Die Jahresversammlung des Turnvereins Schwenningen 1909 wird wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Die neue Vorsitzende Jenny Haselmeier, die seit November 2024 im Amt ist, musste in ihrer ersten Hauptversammlung über eine bedrückende finanzielle und menschliche Entwicklung berichten. Dem mit knapp 700 Mitgliedern größten örtlichen Verein fehlte richtig viel Geld in der Kasse. Bei der Gesamtsumme handelte sich um einen mittleren fünfstelligen Euro-Betrag.

Wut und Enttäuschung

Haselmeiers Vorgänger im Amt, der 21 Jahre lang den Turnverein führte und in der Hauptversammlung im Jahr 2024 noch zum Ehrenvorsitzenden ernannt wurde, soll für diesen Verlust verantwortlich sein. Knapp 100 Mitglieder und Gäste wurden am Samstagabend von Jenny Haselmeier und Kassiererin Susanne Schwanz über die mutmaßliche Veruntreuung des Vereinsvermögens aufgeklärt. Haselmeier sagte: „Ihr könnt vermutlich nachvollziehen, wie erschrocken, geschockt und auch richtig enttäuscht und wütend wir alle über die aktuelle Lage sind.“ Der Turnverein Schwenningen sei einzig und allein von Herrn K. in diese Lage gebracht worden. „Das Ausmaß des Ganzen ist unfassbar, und die Machenschaften von Herrn K. sind absolut nicht zu tolerieren, geschweige denn nachzuvollziehen.“

Kassierer bei Strohpark GbR

K. war nicht nur Chef des Turnvereins, sondern als Kassierer zugleich vier Jahre lang Herr über die Kasse der Pro Strohpark GbR. Die Pro Strohpark GbR organisiert jedes Jahr den von Mitte September bis Anfang Oktober geöffneten Strohpark. In der Gesellschaft bürgerlichen Rechts haben sich neun Schwenninger Vereine – darunter der Turnverein – zusammengetan. Das Amt des Kassierers der Pro Strohpark GbR lag seit ihrer Gründung in alleiniger Verantwortung des ehemaligen TV-Vorsitzenden. Niemand außer ihm habe seither Einblick in die GbR-Finanzen gehabt, was der Sprecher der GbR, Werner Scheuble, bestätigte.

TV rutschte in rote Zahlen

Seitdem die neue Vorstandsriege des Turnvereins amtiert, sei nach und nach deutlich geworden, dass es Ungereimtheiten bei den Vereinsfinanzen gebe. Es habe die Situation erschwert, dass die Übergabe von Ordnern, Dokumenten, Versicherungsabschlüssen und Schlüsseln an den neuen Vorstand lange gedauert habe. „Immer wieder sind wir vertröstet worden“, sagte die neue TV-Vorsitzende in der Hauptversammlung. Herr K. soll vereinbarte Termine wiederholt abgesagt haben. In den vergangenen zwei Jahren sollen regelmäßig Gelder vom TV-Konto entwendet worden sein, führte Haselmeier weiter aus. Die meisten Zahlungen seien offiziell an das Konto der Pro Strohpark GbR gegangen. „Der Turnverein rutschte langsam aber sicher ins Minus, das Konto war irgendwann nicht mehr gedeckt“, so Haselmeier. Es sei klar gewesen, dass die Einzüge der Mitgliedsbeiträge (rund 17.000 Euro) zu Jahresbeginn nicht mehr ausreichen würden, um das Konto auszugleichen.

