Die Kommandantur des Truppenübungsplatzes Heuberg hatte am vergangenen Wochenende wieder zu einer militärgeschichtlichen Führung über den Platz eingeladen. Hauptmann Nick Aengenheyster, stellvertretender Kommandant, informierte die Teilnehmer über die besonderen Anlagen und speziellen Ausbildungsbereiche des Platzes.
42 Teilnehmer sind dabei
Diese Gelegenheit, das 4790 Hektar große Gelände zu besichtigen, wurde von 42 Interessierten aus der Region genutzt. Die Führung wurde per Bus durchgeführt, nur an manchen Stellen konnten die Besucher das Gefährt verlassen, wie beispielsweise bei der Grotte der Heiligen Barbara. Während der Fahrt zu den einzelnen Ausbildungsbereichen gab der Hauptmann einen Überblick über die Entstehung und den Werdegang des über 100 Jahre alten Truppenübungsplatzes: In den Jahren 1910 bis 1916 wurde der erste Truppenübungsplatz Heuberg für das XIV. badische Armeekorps errichtet. Das sogenannte „Lager Heuberg“, der älteste Teil der Stettener Kasernenanlage, wurde im Jahr 1916 fertiggestellt und hatte ursprünglich eine Kapazität für über 6000 Soldaten und rund 2000 Pferde.
Bis 1933 zivil genutzt
Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war der Truppenübungsplatz mit dem Lager Heuberg Übungs- aber auch Aufstellungsort vieler Einheiten und Verbände. Nach dem Krieg gehörte der Heuberg zur entmilitarisierten Zone und wurde bis 1933 zivil genutzt. Unter anderem existierte hier ein Kindererholungsheim.
Konzentrationslager ab 1933
Das dunkle Kapitel in der Geschichte des Heubergs begann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, die im März 1933 ein sogenanntes Schutzhaftlager, sprich Konzentrationslager, einrichteten und mehr als 3500 Menschen inhaftierten. Diese Geschehnisse sind im Militärgeschichtlichen Museums im Gebäude 73, der ehemaligen kaiserlichen Offiziers-Speiseanstalt, zu sehen, doch konnte es wegen Umbauarbeiten nicht besucht werden.
Startplatz der Natter

Ab 1934 wurde der Platz von der Wehrmacht genutzt, wobei hier die Geschichte der „Natter“ hervorragt: die erste bemannte und senkrecht startende Rakete wurde im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs auf dem Truppenübungsplatz entwickelt und am 1. März 1945 gestartet. Am einstigen Startplatz der Natter konnten die Teilnehmenden das Schicksal von Lothar Sieber, dem ersten Piloten der Einwegrakete, Revue passieren lassen, der das Himmelfahrtskommando nicht überlebt hat.
Gedenkstein bei der Lenzenhütte
Ein Großteil der Teilnehmer kam aus den Nachbarorten von Stetten a.k.M., sogar aus dem Kreis Tuttlingen waren Gäste dabei. Eine der echten Einheimischen war Susanne Löffler, deren Urgroßeltern einst einen Hof auf der Lenzenhöhe besessen hatten und seinerzeit bei der Errichtung des Truppenübungsplatzes Heuberg enteignet wurden. Auch Aengenheyster berichtete über diese Enteignungen. „Die damaligen Besitzer sind nur marginal entschädigt worden“, erklärte Susanne Löffler, die ihr Wissen von ihrer Großmutter hatte. Ein Gedenkstein erinnert im Bereich der Lenzenhütte an die damaligen Besitzer und den „Glashütter Hof“, der das Areal als ehemalige Glasherstellungsstätte ausweist.
Was ist eine Charly-Fläche?
Bei der Besichtigung des 1985/86 ausgegrabenen und restaurierten Gewölbekellers und der tief in den Karstboden gemauerten Wassersammelstelle mit der innwandigen Steinmetzgravur „1830“ war die Geschichtsträchtigkeit des Ortes nicht nur bei Susanne Löffler zu spüren. Der nächste Haltepunkt war nahe der Schießbahn 8, wo ein riesiger Wehrmachtsbunker – zum Teil schon von der Natur zurückerobert – von einstiger Übungstätigkeit zeugt. Fast drei Stunden lang lotste der Hauptmann den Bus mit den Insassen kreuz und quer über den Truppenübungsplatz. Dabei erfuhren die Besucher beispielsweise, was eine „Charly-Fläche“ ist (ein eingezäunter Bereich mit möglichen Blindgängern) und dass beim sogenannten „Bunker Martin“, der ehemaligen Luftraumüberwachungsanlage auf der Gemarkung Meßstetten, Bauwerke vom Sanitätsunterstützungszentrum noch genutzt werden.
Schönster Übungsplatz im Land
Außerdem erklärte Nick Aengenheyster, dass bei den „weltweit modernsten Sprengplätzen“ penibel darauf geachtet werde, Umwelt- und Anwohnerschutz mit militärischen Belangen in Einklang zu bringen. „Bei Sprengungen sind immer rund um den Übungsplatz Schallmessgeräte im Einsatz“, betonte der Hauptmann, „die dabei ermittelten Daten werden gespeichert und mit Datum und Uhrzeit archiviert“. Der Hauptmann erklärte, er kenne alle 13 Übungsplätze in Deutschland. Der hiesige sei zwar ein kleiner, dafür aber der schönste Platz. „Manchmal denke ich beim Durchfahren der wunderschönen Wiesen- und Waldlandschaften – muss ich jetzt dafür einen Urlaubstag einreichen und werde ich wirklich für diese Arbeit bezahlt?“ Sein rhetorischer Dank galt jenen 35 Offizieren, die diesen Dienstposten als Vizekommandant zuvor abgelehnt hätten – wodurch er nun dieses Privileg genießen dürfe: „Es ist so schön hier!“
Quiz im Bus
Der gebürtige Sachse hinterließ nicht nur wegen seiner (fast) dialektfreien Aussprache bleibenden Eindruck (“was sowohl bei Sachsen als auch Schwaben schwer zu erreichen ist“ – zustimmendes Gelächter im Bus), sondern weil er die Rückfahrt nutzte, um mit den Teilnehmern ein Quiz über das, was er ihnen im Laufe des Nachmittags erzählt hatte, zu veranstalten.