Vor gut einem Jahr hat der Stettener Gemeinderat mit knapper Mehrheit beschlossen, die Erarbeitung einer Biotopverbundplanung auf den Weg zu bringen. Mit ebenso knapper Mehrheit wurde im vergangenen April der Auftrag dafür an das Büro „Ina Südwest“ aus Herrenberg vergeben. In der öffentlichen Sitzung Ende Februar stellten Mitarbeiter des beauftragten Büros sowie des Landratsamtes Sigmaringen nun das Projekt und dessen Ablauf im Detail vor.
Artensterben größte Herausforderung unserer Zeit
Vorweg machten die Experten darauf aufmerksam, dass das Artensterben eine der größten Herausforderungen unserer Zeit darstellt. Die bestehenden Lebensräume bieten derzeit nur noch 30 bis 40 Prozent der heimischen Arten langfristige Überlebensmöglichkeiten. Dies zeige sich deutlich, an der Anzahl der Tierarten, die bereits heute auf der Roten Liste geführt werden und vom Aussterben bedroht sind. Die Ursachen seien vielfältig. Allerdings sei der vollständige Verlust mancher Lebensräume sowie die Zerschneidung bestehender Lebensräume besonders hervorzuheben. Folglich werde die Ausbreitung von Arten, die Wiederbelebung von Lebensräumen, aber auch die Wechselbeziehung zwischen Tier- und Pflanzenarten zwischen der Lebensräumen unmöglich: „Die Konsequenz ist ein Verlust der heimischen Flora und Fauna“, führte Bastian Sturm vom Landratsamt vor Augen. Um dies zu verhindern, und eine Trendwende in Sachen Artensterben herbeizuführen, werde ein funktionaler Verbund von Lebensräumen (Biotopen) benötigt. „In diesen Biotopverbünden können Tieren und Pflanzen wandern, sich ausbreiten und sich genetisch austauschen“, sagte Bastian Sturm, Ansprechpartner für die Umsetzung des Biotopverbundes, und machte deutlich, dass dieses Netzwerk die Basis für biologische Vielfalt sei: „Es dient dem Erhalt unserer unmittelbaren Lebensgrundlage“.
Verweis auf Förderungen
Wie Bürgermeister Maik Lehn, so wies auch Bastian Sturm deutlich darauf hin, dass das Land die Planung „mit einem 90-prozentigem Zuschuss“ fördere. Grund: „Es ist Eile geboten“, sagte er. Die tatsächliche Umsetzung der Planung, die dann auf „freiwilliger Basis“ durch die Landwirte erfolgen soll, werde mit 70 Prozent gefördert. Wie schon in den vorangegangenen Sitzungen (der SÜDKURIER berichtete ausführlich) war dies erneut Gegenstand der Diskussion. So führte Florian Dreher (ILS) anhand bestehender Streuobstwiesen ins Feld, dass die Förderung für deren Pflege aktuell „ein Nasenwasser“ sei und auch nach Anhebung der Sätze „ein Witz mit Anlauf“ bleiben: „Alles bleibt wieder am Landwirt hängen“ mutmaßte er, wenngleich er die Notwendigkeit der Planung „keinesfalls in Frage“ stellte.
Kleine Orte das grüne Gewissen für Städte?
Vor dem Hintergrund, dass am Ende landesweit 15 Prozent der Fläche als Biotopverbund ausgewiesen sein sollen, befand CDU-Rat Klaus-Dieter, dass es gerechter wäre, wenn „jede Kommune 15 Prozent einbringen“ müsste: „Kleine Kommunen wollen nicht das grüne Gewissen für die Städte sein“, sagte auch Bürgermeister Maik Lehn, wogegen Daniel Sauter (FW) darauf hinwies, dass Stetten „eine tolle Landschaft“ mit entsprechenden Flächen habe, und „wir als öffentliche Hand auch in der Verantwortung stehen“. Wie von den Experten vorgeschlagen, sagte Sauter, sei es bei der Erstellung der Planung wichtig viele Leute ins Boot zu holen, die sich in der Landschaft gut auskennen und Hinweise zu seltenen Arten geben könnten: „Wir sind tatsächlich darauf angewiesen“, machte Biologe Michael Koltzenburg vom Büro Ina Südwest klar. Zwar seien über bestehende Datenbanken viele Hinweise verfügbar, aber Details zu sogenannten „Hotspots“ gelte es „raus zu kitzeln“. Die Gemarkung Stetten sei „total spannend“ und er und seine Kollegen freuten sich bereits auf das Projekt. Für Klaus-Dieter Halder war es wichtig, dass die Landwirte in die Planung einbezogen werden, weil sie dies am Ende umsetzen müssen, bevor die Experten des Büros darlegten, wie die Planung in der Praxis fortgeführt wird.
Konkrete Daten und Ziele werden erhoben
Wie geht‘s weiter: Nach einer Datenprüfung werden in Phase eins Schwerpunktgebiete und Zielarten unter Beteiligung von Behörden und Verbänden festgelegt. Es folgen Geländebegehungen unter Beteiligung von Gebietskennern, bevor die Kernflächen konkretisiert werden. Danach wird das Grundkonzept erstellt, an dem im Anschluss die Öffentlichkeit, die Grundbesitzer und die Grundstücksbewirtschafter beteiligt werden. In der zweiten Phase werden flächenkonkrete Maßnahmenpläne erstellt, die Maßnahmen priorisiert, bevor Steckbriefe für hochpriorisierte Maßnahmen erstellt werden. Schließlich wird ein Maßnahmenbericht erstellt, bevor es in die konkrete Umsetzung der Maßnahmen für den Bioverbund geht.