Bürgermeister Ewald Hoffmann steht im wahrsten Sinne des Wortes hinter der Vorsitzenden Jenny Haselmeier. Foto: Wilfried Koch
Bürgermeister Ewald Hoffmann steht im wahrsten Sinne des Wortes hinter der Vorsitzenden Jenny Haselmeier. Foto: Wilfried Koch

Auf Privatkonto überwiesen

Am 26. Januar 2025 habe Herr K. erklärt, dass die Gelder vom Turnverein an die GbR überwiesen worden und vom Konto der GbR in einen Wertpapierfonds gewandert seien. Daraus hätten steuerliche Vorteile für den Turnverein resultieren sollen. Haselmeier erläuterte: „Wir wurden vertröstet und gebeten, dem ehemaligen Vorsitzenden zu vertrauen. Die Rückzahlungen aller an die GbR überwiesenen Beträge sollten in maximal vier bis sechs Wochen zurückgezahlt sein, lautete die Aussage.“ Nachdem bis dahin noch keine vollständige Übergabe stattgefunden hatte, beschloss der neue Gesamtausschuss, Herrn K. eine Frist bis 12. Februar zu setzen. Bis dahin hätten alle Rückzahlungen erfolgt sein sollen. Was an diesem Termin geschah, habe niemand aus dem Vorstand oder dem Ausschuss erwartet. Haselmeier: „Herr K. hat uns eröffnet, dass alle Zahlungen, die vom Konto des Turnvereins auf das Konto der Pro Strohpark GbR gingen, auf sein Privat-Konto überwiesen und von ihm für private Zwecke genutzt wurden.“

Geld fehlt wohl auch in GbR-Kasse

Bereits 2021 sowie im Frühjahr und im Herbst 2022 soll sich Herr K. nochmals Geld vom TV-Konto auf sein Privat-Konto mit dem Betreff „Vorauszahlung Pro Strohpark GbR“ überwiesen haben. Zudem soll er sich im Jahr 2023 zwei Beträge mit dem Betreff „Wechselgeld Strohpark“ und mit dem Betreff „Versicherungen Strohpark“ überwiesen haben. Auch 2024 sollen weitere Zahlungen vom TV-Konto auf sein Privatkonto erfolgt sein. In der Zwischenzeit teilten die Vorsitzenden des TV der GbR mit, dass sie mit sofortiger Wirkung die Kasse der GbR abgeben und nicht mehr fortführen möchten. Der Pro Strohpark GbR seien die Unregelmäßigkeiten erst in den zurückliegenden acht Wochen aufgefallen. Der GbR-Sprecher stellte fest: „Bei uns fehlen zwischen 15.000 und 20.000 Euro.“

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Der neue Kassierer der Pro Strohpark GbR, Vinzenz Greber vom Albverein, erläuterte, dass die GbR ein Betrieb und kein Verein sei und die Unterlagen bereits dem Steuerberater vorlägen. Er rechne fest mit einem rechtlichen Nachspiel, denn „unser Konto wurde von derselben Person benutzt wie beim Turnverein“. Bisher seien die Unregelmäßigkeiten nicht nachvollziehbar. Jenny Haselmeier wies noch darauf hin, dass bei der Gründungsversammlung der GbR ein rollierendes System aller Aufgaben beschlossen worden sei. „Da aber alles gut lief und die Kasse der GbR angeblich das zeigte, was sie sollte, haben alle ihre Ämter behalten.“ Nach Übergabe der GbR-Kasse an den neuen Verantwortlichen, Vinzenz Greber, und dem Wunsch des TV nach Abgleich der Zahlungen prüfte die GbR die Kasse und Finanzlage eindringlich. Diese Prüfung habe ergeben, dass sich K. nicht nur Beträge vom Turnverein-Konto auf sein Privatkonto überwiesen hatte, sondern auch Gelder der Pro Strohpark GbR.

Kein Nachweis über Verbleib

Das Abgleiten ins Minus habe Finanzverwalterin Susanne Schwanz wiederholt hinterfragt. Herr K. soll daraufhin immer wieder ausgesagt haben, dass die GbR eine Firma sei, die man nach drei Jahren erstmals abrechnen könne. Dann bekäme der TV sein gesamtes Geld wieder. „Das Geld ist nicht weg, die GbR macht mit dem Strohpark jedes Jahr plus“, habe es geheißen. Auch nach vielfacher Aufforderung vonseiten der Kassiererin und weiterer Ausschussmitglieder soll der ehemalige Vorsitzende keine Nachweise über den Verbleib des Geldes geliefert haben.

