Das ein Familienbetrieb auch in den Händen derselben bleibt, ist heute nicht selbstverständlich. War es noch vor etlichen Jahren so, dass die Kinder ganz sicher den elterlichen Betrieb weiterführen, ist das keine Gewissheit mehr. wer eigentlich den Hof der Familie übernehmen sollte, geht vielleicht lieber zum Jura-Studium an die Universität. Das sorgt oftmals leider auch dafür, dass Tradition damit verschwinden.

Jahrhunderte überdauert

Allerdings gibt es auch Beispiele, wie ein traditionelles Handwerk sogar mehrere Jahrhunderte überdauert und von einer Familie weitergeführt wird. Im Fall von der Bräunlinger Familie Scherzinger sind es in diesem Jahr bereits erstaunliche 250 Jahre. Und einen Großteil dieser Zeit hat die Familie ihr Bäckerhandwerk auch an derselben Stelle ausgeführt: In der Backstube in dem Haus in der Zähringerstraße 28. Das datiert auf den Beginn des 18. Jahrhunderts, ist aber wohl noch älter. Der hölzerne Teil ist in der Vergangenheit abgebrannt, die steinernen Elemente dürften allerdings bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden sein.

Thomas Scherzinger.
Thomas Scherzinger. | Bild: Bäckerei Scherzinger

Feier nach Corona

Nun sollen die 250 Jahre natürlich auch gebührend gefeiert werden. Allerdings hat die Corona-Krise dem Vorhaben vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht: „Wir haben noch keinen Termin. Es wird sicher etwas geben, aber eher in Richtung Herbst“, sagt Scherzinger.

Matthäus Scherzinger.
Matthäus Scherzinger. | Bild: Bäckerei Scherzinger

Acht Generationen

Ob er auf die lange Tradition stolz ist? Er ist die siebte Bäckergeneration in der Familie, seine Tochter Anita Linder, die 2015 das Geschäft übernommen hat, die achte. Scherzinger ist da bescheiden: „Es ist ja nicht mein Verdienst, dass es bereits so lange geht.“ Jedoch hält er fest: „Soweit ich weiß, ist das allerdings eine singuläre Sache. Es gibt wenige Betriebe mit einer solchen Geschichte“ Und in der Tat: Ein noch heute bestehender Familienbetrieb in der achten Generation ist etwas, das nicht an jeder Ecke gefunden werden kann.

Mathias Scherzinger.
Mathias Scherzinger. | Bild: Bäckerei Scherzinger

Die Geschichte

Mit der Geschichte der Familie und der Bäckerei hat sich etwa schon Susanne Huber-Wintermantel, Kuratorin des Kelnhof-Museums beschäftigt. Den Anfang genommen habe es demnach mit Mathias Scherzinger, der 1769 in Wolterdingen eine Mühle betrieben hat: „Er wurde vom Bräunlinger Rat als Fachmann engagiert, um dort eine Mühle zu schätzen“, erklärt Scherzinger. Schließlich erwirbt er in der Zähringerstadt eine Bäckerei. Nach etwa zwei bis drei verschiedenen Stationen, wird das Haus in der Zähringerstraße 1813 der Familiensitz.

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Das Handwerk wird schließlich von Sohn Joseph weitergetragen: „Der hat auch als Barbier gearbeitet und Leute rasiert“, erklärt Scherzinger. Daher rührt auch der Hausname der Scherzingers, der noch heute bekannt ist: s‘Balbierebecke.

In Familienhand

Das Geschäft wird schließlich über die Generationen weitergegeben, bis hin zum Vater von Thomas Scherzinger, Josef Scherzinger. Er überlebt den Zweiten Weltkrieg als Soldat und sorgt danach mit seiner Ehefrau Hermine für ein florierendes Geschäft. 1970 wird das dann von Thomas Scherzinger übernommen: „Ich habe das Handwerk bei meinem Vater gelernt, meine Tochter bei mir“, erklärt er. 2015 erfolgt schließlich die Übergabe an die mittlerweile achte Generation backender Scherzingers.

Josef Scherzinger, Vater von Thomas.
Josef Scherzinger, Vater von Thomas. | Bild: Bäckerei Scherzinger

Geschäft im Wandel

Bleiben Handwerk und Geschäft immer in Familienhand, gibt es jedoch etwas, das stetem Wandel unterworfen ist: Die Anzahl der Betriebe nimmt immer weiter ab. Zu bestehen, wird schwieriger. „Von über 100.000 in den 1960er-Jahren gab es bereits 1970 lediglich noch 80.000 Bäckereien. Es herrscht ein riesiges Bäckereiensterben“, sagt Scherzinger, der auch als Obermeister der Bäcker-Innung tätig war. „Heute sind es etwa noch zehn Prozent im Vergleich zu früher.“ Dafür seien die Betriebe wesentlich größer, beschäftigen bis zu 120 Mitarbeiter. Der Bräunlinger Betrieb hat etwa 30. „In den letzten 30 Jahren hat es viele Insolvenzen gegeben. Darunter große und kleine Betriebe. Sein Geld zu verdienen ist heute nicht mehr so einfach.“

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Es bleibt Handwerk

Moderne Technik und Digitalisierung halten zwar auch bei Bäckereien Einzug, das Handwerk bleibe dennoch erhalten: „Es gibt Knetmaschinen und moderne, gute Öfen, aber das Leiten und Betreuen des Teiges ist und bleibt Handwerk“, so Scherzinger. Manche Dinge ändern sich eben in 250 Jahren nicht.