„Realität schlägt Stichprobe.“ Mit dieser prägnanten Aussage fasst Bürgermeister Markus Keller das zentrale Problem des Zensus 2022 zusammen. Wie in vielen anderen kleineren Gemeinden Baden-Württembergs weichen die Ergebnisse der amtlichen Erhebung stark von den Daten der kommunalen Melderegister ab.

Pro Kopf fehlen 1700 Euro jährlich

In Blumberg summiert sich die Abweichung auf rund 200 Personen, was auf die Stadt in den nächsten Jahren massive finanzielle Auswirkungen haben wird. „Pro Kopf fehlen uns 1700 Euro jährlich, hochgerechnet auf zehn Jahre sprechen wir hier von circa 4 Millionen Euro“, erklärt Keller die dramatischen Konsequenzen für den kommunalen Haushalt.

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Die Zahlen des Zensus 2022 basieren auf einer Stichprobenerhebung, deren Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet wurden. Besonders kleinere Gemeinden fühlen sich durch dieses Verfahren benachteiligt. Während größere Städte wie Villingen-Schwenningen ihre Zählung eigenständig durchführten, war für die kleineren Kommunen das Landratsamt zuständig. „Die großen Städte haben teilweise sogar Einwohner dazugewonnen, während wir kleineren Gemeinden durchweg verloren haben“, stellt Keller fest.

Fehlerhafte Fortschreibungen seit 1987

Die Kritik ist nicht neu. Bereits 2011 wurde der Zensus durchgeführt, allerdings mit einer Ungleichheit, die nun korrigiert wurde, wie Christoph Fischer vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg erklärt: „Damals wurden Gemeinden unter 10.000 Einwohnern weitgehend unberührt gelassen. Jetzt – also 2022 – wurde das Verfahren einheitlich über alle Kommunen angewandt. Dadurch haben die größeren Städte ihre Korrekturen bereits vor zehn Jahren geschluckt. Für die kleineren Gemeinden kommt das Problem nun geballt.“

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Fischer kann sich zwar zu dem Einzelfall nicht äußern, betont aber, dass viele kleinere Kommunen jahrzehntelang auf Basis der Volkszählung 1987 operierten. „Die statistische Methode ist mathematisch robust, aber der Inventurstau hat diese Korrekturen unausweichlich gemacht.“

Protest und Widerstand

Die Kommunen sehen das anders. Bürgermeister Keller zweifelt die Präzision der statistischen Methodik an und verweist auf das detaillierte Einwohnermelderegister der Stadt Blumberg: „Unser Melderegister wird kontinuierlich aktualisiert. Todesfälle, Zuzüge, Wegzüge – all das ist bei uns dokumentiert.

„Die großen Städte haben teilweise sogar Einwohner dazugewonnen, während wir kleineren Gemeinden durchweg verloren haben.“Markus Keller, ...
„Die großen Städte haben teilweise sogar Einwohner dazugewonnen, während wir kleineren Gemeinden durchweg verloren haben.“Markus Keller, Bürgermeister | Bild: Roland Sigwart

Wie kann eine Stichprobenerhebung genauer sein als eine flächendeckende Erfassung?“ Diese Frage stellt sich nicht nur Blumberg, sondern Dutzende von Gemeinden in Baden-Württemberg, die beim Gemeindetag Einspruch gegen die Zensusergebnisse eingelegt haben.

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Die finanzielle Dimension der Zensusdaten wird in den betroffenen Gemeinden deutlich spürbar. Für Blumberg bedeutet der Verlust von über 200 Einwohnern eine erhebliche Kürzung der Schlüsselzuweisungen vom Land, doch sei Blumberg noch vergleichsweise glimpflich davongekommen: Andere Gemeinden verzeichnen Einwohnerverluste von über zehn Prozent. „Die Infrastrukturkosten bleiben gleich, aber die Einnahmen brechen weg. Das ist eine Rechnung, die nicht aufgeht“, so Keller.

Der Widerstand gegen die Zensusergebnisse ist daher umfassend. Gemeinsam mit Interessenverbänden wie dem Gemeindetag und dem Städtetag will man die Methodik des Zensus hinterfragen und rechtliche Schritte prüfen. „Wir können nicht kampflos akzeptieren, dass uns so viele Einwohner einfach aberkannt werden“, zeigt sich Keller entschlossen.

Blick nach vorn

Ob der Einspruch Erfolg haben wird, bleibt ungewiss. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden zeigt sich selbstbewusst. Nachträgliche Korrekturen einzelner Kommunen hätten keinen Einfluss auf die Gesamtergebnisse des Zensus, heißt es auf deren Website. Dennoch setzt Keller auf einen langen Atem: „Es geht nicht nur um uns, sondern um die Frage, wie verlässlich und gerecht solche Erhebungen in Zukunft gestaltet werden. Wir fordern eine transparente Aufschlüsselung der Abweichungen und eine Anerkennung unserer realen Daten.“

Warum sind die Unterlagen schon entsorgt?

Allerdings ist das möglicherweise ein Kampf gegen Windmühlen. Denn die Unterlagen der Erhebung wurden bereits alle aus Datenschutzgründen vernichtet. Keller wundert sich: „Die Testunterlagen aus der Corona-Pandemie müssen jahrelang aufgehoben werden, aber beim Zensus ist schon alles vernichtet?“

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Blumberg ist durch den Zensus offiziell unter die magische 10.000 Einwohnerzahl gerutscht. Inzwischen wurde diese Schwelle aber wieder überschritten, da die Zuzüge der letzten beiden Jahre die Zensus-Delle bereits wieder ausgebügelt haben. Aber trotzdem fehlen 200 Personen.