Es war eine Gemeinderatssitzung, die wohl in die Geschichte Donaueschingens eingeht: Am Dienstag, 8. Juli kochen die Emotionen hoch. Stein des Anstoßes? Die derzeitigen temporären Sperrungen und Umleitungen in der Innenstadt im Rahmen der Eventreihe Donauquellsommer, die an drei Plätzen der Innenstadt stattfindet.
Versammlung vor den Donauhallen
Schon eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Beginn der Gemeinderatssitzung stehen vor den Donauhallen Menschen beisammen. Die neu gegründete Interessensgemeinschaft (IG) „Wir sind Donaueschingen“ hatte eine Woche zuvor eine Versammlung angemeldet. Das Ziel? Die sofortige Aufhebung der Innenstadtumleitungen, Einbahnstraßenregelung und Sperrungen der Plätze vor der Stadtkirche und vor dem Rathaus.
Zu Beginn der Versammlung gegen 19 Uhr gehen die Polizei und Ordnungsamtsleiter Marcel Rebholz noch von etwa 150 Teilnehmern aus. Die KI Perplexity analysiert ein Foto der Menschenansammlung, das der SÜDKURIER aufgenommen hat – und schätzt, dass etwa 300 Personen der Protestaktion beiwohnten. Der Sprecher der IG, Kai Georg, hingegen geht von 500 Teilnehmern aus.

Florian Meess, Geschäftsführer der Hof-Apotheke in der Karlstraße, hat ein Plakat vorbereitet: „Donaueschingen – die entlebte Innenstadt“ steht darauf. Nebenan liegen Unterschriftenlisten parat, auf welcher die sofortige Aufhebung der Maßnahmen gefordert wird. Martin Benzing teilt Stifte aus, innerhalb weniger Minuten haben 20 Personen ihren Namen auf die Liste gesetzt.

Und als um kurz vor 19.30 Uhr Ordner die Türen öffnen, drücken sich die Bürger hinein. Schon nach wenigen Minuten ist die Zuschauerempore des Strawinsky-Saals überfüllt. Weshalb Pauly zu einer ungewöhnlichen Maßnahme greift: Er verlegt die Bürgerfragestunde kurzerhand in den größeren Bartók-Saal.
Dort begrüßt Pauly die Bürger. „Dass wir nun kurzfristig umgezogen sind, ist etwas unkonventionell, auch die Mitglieder des Gemeinderates haben so etwas wohl noch nicht erlebt. Ich möchte aber niemandem die Chance verwehren, heute dabei zu sein.“
4100 Unterschriften gesammelt
Kai Georg, als Sprecher der IG, ergreift zuerst das Wort. Er stellt klar: „Manchmal muss das Wohl des Einzelnen hinter dem Wohl der Mehrheit anstehen.“ Man sei als IG auch nicht gegen die Veranstaltungen, die im Rahmen des Donauquellsommers stattfinden. „Aber wenn das über drei Monate eine schwierige Erreichbarkeit der Innenstadt nach sich zieht, ist das für Anwohner und Gewerbetreibende eine unzumutbare Situation.“
Er zeigt den Gemeinderäten und dem OB einen Papierstapel. „Das sind 4100 Unterschriften und Gründe, dieses Experiment jetzt zu beenden. Diese Entscheidung brauchen wir nicht erst in drei Wochen, wir brauchen sie jetzt.“ Applaus brandet auf, als er seinen Appell beendet.

Auch Jens Scholl, Betreiber des Nahkauf-Marktes in der Karlstraße, ergreift das Wort. Er geht darauf ein, dass seit Juni die Kundenfrequenz und der Umsatz in seinem Laden abgenommen hätten. Er berichtet von einer älteren Stammkundin, die nun mit dem Taxi in sein Geschäft kommen müsse, da der Stadtbus die Haltestelle in der Karlstraße nicht mehr anfahre.
Noch vier weitere Bürger kommen zu Wort, die ihrem Ärger freien Lauf lassen.
Pauly nimmt Stellung und erläutert das Zustandekommen der Entscheidung, im Rahmen des Donauquellsommers die Verkehrsführung anzupassen. „Der Verkehr wird nicht deshalb umgeleitet, weil wir Veranstaltungen in der Stadt machen, sondern weil der Gemeinderat seit vielen Jahren ein Konzept zur Steigerung der Innenstadtattraktivität verfolgt.“

So kam es zu dem Gemeinderatsbeschluss
2023 wurde ein Fußgänger-Verkehrscheck mit einer Landesförderung erstellt, daraufhin wurde 2024 ein Zielbild der Innenstadt entwickelt, woraufhin Donaueschingen sich 2025 auf Antrag des Gemeinderates beim Land auf die Innenstadtmöblierung beworben habe.
Diese sei laut Pauly an die Bedingung geknüpft, dass im Rahmen dessen eine Testphase für eine Verkehrsanpassung in der Innenstadt stattfinde. Die Idee einer temporären Sperrung am Wochenende für die Veranstaltungen des Donauquellsommers sei verworfen worden, da Polizei und Verkehrsbehörden davon abgeraten hatten.
Oberbürgermeister erntet Buh-Rufe
Es sei mit Workshops im Vorfeld versucht worden, die Gewerbetreibenden abzuholen und an dem Prozess zu beteiligen. „Nach fünf Wochen sollte nun auch der Zeitpunkt eingetreten sein, wo sich die Donaueschinger an die neue Verkehrsführung gewöhnt haben und den Weg durch die Innenstadt finden. Die, die wollen, schaffen es“, so Pauly.
Buh-Rufe aus dem Publikum ertönen, worauf der OB scharf reagiert. „Wer nicht zuhören will, darf gerne den Saal verlassen.“
Stadt und Gemeinderat ändern Verkehrsregelung
Dennoch nimmt Pauly die Kritik an. In vorheriger Absprache mit den Fraktionen sei entschieden worden, die Einbahnstraßenregelung in der Karlstraße zwischen Schul- und Werderstraße aufzuheben. Von der Max-Egon-Straße kommend, sollen Verkehrsteilnehmer dann wieder nach rechts in die Karlstraße abbiegen können.
Die FDP forderte zudem die Freigabe des Platzes an der Stadtkirche, doch die anderen Fraktionen und die Verwaltung sprach sich dagegen aus. Die Plätze vor der Stadtkirche und dem Rathaus bleiben demzufolge zwar weiterhin Fußgängerzonen und für die Durchfahrt gesperrt, doch der Stadtbus der Linie DS3 wird die Haltestellen in der Karlstraße wieder anfahren. Die neue Verkehrsregelung tritt am Montag, 14. Juli in Kraft.
Aktuell laufen bereits Verkehrszählungen im Innenstadtbereich. Ergänzend dazu bereitet das unabhängige Stadtentwicklungsbüro CIMA eine Bürgerumfrage vor, die Ende Juli starten soll. Nach Abschluss der dreimonatigen Testphase im September wird eine ausführliche Evaluierung folgen.