Herr Knörr, haben Sie sich in diesem ersten Jahr auf ihrer Stelle gut eingelebt?
Mit Sicherheit sehr gut. Ich bereue diesen Schritt nicht. Allen voran machen das die Kollegen hier im Haus aus. Da zähle ich nicht nur die Polizisten dazu, sondern auch unser Tarifpersonal, vom Geschäftszimmer bis hin zum Hausmeister. Ich bin auf ein wirklich gut organisiertes Revier mit engagierten Mitarbeitern getroffen. Bei all diesen Widrigkeiten, die es heutzutage auch bei der Polizei gibt, gefällt es mir sehr gut.
Kann nach einem Jahr die Handschrift eines Revierleiters bereits erkennen, wenn ja, woran?
Ich meine Ja. Ich spüre das im täglichen Umgang mit den Kollegen, die mir meiner Meinung nach ein hohes Vertrauen entgegenbringen. Bei meiner Amtseinführung habe ich damals gesagt, dass dies das wichtigste Gut der Mitarbeiter ist und ich deshalb versuche, als Revierleiter die Kollegen mitzunehmen. Zu beteiligen und durch Beständigkeit, Verlässlichkeit und klare Positionierungen die Arbeit der Kollegen zu erleichtern. Das praktiziere ich. Dafür war ich aber auch schon früher bekannt. Dieses Vertrauen, das mir entgegengebrächt wird, ist eine erste Bilanz, die ich ziehen kann. Ich hoffe, die Kollegen sind mit mir auch zufrieden.
Gab es in dem Jahr Aufgabenfelder, die sich besonders herauskristallisiert haben und einen besonderen Handlungsbedarf haben?
Das ist natürlich das Handlungsfeld der Erstaufnahmeeinrichtung Donaueschingen. Das beschäftigt. Ich will keinen negativen Duktus darüber legen. Aber es liegt an der Tatsache, dass wir hier nun mal eine Erstaufnahmeeinrichtung haben, und hier viele Flüchtlinge zentral untergebracht sind. Es gibt Problemfelder, was wahrscheinlich aber in jeder anderen Stadt auch Probleme mit sich bringen würde. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal vom Revier Donaueschingen. Wir sind in der Struktur des Polizeipräsidiums Tuttlingen, das immerhin fünf Landkreise umfasst, das einzige Revier, das eine solche Einrichtung besitzt. Das ist eine herausragende Aufgabe. Ich möchte aber auch betonen, dass der Umgang mit den Verantwortlichen, etwa beim Regierungspräsidium oder der Stadt, hervorragend ist.
Im Frühjahr gab es dort zwei größere Vorfälle. Einen davon haben Sie sogar mit Ellwangen verglichen. Seitdem scheint es relativ ruhig zu sein. Hat sich in diesem Bereich etwas verändert, oder könnte eine solche Situation wieder entstehen?
Es ist bekannt, dass immer noch sechs Personen von diesem Vorfall in Haft sind. Ich denke, das hat schon Wirkung gezeigt. Auf die Tumultlage, welche sich im Zuge einer Abschiebemaßnahme ergab haben wir am nächsten Tag konsequent reagiert. Da hat man deutlich gesagt: Das geht so nicht. Da sind wir ganz tief in der Verwirklichung gravierender Straftatbestände. Man kann meinen, es ist ruhiger geworden, zumindest was die größeren Lagen anbelangt. Das hatten wir in der Vergangenheit Gott sei Dank nicht mehr. Was wir tagtäglich haben, sind Abschiebungen. Da sind wir fast tagtäglich sehr stark eingebunden. Wir haben uns diesbezüglich zwar einsatztaktisch aufgestellt und gehen entsprechend vor. Allerdings mit einem aus polizeilicher Sicht fast ausschließlich unbefriedigenden Ergebnis. Mehr möchte ich hierzu nicht sagen.
Wie haben sich denn die Zahlen in der Erstaufnahmeeinrichtung entwickelt?
Die Belegungszahlen steigen wieder. Mitte des Jahres waren wir auf einem relativen Tiefstand seit 2015, mit rund 200 Personen. Im Moment sind wir wieder knapp an den 500. Noch bis 2019 bleibt uns die Einrichtung erhalten. Wir hoffen, dass wir keine größeren Lagen mehr zu bewältigen haben, dass es weiterhin relativ ruhig bleibt. Selbstverständlich gibt sonstige Aufgabenstellungen im Kleinen rund um die Erstaufnahmeeinrichtung, die uns täglich beschäftigen. Das ist eine Herausforderung. Uns belastet auch die Personalknappheit bei der Polizei Baden-Württemberg generell. Neben dem Aufgabenportfolio, das jedem Revier zugeschrieben ist, haben wir eben diese besondere Herausforderung zu meistern.
