenden Angestellten abschließt. Denn, wenn Manager Fehler machen, können dem Unternehmen oder Dritten große finanzielle Schäden entstehen. Dies kann zu Schadenersatzansprüchen an das Management führen – und die Geschäftsführer müssten mit ihrem Privatvermögen haften und hier springt eine D&O-Versicherung ein.
Landgericht Stuttgart prüft Antrag auf Strafverfahren
Zusätzlich zu dem seit sieben Jahren andauernden Insolvenzverfahren laufen auch die strafrechtlichen Ermittlungen, und am 19. Juni 2023 hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Strafverfahren im Zusammenhang mit den Insolvenzen der Alno AG und zweier Tochterunternehmen gegen neun Personen eröffnet. Es bestehe der Verdacht der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung, des Kreditbetrugs, des Bankrotts und der Untreue. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Küchenmöbelhersteller schon vor 2017 zahlungsunfähig war und Insolvenz hätte anmelden müssen. Dieser Antrag wird seit etlichen Monaten vom Landgericht Stuttgart beziehungsweise der dortigen Großen Wirtschaftskammer geprüft. Das heißt, es ist noch unklar, ob überhaupt ein Verfahren eröffnet wird.
Strafrechtverfahren hat keine Auswirkungen auf Insolvenzverfahren
Die SÜDKURIER-Frage, ob die Eröffnung eines solchen Strafverfahrens auch Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren habe, verneint Hörmann. Er weist darauf hin, dass Aufgabe der Insolvenzverwaltung die Geltendmachung von zivilrechtlichen Forderungen ist. Die strafrechtliche Beurteilung obliege ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden. Hörmann selbst hatte am 30. Juni 2020 vor dem Landgericht Hechingen gegen drei ehemalige Mitglieder des Vorstands Klage erhoben. Um wen es sich handelte und wie hoch die geltend gemachten Ansprüche waren, hatte er vor vier Jahren nicht erläutert. Wie zwischenzeitlich in Erfahrung gebracht werden konnte, handelte es sich um ehemalige Vorstände aus der Zeit vor 2011. Der Rechtsstreit konnte in 2023 vergleichsweise erledigt werden und nach Informationen des SÜDKURIER wurde eine Zahlung im niedrigen einstelligen Millionenbereich vom Insolvenzverwalter vereinnahmt.