Der Fachkräftemangel bereitet überall Sorgen, und Betriebe müssen sich etwas einfallen lassen, um Mitarbeiter anzuwerben und langfristig zu halten. Deshalb bieten Unternehmen aus Pfullendorf flexible Arbeitszeiten und Modelle an. Gerade qualifizierte Berufseinsteiger haben konkrete Vorstellungen und Forderungen, was die Balance zwischen Arbeit und Freizeit betrifft. „Freizeit ist mittlerweile eine sehr wertvolle Währung auf dem Arbeitsmarkt“, stellt Escad-Geschäftsführer Rudolf Rauch fest.
Escad will attraktiv bleiben

„Vollzeit in unserer Branche bedeutet eine 40-Stunden-Woche, diese ist nur für Azubis obligatorisch. Ansonsten können wir uns eine strikte Arbeitszeit von 9 bis 18 Uhr und ohne die Möglichkeit des Überstundenabbaus gar nicht erlauben. Escad setzt daher auf maximal flexible Arbeitszeitmodelle“, sagt Marketing-Managerin Nadja Ziegler. Sie selber arbeite von montags bis mittwochs. Den Rest der Woche sei sie nebenberuflich unterwegs. Das Entgegenkommen von Escad hat auch etwas mit dem Standort zu tun. Pendler können nicht mit dem Zug oder über die Autobahn zur Arbeit kommen, es fehlt an Wohnraum, die Konkurrenz am See durch Firmen wie ZF oder Rolls-Royce ist groß. Dennoch: „Mittelständler wie wir sind in der Lage, auch im ländlichen Raum attraktive Arbeitsplätze anzubieten“, so Rauch.
Schon lange Homeoffice bei Burth

Bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Burth in Pfullendorf arbeiten 17 Angestellte. Dort halte man ebenfalls viel von flexiblen Modellen, sagt Geschäftsführer Marius Burth. Teilzeit werde in einem Rahmen von 20 bis 95 Prozent gearbeitet. „In Zeiten von extremem Fachkräftemangel sind wir sehr auf unsere Mitarbeitenden angewiesen. Wir sind froh und dankbar um jede Stunde, die gearbeitet wird.“ Während Corona seien alle im Homeoffice gewesen. „Homeoffice haben wir aber auch schon etliche Jahre vor Corona angeboten. Einige arbeiten nahezu ausschließlich von zu Hause aus“, so Burth. „Wir haben eine 40-Stunden-Woche, am Freitag ist es aber möglich, ab 12.30 Uhr Feierabend zu machen.“ Die dafür notwendig Zeit müssen die Mitarbeiter allerdings an den anderen Tagen erarbeiten.
Kramer-Werke führen Teilzeit-Konto
„Kramer hat sich hinsichtlich der Arbeitszeitflexibilisierung für die Zukunft aufgestellt“, teilt die Marketing-Chefin von Kramer-Werke, Viktoria Sondermann, auf Anfrage des SÜDKURIER mit. Hierzu gehöre ein Arbeitszeitmodell mit Gleitzeitkonto, um zum Beispiel private Termine wahrnehmen zu können oder die flexible jährliche Wahlmöglichkeit zwischen einer 35- und 40-Stundenwoche. Je nach Arbeitszeit zahlt der Arbeitgeber auf ein Zeitwertkonto ein. Dieses könne der Mitarbeiter beispielsweise für eine längere Freistellung, etwa ein Sabbatical, einsetzen. „Dann wird das angesparte Kapital im Zeitraum des Sabbaticals ausgezahlt wird.“
Bei Escad nimmt ein Viertel aller Mitarbeiter das Teilzeitangebot in Anspruch. Überwiegend handelt es sich um Eltern, die zu Hause bei den Kindern sein wollen, oder um Leute mit einem Nebenjob. Am Standort in Pfullendorf ist das Unternehmen Spezialist für Automatisierung und Robotik und beschäftigt 120 Mitarbeiter. Ein Drittel arbeitet in der Werkstatt, zwei Drittel in der technischen Entwicklung.
Homeoffice möglich machen
Durch Corona habe das Arbeiten von zu Hause aus einen Schub erhalten, so Ziegler. Weil die Erfahrungen damit gut seien und es praktikabel sei, halte das Unternehmen daran fest. „Vor allem in den Bereichen Konstruktion, Verwaltung und Software-Programmierung bietet sich Homeoffice an. Im Sinn von Teambuilding ist es natürlich schön, wenn die Mitarbeiter einmal in der Woche im Haus sind, die meisten wählen die Variante fifty-fifty“, sagt Ziegler. Homeoffice für Beschäftigte der Werkstatt, wo Schaltschränke entworfen und zusammengebaut werden, sei natürlich nicht ganz so leicht umzusetzen, doch funktioniere in Teilbereichen auch.
Manuela Hagen arbeitet von Montag bis Mittwoch in der Werkstatt, Donnerstag und Freitag von zu Hause aus. „Ich bin dann überwiegend am PC, doch ich habe daheim auch einen volleingerichteten Arbeitsplatz zum Löten von Kabelsätzen“, erzählt sie. „Diese Lösung ist für mich ideal, um Familie und Arbeit zu vereinbaren. Ich bin Mutter von zwei Kindern und froh, dass ich nicht jeden Tag die 30 Kilometer von Neuhausen ob Eck nach Pfullendorf fahren muss.“
Überstunden flexibel abbauen
Manuel Schuler, Ausbildungsleiter in der Werkstatt, wohnt in Mengen und arbeitet an fünf Tagen in der Woche. Er schätzt die Flexibilität im Unternehmen. „Wenn ich Überstunden aufbaue, kann ich die ansammeln und mir bei Bedarf kurzfristig frei nehmen, stundenweise oder einen ganzen Tag. Im Sommer war ich bei schönem Wetter mit meinen drei Kindern im Freibad oder konnte mich um den Garten kümmern“, erzählt er. „Wenn ein Arztbesuch ansteht, setze ich Überstunden ein und komme halt erst um 12 Uhr zur Arbeit.“