Die Abschiebungen finden regelmäßig statt. Bekommen Sie dabei auch Unterstützung, etwa von anderen Revieren?
Bei diesen Maßnahmen steht für mich die Sicherheit der Kollegen im Vordergrund. Deshalb fahren wir auch mit einem entsprechenden Kräfteansatz dort hoch. Da erfahren wir Unterstützung durch die umliegenden Reviere. Man erkennt diese Mehraufgabe in Donaueschingen auch auf Ebene der Direktion Polizeireviere in Tuttlingen. Dort erfahren wir temporär Unterstützung.
Die Kriminalitätsstatistik war ja durchaus positiv: Einbrüche und Körperverletzungen sind zurückgegangen. Wie wird das zukünftig aussehen, wenn die Erstaufnahme weg ist?
Ich gebe ihnen recht, die Kriminalstatistik des Polizeireviers verzeichnete in 2017 grundsätzlich ein positives Ergebnis. Deutlich überproportional belastet war allerdings die Stadt Donaueschingen was die Häufigkeitszahl anbelangt. Hierfür verantwortlich sind auch die Straftaten, die von Bewohnern der Erstaufnahmeeinrichtung begangen worden sind, unser Polizeipräsident Herr Regele hat sich bereits bei der Vorstellung der Kriminalstatistik des Landkreises Schwarzwald-Baar hierzu entsprechend positioniert. Diese Belastung ist nicht von der Hand zu weisen.
Ich hoffe, wenn 2020 anbricht und die Erstaufnahmeenrichtung tatsächlich aufegegeben wird, dass sich dies positiv auf die Kriminalitätsbelastung der Stadt auswirkt. Die Polizei tut alles dafür, um der Kriminalität Einhalt zu gebieten. Wir haben natürlich auch unsere Schwerpunkte, wie etwa Wohnungseinbruchsdiebstähle, die das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger negativ beeinflussen und wogegen wir entsprechende Maßnahmen treffen. Die im Strafgesetzbuch aufgeführten Straftaten sind vielfältig und leider können wir uns nicht allen Straftaten so annehmen, wie wir es uns wünschen würden.
Welche Rolle spielen denn aktuelle Entwicklungen in der Stadt für ihre Arbeit, etwa das derzeit heiß diskutierte Verkehrskonzept der Stadt Donaueschingen?
In der Hauptsache kümmert sich das Ordnungsamt darum. Im Vorfeld hat sich das Polizeipräsidium Tuttlingen auch dazu geäußert. Der Beschluss kam und das Konzept wurde schließlich umgesetzt. Jetzt in der Umsetzungsphase, als es durchaus Schwierigkeiten gegeben hat, die teilweise auch immer noch anhalten, hat uns die Stadt gebeten, ein Auge darauf zu werfen. Wir haben gemeinsam mit dem Gemeindevollzugsdienst entsprechende Kontrollen durchgeführt.
Nicht in der Art, dass wir gleich beanstandet hätten, sondern dass wir mit dem Verkehrsteilnehmer das Gespräch gesucht und ihn auf die Änderungen hingewiesen haben. Dass wir sagen müssten, wir hätten ein erhöhtes Verkehrsunfallsaufkommen – das ist nicht der Fall. Wir haben eine Unzufriedenheit, teilweise berechtigt, teilweise unberechtigt. Auf uns kommen sehr wenige Bürger zu, die sich über das Konzept beschweren. Für uns gibt es hier keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.
Was wünschen Sie sich für ihr kommendes Jahr in Donaueschingen?
Dass ich an das vergangene anknüpfen kann. Für die Mitarbeiter die Arbeitsgrundlagen zu schaffen, um das vorhandene Engagement und die Arbeitszufriedenheit weiter zu erhalten, das ist als Revierleiter, bei all den Widrigkeiten die sich immer wieder einstellen, mein vorrangigstes Ziel.
Fragen: Guy Simon
Zur Person
Thomas Knörr, 54, ist seit dem 1. Oktober 2017 Leiter des Polizeireviers Donaueschingen. Er übernahm diese Aufgabe von Polizeihauptkommissar Kai Stehle, der seit dem Weggang von Jörg Rommelfanger kommissarisch das Revier an der Lehenstraße geleitet hatte. In seiner Funktion als Leiter des Reviers ist Knörr für rund 50 Beschäftigte verantwortlich. Das Zuständigkeitsgebiet umfasst die Städte Donaueschingen, Hüfingen, Bräunlingen und Blumberg mit insgesamt 32 Stadt- und Ortsteilen. Mit Blumberg liegt ein Polizeiposten im Zuständigkeitsbereich, der an eine EU-Außengrenze stößt.