Das gab‘s noch nie in mehr als 30 Jahren Pfetzergericht an Fasnacht: Der angeklagte Gerhard Scherer wurde am Dienstag, 4. März, doch von vier strammen Burgpfeifern von der Narrengesellschaft Blumberg mit Lanzen in das Gemeinschaftshaus Zollhaus eskortiert. Aus Sicherheitsgründen, so der Vorsitzende Richter Simon Blank.
Der erste Freispruch?
Doch das Hochlöbliche Pfetzergericht schrammt immer mehr seinem ersten Freispruch entgegen. Konnte die junge Gerichtsgarde voriges Jahr den Blumberger Franz Vogt nur noch mit einem Winkel-Advokaten-Trick verurteilen, hatte sie in ihrem zweiten gemeinsamen Amtsjahr eher noch mehr Mühe.
Großes soziales Engagement
Die Pfetzerzunft Zollhaus-Randen hatte sich mit dem früheren Blumberger Reallehrer Gerhard Scherer doch einen Bürger als Angeklagten ausgeguckt, der allgemein als unbescholten, integer und durch sein großes soziales Engagement für jung und alt sogar als ehrbar gilt.
Das zeigten auch die vielen Lacher und Beifallskundgebungen der fröhlichen Narrenschar. Ausschlaggebend für die Verurteilung war letztlich, dass das Pfetzergericht „noch nie einen Angeklagten freigesprochen“ hatte, und es wegen eines mehr als 70-Jährigen „nichts Neues“ einführen wollte.

Ankläger war sich seiner Sache nicht so sicher
Ankläger Silvio Waimer nannte den Angeklagten nach dem schmetternden Einzug des Pfetzerfanfarenzugs etwas herablassend einen Ex Schulmeister, Zirkusmusiker und Senioren-Dompteur und gar einen „Loschore von allergrößtem Kaliber“.
Doch war er sich seiner Sache nicht so sicher, appellierte er doch an ehemalige Schüler und Eltern, Beifall oder Zwischenrufe tunlichst zu unterlassen!
Als der Ankläger dem Angeklagten vorwarf, er sei nur Sportlehrer geworden, „weil er sich das Geld für das Fitnessstudio sparen wollte“, und die jüngsten Handballer trainiere er seit seinem Ruhestand nur, „damit er einmal pro Woche umsonst duschen kann“, lachte fast der ganze Saal.
Seine Liste an Schandtaten
Auch der Einwurf, bei der Band ALSABA (Alte Sack Band) ließen ihn die Kollegen nur mitspielen, damit er nicht als Straßenmusiker in der Stadt herumlungere und der Stadtjugendpfleger sich auch noch um ihn kümmern müsse, bewirkte heftiges Gelächter. Die Vorwürfe schienen schier an den Haaren herbeigezogen.
Bei den aktiven Senioren (Aktivis) verursache er Termin-Chaos, das seine Gattin Cilly dann korrigieren müsse. Ein hoffnungsloser Fall sei der Angeklagte für das Schachspiel, deshalb probiere es Hannes Jettkandt bei ihm jetzt mit Skat, mit mäßigem Erfolg. Für das Rote Kreuz bringt er den Blumberger Senioren das Essen auf Rädern.

Also wie die armen alten Menschen auf Rädern das Essen zu sich nehmen sollen, sei nach wie vor ein Rätsel.
Als Strafe forderte der Ankläger: Der Angeklagte überlasse alle Aufgaben, von denen er keine Ahnung habe, gleich seiner Frau, absolviere den Staubsauger-Führerschein (Zwischenruf von Frau und Tochter: „Den hat er schon“), verschone seine Freunde mit Skat und spiele mit seinen Enkelkindern nur noch “Schwarzer Peter“. Die Narrenseelen im Saal bebten.
Fürsprech Tim Wölfle hielt dagegen, und hatte die Narrenschar hinter sich. Jedermann wisse, dass der hier zu Unrecht vorgeführte Spitzensportler eine absolute Sportskanone sei! Das Einzige, was er nicht könne, sei Fußball: Würde der mit seinen kurzen Beinen am Freitag auf dem neuen Kunstrasenplatz trainieren, müsste er am Samstag auf dem Wochenmarkt Eier aus Bodenhaltung verkaufen!“
Knallharter Handballtrainer
Dagegen sei er als knallharter Handballtrainer in ganz Südbaden bekannt. Nur einmal habe ihn seine Frau vertreten und ihm den Rang abgelaufen. Nach ihrem Training habe die Handballer drei Wochen lang der Muskelkater geplagt.
Und: Der Angeklagte bringe den Senioren täglich das Essen auf Rädern. Zugegeben, manchmal fahre er etwas zu schnell. Werde dann halt geblitzt. Macht aber nichts: „Er sammelt so Punkte für die Erste-Tennis-Mannschaft, die würden ja sonst absteigen!“
Zur Musikband: Wenn der Angeklagte mit seinen Uralt-Säcken bei Ü80-Partys auftrete, werde er stets als Florian Silbereisen der Senioren-Freunde gefeiert. Und das Strafmaß sei eine Frechheit. „Alle Macht den Frauen, soweit kommts noch! Musste doch das hohe Gericht am Schmotzige mit Schrecken feststellen, das sich unter Maske und Häs der einst ehrwürdigen Eichberggeister jetzt sogar Frauen verstecken!“
Das Urteil, so der Fürsprech, könne nur auf Freispruch lauten, und der Angeklagte würde dafür eine Kostprobe seines überragenden Könnens als Gitarrist und Sänger vortragen.
Ein mildes Urteil
Die Entgegnung zeigte Wirkung. Nach einer Beratung verkündete der Vorsitzende Richter Simon Blank ein vergleichsweise mildes Urteil: Der Angeklagte dürfe bei einer Veranstaltung der Pfetzer mit der ALSABA-Band das närrische Volk unterhalten. Und er werde mit sofortiger Wirkung seinem Bewährungshelfer Hannes Jettkandt unterstellt.

Nach dem Urteil antwortete der verurteilte Angeklagte mit seinen Musikerkollegen Wolfgang Tscholl und Helmut Eck mit einem Blues. Die Verurteilung sei ein fieser Plan: „Ich bin mir keiner Schuld bewusst, ich bin ein unschuldiger Kerl.“ Beifallsstürme im vollen Zollhauser Narrennest.
Verleihung des Pfetzerordens
Etwas anders als sonst verlief auch die anschließende Ehrung. Landvogt Raily Mink habe sich krankheitsbedingt entschuldigt, sagte Zunftmeister Oliver Blnak, die Orden der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee würden nächstes Jahr verliehen.
Blank selbst ehrte Gerichtsdiener Dirk Prager mit dem Mini-Pfetzer-Orden und sagte unter Beifall, „irgendwann werden wir Dich zum Zunftmeister befördern“.

Den Pfetzerorden erhielten Regina Reisinger und ihre Tochter Jamira Reisinger, beide sind seit 2015 dabei. Den Wiebli-Orden erhielt Bärbel Renner, seit 1986 in der Pfetzerzunft. Den Großen Verdienstorden, die Kachel, höchste Ehrung der Pfetzerzunft, erhielt Jutta Waimer, seit 45 Jahren aktives Pfetzerwiebli und eine Stütze der Pfetzer.
Nach den Ehrungen heizte die Band Alsaba den Anwesenden mit bekannten Oldies wie Marina, Marina ein, bevor der launige Frühschoppen fröhlich ausklang.