Wie erleben Sie die Corona-Krise? Persönlich und in Ihrem Arbeitsalltag?
Corona ist das bestimmende Thema. Alle Geschäfte in der Verwaltung laufen jedoch uneingeschränkt, bis auf die Tatsache, dass der Publikumsverkehr nahezu auf Null heruntergefahren wurde. Die Corona-Krise verursacht bei allen Unsicherheiten und zum Teil Ängste und bremsen daher einiges.

Auf der anderen Seite erleben wir viel Hilfsbereitschaft, Verständnis, Disziplin und Offenheit für die besondere Situation. Ärgerlich sind vor allem die Verweigerer und „coole Typen“, die beratungsresistent sind. Für mich persönlich ergeben sich völlig neue, unbekannte Erfahrungen dergestalt, dass ich seit drei Wochen keine Besprechungs-, Abend- oder Wochenendtermine habe. So etwas habe ich in meinem ganzen Berufsleben noch nicht erlebt.
Wann war Ihnen bewusst, dass dies eine extreme Herausforderung für die Stadt und das ganze Land sein wird?
Als das Land die Corona-Verordnung erließ und die Schul- und Kindergartenschließungen angeordnet wurden. Das waren allerdings erst die ersten Schritte. Die nächste, und eventuell noch extremere Herausforderung wird erst noch kommen, wenn wir die entstandenen Folgen und gegebenenfalls Probleme aufarbeiten müssen.
Haben Sie Rückmeldungen aus der Wirtschaft, wie sich dieser Shutdown auf die heimischen Firmen auswirkt?
Ja natürlich! Wir stehen sowieso im engen Dialog zwischen Handel, Gewerbe und Stadt. Kurzarbeit und Liquiditätsengpässe sind viel gehörte Themen, dazu kommt die Verunsicherung und Zukunftsängste, die vieles lähmt. Besondere Angst habe ich dabei um unseren Handel, der besonders leidet und deshalb besonders auf die Solidarität der Bevölkerung angewiesen wäre. Um kurzfristige liquide Mittel zu erhalten, sollten die Möglichkeiten nach Gutscheinkäufen genutzt werden.
Die Stadt hat mit rund 13,5 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen für 2020 gerechnet. Das Geld wird für die Investitionen dringend gebraucht.
Wir werden Einnahmeausfälle in Millionenhöhe verkraften müssen und damit die schärfste Haushaltskrise erhalten, die noch schlimmer ausfallen dürfte als bei der Krise vor zehn Jahren.
Die jüngste Gemeinderatssitzung, bei der der Haushalt 2020 beschlossen werden sollte, wurde abgesagt. Hat dies irgendwelche Konsequenzen für das Verwaltungshandeln?
Wir werden den Haushaltsentwurf nicht zur Genehmigung bringen, da er das Papier nicht wert ist, auf dem er gedruckt ist. Mindereinnahmen von mehreren Millionen würden bei einer Genehmigung sofort eine Haushaltssperre von mir auslösen. Deshalb werden wir erst einen geänderten Haushaltsplan kurz vor den großen Ferien erstellen und verabschieden, der dann auch die ersten Erkenntnisse der Mai-Steuerschätzung berücksichtigen kann. Alle geplanten Neuinvestitionen werden vorerst gestrichen, begonnene Maßnahmen natürlich weitergeführt. In dieser vorläufigen Haushaltsführung (weil noch kein Haushalt vorhanden ist) dürfen sowieso nur unabwendbare und sicher zu finanzierende Maßnahmen umgesetzt werden. Das Investitionsverhalten für Neues wird deshalb in diesem Jahr Richtung Null gehen, auch geplante größere Sanierungsmaßnahmen müssen gestreckt werden.
Es wird weiter viel gebaut. Ist gesichert, dass Bauanträge fristgerecht bearbeitet werden?
Die Corona-Krise hat (bisher) keinen Einfluss auf unsere Verwaltung. Wir sind nach wie vor voll arbeitsfähig. Es kann allenfalls sein, dass beteiligte Institutionen in der Anhörung Corona-bedingt Verzögerungen haben, die sich dann auf die Bearbeitung auswirken könnten.
Viele ihrer Bürgermeisterkollegen- kolleginnen wenden sich mit Videobotschaften an die Bevölkerung, starten Aktionen wie gemeinsames Singen gegen Corona. Welche Aktionen hat die Pfullendorfer Verwaltung in dieser Richtung initiiert?
Ich denke, die Wege, die wir bestritten haben, sind zielführend und völlig ausreichend. Die Hinweise über Pfullendorf aktuell und über die sozialen Medien sind so intensiv und aussagekräftig, dass ich keine weiteren Maßnahmen für sinnvoll erachte.
Die Stadt hat Eltern die Kindergartengebühren für April bekanntlich gestundet. Ob die Gebühren erlassen werden, entscheidet letztlich der Gemeinderat. Wäre der Verzicht nicht ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen?
Die Aussetzung im April war ein Signal in Richtung Elternschaft zur Abwendung von möglichen Liquiditätsengpässen, also eine Art Hilfspaket fürs erste. Diese Regelung wurde im Übrigen nicht nur auf die Kindergartengebühren, sondern auch auf die Musikschulgebühren und Gebühren der VHS ausgedehnt. Die Stadt als Träger dieser Einrichtungen haben, wie bereits erwähnt, enorme Einnahmeausfälle und können das nicht so ohne weiteres wegstecken. Die Ausgaben sind ungeschmälert vorhanden, wir können und wollen auch nicht das Personal ohne Lohn freistellen. Es können auch nicht alle Probleme einseitig in Richtung Kommune abgewälzt werden, denn irgendwer bezahlt das Problem immer, nur vielleicht in einer anderen Verteilung.
Bodenseeanrainerkommunen haben die Promenade zum See gesperrt. Pfullendorf hat explizit den Seepark und die Parks für die öffentliche Nutzung weiter geöffnet. Hat diese Entscheidung Bestand?
Nach heutigem Stand ja. Am vergangenen Wochenende war der Probelauf und den haben die Besucher „bestanden“. Bis auf wirklich ganz wenige Probleme, haben sich Besucher an die Vorgaben gehalten und sich sehr diszipliniert verhalten. Wir werden trotzdem am Osterwochenende verstärkt kontrollieren und behalten uns auch vor, von einem Tag auf den anderen zu schließen, wenn es zu Missachtungen kommt. Hier hoffe ich ganz einfach wieder auf die Einsicht und das Verständnis der Menschen.
Es ist noch früh für diese Frage: Aber, was kann die Gesellschaft, der Einzelne aus dieser Krise lernen?
Dass sich die Gewichte im Leben verändern, und dass das Oberflächliche und Wichtigtuerische in unserer Gesellschaft doch keine so große Bedeutung hat. Wir besinnen uns an viele Berufsgruppen, die bisher nicht so sehr im Fokus standen und erkennen auf einmal, wie wichtig diese Menschen sind. Und uns geht überhaupt nichts ab, wenn wir im gesellschaftlichen Leben und in den Medien auf einmal die Menschen nicht mehr sehen, die eigentlich schon immer nichts Wesentliches zu sagen hatten, sich aber in Szene setzen. Der Mensch wird wesentlicher und erkennt, was im Leben Bedeutung hat und was nur schmückendes Beiwerk ist. Er erkennt die Stärke eines geregelten Staates und vertraut auf die Menschen, die in der Lage und willens sind Verantwortung zu tragen.
Fragen: Siegfried Volk