Die Versammlung stimmt am Samstag gegen die Entlastung der Vorstandschaft, die bis zum 24. November 2024 tätig war. In dieser Zeit war ...
Die Versammlung stimmt am Samstag gegen die Entlastung der Vorstandschaft, die bis zum 24. November 2024 tätig war. In dieser Zeit war Herr K. Vorsitzender des TV Schwenningen. Foto: Wilfried Koch

Verein ist wieder flüssig

„Wir wurden geblendet, vertröstet und auch belogen“, so die sichtlich mitgenommene TV-Vorsitzende. Das einzig Positive sei, dass einige Rückzahlungen an den Verein überwiesen worden seien. „Unser Verein verfügt inzwischen über ein Guthaben von 36.000 Euro und ist jetzt wieder geschäftstüchtig und liquide“, stellte Kassiererin Susanne Schwanz fest. „Wir haben ihm zu keinem Zeitpunkt misstraut“, sagte die Kassiererin zum Verhältnis zwischen dem Vorstand und ihrem langjährigen, ehemaligen Vorsitzenden.

Der Beschuldigte war am Dienstag für eine telefonische Stellungnahme nicht zu erreichen.

Das sind die Konsequenzen für den früheren Vorsitzenden

  • Fast 100 Kontobewegungen ohne Belege: Die Kassenprüfer Uwe Mauz und Rudi Schwanz waren dieses Jahr um ihre Aufgabe nicht zu beneiden. Die Kassenprüfung soll zwölf Stunden gedauert haben, wie Insider berichten. Uwe Mauz sprach von 94 Kontobewegungen ohne Belege, die durchweg vom ehemaligen Vorsitzenden getätigt worden seien.
  • Ausschluss aus Verein: Die TV-Vorsitzende informierte, dass der Turnverein gemeinsam mit der Strohpark GbR beim Rechtsanwalt vorstellig geworden sei und weitere rechtliche Schritte folgen würden, über die sie aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagen machen wolle. In der Gesamtausschusssitzung des TV Schwenningen war bereits am 22. Januar einstimmig beschlossen worden, Herrn K. von allen seinen Ämtern auf alle Zeiten zu entbinden. Dazu gehören seine Mitgliedschaft im Verein und sein Amt als Ehrenvorsitzender.
  • Vorstand nur teil-entlastet: Dem Turnverein gehe es wieder finanziell gut, man habe laut Jenny Haselmeier alle Zahlungsrückstände umgehend begleichen können. Sie hofft, dass der Verein unter neuer Führung mit frischem Wind durchstarten kann. Bürgermeister Ewald Hoffmann hatte als Leiter der Entlastung eine schwierige Aufgabe. Aus den Reihen der Mitglieder wurde angefragt, ob in dieser Situation aufgrund der Unstimmigkeiten durch das veruntreute Geld überhaupt entlastet werden könne. Schließlich wurde die Entlastung auf Vorschlag von Vinzenz Greber (“ein Rechtsverfahren ist anhängig“) gesplittet. Für die Zeit unter der Führung des ehemaligen Vorsitzenden (1. Januar bis 24. November 2024) erteilte die Versammlung keine Entlastung. Für die Zeit vom 25. November bis 31. Dezember 2024 erteilte die Versammlung die Entlastung. Bürgermeister Hoffmann bezeichnete die Aussprache als wichtig und gelungen. Er sagte: „Ich bin mir sicher, dass es wieder bergauf geht und die Hand der Justiz zugreift.“ Der TV sei ein wunderbarer Verein, der viel für die Kinder, die Jugend und die Erwachsenen leiste. Der frühere TV-Vorsitzende (1970 bis 1978) Karl Horn erntete viel Beifall, als er sagte: „Unsere engagierte Vorstandschaft schafft es, aus dieser Misere wieder herauszukommen.“ Er forderte die Mitglieder zur Unterstützung des Vorstands auf, denn der könne nichts dafür, dass sein Vertrauen missbraucht worden sei.