Gegenwind erfährt ein privates Bauprojekt in der Kernstadt. Der von Verwaltung und Gemeinderat durchaus als behutsam und denkmalschutzkonform gesehene Umbau der ehemaligen Grafenbrauerei in einen Wohnkomplex wird in zwei Bereichen kritisiert. Zum einen wird der Stadt vorgeworfen, nicht genug zu tun für den Erhalt der Kult-Gastronomie „Bregtäler“ und die weitere Nutzung des Grafensaals für Veranstaltungen jeglicher Art. Zum anderen, so zuletzt in einem Leserbrief von Johann Müller-Albrecht zu lesen, befasse sich die Stadt zum Leidwesen der Anwohner nur ungenügend mit der aus dem Umbau resultierenden Parkplatzsituation.
Bauamtsmitarbeiter Alexander Misok setzt sich mit dieser Kritik auseinander. „Wir haben da großes Verständnis für die Anwohner, aber die Gesetzeslage ist eine andere.“ Zwar sei es durchaus der Fall, dass in Baden-Württemberg bei Bauprojekten durchschnittlich mehr als zwei Stellplätze je Wohneinheit ausgewiesen werden – und das jeweils auf freiwilliger Basis, doch selbst beim Wohnprojekt an der Gumppstraße, in einem dicht besiedelten Gebiet mit engen Straßen, gelten die Vorgaben der Landesbauordnung.
Diese geht, laut Misok, schon seit Mitte der 1990er von einem Stellplatz je Wohneinheit aus. Strengere Regeln in Form von Stellplatzverordungen könnten die Kommunen durchaus erlassen. Allerdings seien diese Verordnungen rechtlich leicht angreifbar und benötigten eine sehr stichhaltige Begründung. Bräunlingen sei diesen Weg bisher nicht gegangen.

Eine Alternative hieße Ablösevereinbarung. Hier wird dem Bauträger gegen eine festgesetzte Summe die Verpflichtung erlassen, die erforderliche Zahl an Stellplätzen nachzuweisen. Problem an einem solchen Handel: Die Stadt legt mit dieser Summe zwar Stellplätze im öffentlichen Raum an, doch diese lösen keineswegs die Parkproblematik beim neu erstellten Objekt.

Als dritten Aspekt bringt Misok die Rechtslage bei der Schaffung von Wohnraum über den Weg der Nachverdichtung in die Diskussion. Hier wird Bauherren die Verpflichtung abgenommen, eine im Altbestand geschaffene neue Wohnung mit einem zusätzlichen Stellplatz zu versehen. 90 bis 100 Wohneinheiten seien in den vergangenen zehn Jahren in Bräunlingen entstanden, bei denen die Bauherren Stellplätze auf dem eigenen Grundstück nachzuweisen konnten, bilanziert Misok. Die Nachverdichtung mit ihrem Rechtsrahmen verspricht weiteres Potenzial. So könnten, überwiegend über den Dachausbau, in der Altstadt etwa 90 zusätzliche Wohnungen entstehen, ohne dass ein Stellplatznachweis erforderlich sei.

Das Wohnprojekt Grafenbräu-Gebäude gilt, betrachtet man nur die Beschränkung auf das vorhandene Grundstück, als Nachverdichtung. Auch bleiben die wesentlichen Teile des Baukörpers erhalten. Und dennoch handelt es sich objektiv um eine Mischform. Während das Hauptgebäude auf vier Geschossen zehn Wohneinheiten aufnimmt, wird das östliche Gebäudeteil, das nicht unter Denkmalschutz steht, teils zurückgebaut. Auf die Außenmauer wird ein Neubau erstellt, in dem fünf Wohnungen vorgesehen sind. „Mit dieser Planung kann man von einer reinen Verdichtung kaum sprechen“, gibt Misok zu Bedenken.
Deshalb tritt die Stadt mit einem Vorschlag an den Bauträger: Er könnte, auch um die Attraktivität der Wohnungen zu steigern, vor und hinter dem Gebäude Grundstücksflächen erwerben, um sie zu Stellplätzen umzuwandeln. 14 bis 16 Stellplätze könnten auf diese Weise entstehen: im Übrigen in Anlehnung an einen 1986 in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt genehmigten Stellplatznachweis, der damals 13 Stellplätze auf öffentlichem Raum und teilweise in unzumutbarer Schräglage vorsah. Vom Bauträger Arche GmbH gab es zu diesem Vorschlag trotz Anfrage keine Stellungnahme.
Für die Anwohner könne er keine besseren Nachrichten bieten. Eine zufriedenstellende Lösung könne, auch für die Neubürger, in vernünftigem Parkverhalten liegen. Entweder, indem die Fahrzeuge auf dem etwa 100 Meter entfernten Spitalplatz abgestellt werden ohne dabei ein Dauerparken zu etablieren; oder in dem die Nachbarn untereinander das Gespräch suchen, um sich gegenseitig auf die durch Parker verursachten Engstellen hinzuweisen. Aber auch, um eine für alle kaum erwünschte Veränderung zu verhindern. Schon bisher kamen in Bereich Waldstraße oder Ottilienbergstraße Feuerwehr, Rettungsdienst oder Winterdienst mitunter wegen geparkter Autos nicht durch. Würde sich die Parksituation weiter verschlechtern, drohe eine Verkehrsschau und in der Folge ein direktes Parkverbot durch die Behörden.
Vorschlag: Parkdeck
Ob diese Ideen von der Bevölkerung getragen werden? Ablehnung äußert Johannes Müller-Albrecht, der sich vergangene Woche in einem Leserbrief gegen die Pläne ausgesprochen hat. Er würde gerne wissen, wo denn auf der Rückseite des Gebäudes Stellplätze entstehen könnten. Sein Vorschlag: weniger Wohnungen bauen und stattdessen an der rechten Seite des Wohngebäudes ein ein Parkdeck erstellen.