Es war ein Dienstag, der 10. März, als Uwe Rehnert von der Interessengemeinschaft (IG) Kreuzäcker bei der Gemeinderatssitzung über 1000 Unterschriften an den Bürgermeister Michael Schmitt überreicht hatte. Genau 1105 Unterschriften waren es zu diesem Zeitpunkt, die gegen das Gewerbegebiet Kreuzäcker und die Ostanbindung gesammelt worden waren. 823 davon von Brigachtalern. Das ist sechs Wochen her. Dazwischen: Schweigen vonseiten der Gemeinde und der Beginn der Coronakrise, die die Petition von der Prioritätenliste der Gemeinde drängte.

Sechs Wochen später, auch ein Dienstag, kam sie dann: eine erste Stellungnahme zu der Petition – unterzeichnet von dem Bürgermeister und von zehn Gemeinderäten: Lothar Bertsche, Lothar Bucher, Olaf Faller, Brita Krebs, Markus Rist (Bürgerinitiative Brigachtal), Theo Effinger, Joachim Eichkorn, Olaf Gißler, Jürgen Kaltenbach (CDU) und Jens Löw (SPD).
Wie hat die Gemeinde reagiert?
Was die Entwicklung der Gemeinde anbelangt, drücken sich die Verfasser der Stellungnahme klar aus: „Ja, wir brauchen eine weitere Entwicklung“, heißt es in dem Schreiben. Ein Entwicklungsstopp würde sich nachteilig auf die Gemeinde auswirken. Das Gemeindeentwicklungskonzept – ausgearbeitet mit Fachplanern – sei dabei „der Regieplan der Gemeinde“. Und weiter: „Entwicklungsziele, die Flächen benötigen, werden dabei vor allem im Osten Brigachtals umgesetzt werden.“
Es wird auf die Informationsveranstaltung 2017 verwiesen, bei der das Gewerbegebiet und die Verkehrsanbindung Thema waren. Im Juni 2018 sei diese Entwicklung vom Gemeinderat „mit großer Mehrheit im Grundsatz bestätigt“ worden. Seither habe es weitere Gespräche mit „den beteiligten Projektpartnern“ und „eine ergänzende Verkehrsuntersuchung“ gegeben. Um die Bürger umfassend zu informieren, ist laut Schreiben eine Einwohnerversammlung geplant, ein Termin stehe aufgrund der Coronakrise nicht fest. Um die bisherigen Planungen besser nachvollziehen zu können, verweisen die Unterzeichner auf die Gemeindehomepage. Dort seien jetzt „umfangreiche Unterlagen“ eingestellt worden.
Was ist mit den anderen Gemeinderäten?
Zehn Gemeinderäte haben die Stellungnahme unterzeichnet. Der Gemeinderat hat aber 14 Mitglieder. Die Partei Pro Brigachtal mit Heike Stöckmeyer, Albrecht Sieber und Josef Vogt sowie Thomas Huber von den Unabhängigen Bürgern haben nicht unterschrieben.
Josef Vogt: „Ich bin gegen die Anbindungsstraße, so wie sie jetzt geplant ist.“
Josef Vogt erklärt seine Entscheidung im Gespräch mit dem SÜDKURIER: „Ja, wir brauchen eine Entwicklung mit Gewerbegebiet und einer Straße. Aber ich bin gegen die Anbindungsstraße, so wie sie jetzt geplant ist.“ Vogt ist gegen eine Kreisstraße und stattdessen für eine Straße, die von der Gemeinde gestaltet werden kann – „im Interesse der Gemeinde“, wie er betont. Dazu müsste aber die Gemeinde die „Planungshoheit“ über die Straße haben und nicht der Kreis oder das Land. Seine Idee: Die Anbindungsstraße zur B33/K 5734 könnte schmaler gebaut und damit weniger Landschaft verbraucht werden. Außerdem könnte sie über bereits bestehenden Trassen führen. Die „Nahtstelle der Gemarkungen Marbach und Brigachtal„ halte er für die beste Option, von wo die Straße nach Osten hin abzweigen könnte – so, wie in der Machbarkeitsstudie vorgesehen. Eine Verkehrsanbindung zur B 33/K 5734 ist laut Vogt längst überfällig – „mit oder ohne Gewerbegebiet„.
