Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sorgt bei den ungeimpften Beschäftigten für Ärger, Wut und Sorgen. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER schildern vier Betroffene ihre Situation, wobei die Beteiligten nicht namentlich genannt werden wollen, da sie Nachteile befürchten.
Hausmeister Peter ist der Verzweiflung nahe
Er arbeitet in einer Einrichtung, die von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen ist. Sein Genesenenstatus läuft in Kürze aus und dann wird er – wie einige seiner Kollegen – einen Brief vom Gesundheitsamt bekommen. Durch einen Jobverlust wäre er dem finanziellen Ruin nahe. Der Vater von zwei Kindern hat vor Kurzem ein Haus gebaut und muss dieses abbezahlen. Durch den permanenten Druck hat er mittlerweile psychische Probleme, die ihm zusätzlich zu schaffen machen. „Sich dem Druck zu beugen und sich impfen zu lassen, kommt für ihn dennoch nicht in Frage“, erklärt der Angestellte.
Palliativpfleger Tobias ist eine gesuchte Fachkraft in seinem Gebiet
Er ist einer von wenigen Ungeimpften in seinem Kollegium und ist bisher nicht an Covid-19 erkrankt, obwohl er mehrfach Corona-Patienten betreut hat. Er liebt seine Arbeit und ist mit Herzblut dabei. Mehrmals hat er schon seinen Urlaub verschoben, um seine erkrankten Kollegen zu vertreten. Das alles nimmt er in Kauf, weil er das, was er tut, gerne tut. „Dass er jetzt aber wie ein Verbrecher behandelt wird“, wie er sagt, nur, weil er sich bewusst gegen eine Covid-19-Schutzimpfung entscheide, sei für ihn „unfassbar und unmenschlich“. Als dreifacher Familienvater ist er auf sein Einkommen angewiesen. Auch seine Frau arbeitet in einem von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffenen Bereich. Wie das Gesundheitsamt letztendlich entscheiden wird, ist nicht absehbar. „Diese Planungs- und Rechtsunsicherheit ist zermürbend“, sagt er. „Es ist psychische Folter.“
Krankenpflegerin Brigitte hat sich nach eigenen Angaben „zur Impfung nötigen lassen“
Sie hatte Angst, ihren Job zu verlieren. Den Druck durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht und auch aus dem Kollegium habe sie nicht mehr ausgehalten. Als alleinerziehende Mutter habe sie nicht gewusst, wie sie bei einem Verlust ihres Arbeitsplatzes ihre kleine Familie über Wasser halten sollte. Nun hat sie nach eigenen Angaben mit Nebenwirkungen zu kämpfen und ist zeitweise nicht arbeitsfähig. „Ich fühle mich allein gelassen. Erst wirst du unter Druck gesetzt, dich impfen zu lassen. Für die Folgen interessiert sich niemand. Hilfe musst du dir mühsam selbst suchen.“
„Nach 30 Jahren Berufserfahrung bist du auf einmal nichts mehr wert, nur, weil du ungeimpft bist“, sagt Sarah. Sie arbeitet in der Behindertenbetreuung und liebt ihre Aufgabe, obwohl ihr gerade körperlich viel abverlangt wird. All die Jahre hat sie nie daran gedacht, ihre Arbeit aufzugeben und war stets bereit, auch Überstunden zu machen für den Dienst am Nächsten. Der Druck, der durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht nun auf ihr lastet, ist für sie allerdings kaum noch erträglich. „Ich weine fast täglich, weil ich oft nicht mehr weiter weiß“, gesteht sie und fügt hinzu, dass sie sich vor den Nebenwirkungen dieser Impfung fürchtet. Massive allergische Reaktionen auf beispielsweise Medikamente sind bei ihr schon früher aufgetreten, daher weiß sie aus persönlichem Leid um diese Gefahr.
Auch dem Sozialarbeiter Ralf droht der Jobverlust
Er ist entrüstet über das Vorgehen der Politik und auch über seine Mitmenschen: „Erst bist du systemrelevant. Dann wirst du entsorgt, wie ein Putzlappen.“ Er nennt die einrichtungsbezogene Impfpflicht Erpressung. Es gebe keinerlei Absicherung, Umschulungsprogramme oder Alternativen für die Betroffenen. „Wer sich nicht impfen lässt, dem droht der Jobverlust, und das, obwohl mittlerweile alle wissen sollten, dass diese Impfung niemanden schützt. Es ist pure Schikane.“
Gesundheitsamt erläutert die Rechtslage
Auf Anfrage des SÜDKURIER erklärt Dr. Ulrike Hart, stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes, die Situation und Vorgehen der Behörde: Personen, die keinen Nachweis über eine Impfung, Genesung oder Impfeinschränkung vorlegen konnten, werden im Rahmen des Verwaltungsverfahrens offiziell angehört. Sie können hier ihre Lage, Beweggründe und Auswirkungen, die ein Beschäftigungsverbot mit sich bringen würde, darlegen. Ebenso werden die Einrichtungen angehört. Der Fachbereich Gesundheit nimmt dabei die Funktionsfähigkeit der gesamten Einrichtung und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung in den Blick.
Genesenenstatus gilt maximal drei Monate
Als genesen gelten gemäß Infektionsschutzgesetz Personen, die nachweislich mit einem PCR-Test (polymerase chain reaction, Abkürzung PCR) positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Der Genesenenstatus ist zeitlich eng umgrenzt. Er gilt nur zwischen Tag 28 und Tag 90 nach einem PCR-Nachweis. Sobald ein Genesenennachweis seine Gültigkeit wegen des Zeitablaufs verliert, haben die Betroffenen einen Monat Zeit, um ihrer Leitung einen neuen Immunitätsnachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden können, vorzulegen.
Mehrstufiges Verwaltungsverfahren, wenn kein neuer Nachweis erbracht wird
Wenn dieser neue Nachweis nicht innerhalb dieses Monats vorgelegt wird, hat die Leitung der Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt darüber zu benachrichtigen. Dann beginnt auch bei diesen Mitarbeitern, trotz durchgemachter Coronainfektion das mehrstufige Verwaltungsverfahren mit Anhörungen wie für die Mitarbeiter, die ihrer Impfpflicht nicht nachgekommen sind.