Für eingefleischte Narren ist klar: Fasnet gab es schon immer. So ganz richtig ist das nicht, aber man sollte jetzt nicht noch Salz in die Wunden derjenigen streuen, für die das närrische Brauchtum einfach lebenswichtig ist. Sie leiden schon genug, weil dieses Jahr kein Hemdglonkerumzug stattfindet, weil kein Narrenbaum aufgestellt wird, nicht um die Wette geschnellt und auch nicht die Hexe auf einem Scheiterhaufen ihr Leben lässt. Und ganz besonders, weil es keinen Rosenmontagsumzug gibt.
Deshalb haben wir auf den Speichern gekramt, die Keller durchsucht, beim Bundesnachrichtendienst nachgefragt und auch jene nicht vergessen, die noch „irgendwo halt“ Fotos von Rosenmontagsumzügen hatten. Mag sein, dass das eine oder andere Bild vielleicht an einem anderen Tag der Fasnet entstanden ist, dem Spaß tut das keinen Abbruch. Und auch der Gewissheit, dass die Pfullendorfer einfach fasnetsverrückt sind.

Organisierte Fasnet schon im 19. Jahrhundert
Bereits 1856 wurde in Pfullendorf eine „Narren- und Maskengesellschaft“ gegründet. 1895 gab es dann die „Narrhalla“ und 1948 wurden die Narrenzunft Stegstrecker aus der Taufe gehoben. 1935 wurde erstmals das Stegstreckerspiel aufgeführt, welches zuletzt anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Zunft 2006 aufgeführt wurde.
Es beschreibt, wie die Pfullendorfer einen Steg über den Andelsbach strecken wollten. Trotz zweier Ochsen als Helfer hat das nicht so richtig geklappt. Und man wird es kaum glauben: Seit 1895 erscheint mit einigen Unterbrechungen an Fasnet das Narrenblatt. Übrigens auch dieses Jahr. Das konnte auch Corona nicht verhindern.

Maskieren vom Magistrat verboten
So eine ausgebremste Fasnet gab es übrigens auch schon früher. Schuld war nicht ein Virus, sondern der Magistrat. Zwischen 1771 und 1803 haben die Stadtoberen das bunte Treiben nicht so gerne gesehen, weil es „teure Zeiten und einen Mangel an Geld und Frucht“ gab, wie man in einer alten Chronik nachlesen kann. So wurde am 24. Januar 1772 festgelegt, dass die Ledigen an Fasnacht nur bis 7 Uhr, die Verheirateten bis 9 Uhr tanzen durften. 1776 und 1777 wurde das Maskieren verboten.
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Am 16. Januar 1794 beschloss der Rat auf Klage des damaligen Stadtpfarrers Franz Josef Maichle, dass alles Maskieren, Verkleiden, Schnellen und lärmender Unfug „für die Gasse und die Wirtshäuser verboten“ sei. Zeitweilig durften die Wirte in der Nähe des Weißen Klosters der Dominikanerinnen keinen Tanz abhalten. Denn die die Nonnen hielten über die Fasnacht ihr 40-stündiges Gebet ab.

Seit es die organisierte und reglementierte schwäbisch-alemannische Fasnet gibt, grenzt man sich gerne zum rheinischen Karneval ab. Vor dem zweiten Weltkrieg war das noch nicht so. Und nicht vergessen: Auch im Pfullendorfer Narrenmarsch wird vom Karneval gesungen: „Die schönste Zeit im ganzen Jahr bringt uns der Karneval.“

Früher wurde der Narr von der Obrigkeit reglementiert, heute reglementieren sich die Narren selber. Das kann durchaus nötig sein, denn so mancher derbe Spaß würde nicht überall gut ankommen. Der Narr von heute will in erster Linie Freude verbreiten und mit Gleichgesinnten feiern. Daraus wird dieses Jahr wohl nichts. Aber deshalb wird die Fasnet nicht aussterben. Wetten?