Albrecht Sieber sieht Machbarkeitsstudien-Variante als einzig richtige Option
Albrecht Sieber hatte sich bereits Ende März mit einem Schreiben an die IG Kreuzäcker gewandt. In diesem spricht er sich klar für ein Gewerbegebiet aus, das „in seiner Größe angemessen, in seiner Lage durchdacht und verkehrstechnisch klug regional angebunden“ ist. Ein Gewerbegebiet auf der Steinbruchfläche, so wie das die IG Kreuzäcker vorgeschlagen hatte, hält Sieber im Moment nicht für möglich: „Das Steinbruchgelände befindet sich nicht im Eigentum und somit auch nicht in der Planungshoheit der Gemeinde“, schreibt er. Einig ist er mit der IG vor allem in diesem Punkt: Die Ostanbindung so wie sie jetzt geplant ist, dürfe es „so nicht geben“.
Und weiter: „Die Erschließung einer Gewerbefläche im Steinbruch über innerörtliche Verkehrswege ist nicht vertretbar.“ Bisher sei der Verkehr im Gesamtort immer auf Kosten der Ortsdurchfahrten L 178 und K 5712, mit dem Hauptlastträger Kirchdorf, gegangen. Sieber favorisiert den Straßenverlauf so, wie er in der Machbarkeitsstudie aufgezeigt worden ist: „Aus diesem Grund sehe ich die in der Machbarkeitsstudie als umsetzbare Variante der Verlegung der bestehenden K5734 (Ortsdurchfahrt Marbach-Bad Dürrheim) zwischen die Orte Marbach und Brigachtal-Kirchdorf als einzig richtige und zukunftsorientiere Lösung an.“ Dass diese Variante nun nicht mehr diskutiert werde, obwohl sie als machbar gilt, kann er nicht verstehen.
Heike Stöckmeyer: Zuerst Verkehrsführung klären, dann Gewerbegebiet erschließen
Heike Stöckmeyer betont gegenüber dem SÜDKURIER, dass zuerst die Verkehrsführung klar sein müsse, bevor das Gewerbegebiet erschlossen wird. Eine Zufahrt über die Schützenstraße und den Steinbruch sei für sie nicht die richtige Lösung, sondern eine Erschließung über die Buchhalde Richtung B33. Auch sie verweist auf den Straßenverlauf, wie er in der Machbarkeitsstude aufgezeigt wurde.
Thomas Huber: Bürger sollen mitbestimmen dürfen
Ergänzung (Donnerstag, 23. April): Thomas Huber gibt auf Nachfrage des SÜDKURIER an, dass er die Petition befürworte. „Ich habe die Petition selbst unterschrieben“, sagt er. Gründe seien für ihn unter anderem der enorme Flächenverbrauch und der erhebliche Eingriff in das Landschaftsbild. Die Ostanbindung würde außerdem zusätzlichen Durchgangsverkehr in den Ort bringen, ist er sich sicher. Huber ist nicht generell gegen eine Gewerbeansiedlung, aber gegen den Standort, wo diese jetzt geplant ist. „Die Gemeinde sollte einen Teil der Steinbruchfläche erwerben“, findet er. Huber ist der Meinung, dass die Bürger bei diesem „Großprojekt“ mitbestimmen sollten: „Die Bürger sollten entscheiden dürfen, um den Gemeindefrieden zu wahren.“
Wie reagiert die IG Kreuzäcker?

Nachdem Uwe Rehnert sechs Wochen lang auf eine Reaktion auf die Unterschriftenübergabe gewartet hatte, gibt er sich mit der Stellungnahme der Gemeinde nicht zufrieden: „Die Meinung der Bürger interessiert nicht“, ärgert er sich. Von einer gemeinsamen Entwicklung könne seiner Meinung nach nicht die Rede sein, vielmehr von einem „Vorsetzen“. Die IG möchte, so Rehnert, eine Entwicklung, die zu der Gemeinde passt. „Durch maßloses Wachsen und Vergrößern zerstört man die Infrastruktur und die Attraktivität der Gemeinde“, fügt er an.
„Sollen die Bürger tatsächlich gehört werden?“
Die aktualisierten Unterlagen auf der Gemeindehomepage seien erst seit Dienstag für die Bürger einsehbar. Aussagen zu Kosten und Finanzierung würden weiterhin fehlen. In Bezug auf die angekündigte Einwohnerversammlung fragt er sich: „Ist diese wieder als reine Informationsveranstaltung, wie sie schon im Oktober 2017 stattgefunden hat, geplant oder sollen die Bürger tatsächlich gehört werden?“ Die Forderung der IG fasst er so zusammen: „Nicht an den Bürgern vorbeiregieren, ihnen zuhören, ihre Bedenken und Sorgen ernst nehmen.“ Uwe Rehnert kündigte an, eine ausführliche Erwiderung auf die Stellungnahme auf die Internetseite der Online-Petition unter dem Punkt „Neuigkeiten“ einzustellen.