"Es war wie in Ellwangen." So beschreibt Revierleiter Thomas Knörr die Zuspitzung einer Abschiebemaßnahme am 27. März dieses Jahres. Das Stichwort "Ellwangen" steht seit Mai für einen Präzedenzfall im Umgang von Staatsgewalt und Flüchtlingen. Damals konnten rund 200 aufgebrachte Migranten verhindern, dass ein Abzuschiebender von der Polizei abgeholt wurde. "Diese Probleme hatten wir auch", sagt Donaueschingens Polizeichef.
Als ein Migrant nachts aus der Unterkunft abgeholt werden sollte, entwickelte sich diese Polizeiaufgabe zunächst normal. Doch auf ihrem Fußweg über den Hof zu den Fahrzeugen wurden die Beamten von 60 bis 70 Bewohnern der Unterkunft begleitet. Diese zeigten sich aggressiv, stießen Beleidigungen aus und warfen Flaschen, Steine und Gegenstände in Richtung der Polizisten. Aktive Angriffe fanden nicht statt, räumt Knörr ein. "Da gibt es noch Hemmschwellen."
Mithilfe herbei geeilter Kollegen aus Villingen, Schwenningen und Tuttlingen wurde die Abschiebung in dieser Nacht zu Ende gebracht. Der zur Abschiebung ausgeschriebene Flüchtling wurde von der Polizei zum Zwischenaufenthalt aufs Revier fahren. Am nächsten Tag spannte die Polizei die Muskeln an: In Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei und mittels Videomaterials konnten am Vormittag sechs Rädelsführer identifiziert werden. In der folgenden Nacht rückte die Polizei – eine Parallele zu Ellwangen, aber ohne medialen Widerhall – mit 50 Beamten in der Unterkunft an. Eingebunden war ein Zug der Einheit "Präsidium Einsatz". Hier handelt es sich um eine der drei Sonderpräsidien im Land, die punktuell personelle Verstärkung erbringen kann. Ihr Dienstsitz ist in Göppingen, eine Außenstelle befindet sich in der alten Straßenmeisterei in Donaueschingen. Ausgeführt wurde in dieser Nacht eine von zwei vorgesehenen Abschiebungen, festgesetzt wurden drei der gesuchten Rädelsführer. An zwei aufeinander folgenden Tagen wurden drei weiteren Gesuchte in der Unterkunft festgenommen.
Inzwischen wurde vor dem Jugendschöffengericht in Villingen-Schwenningen gegen die sechs Personen Anklage erhoben. Die heute zwischen 17 und 33 Jahre alten Männer müssen sich wegen Landfriedensbruchs, teils in besonders schwerem Fall, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, teils in Beihilfe, verantworten. Unabhängig davon, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht in Anwendung kommt, reicht das Strafmaß bei den einzelnen Anklagepunkten von sechs Monate bis zu zehn Jahre. Laut Andreas Mathi, Pressestaatsanwalt der Staatanwaltschaft Konstanz, gibt es noch keinen Verhandlungstermin. Verhandelt werden müsse aber binnen sechs Monaten nach der Verhaftung.