Bernhard Leitner kann es sich schon genau vorstellen. Der Gang zur Donauhalle wird zum Klangerlebnis. Wer die Pergola entlang spaziert, der hört plötzlich Töne, die von den Wänden kommen, vom Boden und dem Dach – überall her, bloß eben nicht aus Lautsprechern.

Der österreichische Künstler ist in Donaueschingen kein Unbekannter. Schließlich hat er während der Musiktage schon drei Mal für Klanginstallationen gesorgt. 1999 widmete er sich unter dem Titel „Wasserspiegel“ im Donautempelchen akustisch dem Wasserrauschen. 2003 dann die „Klangstrahlen. Zur Geometrie des Hörens“ im Keller der Hofbibliothek und 2009 „Pulsierende Klänge“ im Fischerhaus. Nun arbeitet der Universitätsprofessor an einem neuen Werk – speziell für Donaueschingen. An den Musiktagen soll es spätestens fertig sein. Doch es unterscheidet sich von den vorherigen Werken. Denn diese Klanginstallation soll nach dem musikalischen Großereignis nicht mehr abgebaut werden, sondern eine dauerhafte Spur der Musiktage in der Stadt hinterlassen.

Künstler Bernhard Leitner erklärt dem Musiktage-Chef Björn Gottstein die Funktion seiner Klanginstallation, die in der Pergola der ...
Künstler Bernhard Leitner erklärt dem Musiktage-Chef Björn Gottstein die Funktion seiner Klanginstallation, die in der Pergola der Donauhallen ab Herbst zu finden ist. | Bild: Stephanie Jakober

Denn bislang sind die Musiktage in Donaueschingen während drei Tagen erlebbar. Doch sind die Fans der Neuen Musik wieder abgereist, sind auch die Musiktage wieder verschwunden. Einzig das Denkmal im Schlosspark und der nach Armin Köhler benannte Platz vor den Donauhallen zeugen von der Veranstaltung, die internationales Publikum in die Stadt lockt. Ansonsten ist in der Stadt wenig zu finden, das außerhalb der Musiktage auf die lange Tradition schließen lässt.

Das soll sich ändern: Musiktage-Chef Björn Gottstein und Kulturamtsleiter Lina Mell hatten schon vor längerem die Idee, dass die Musiktage auch außerhalb der Veranstaltung in der Stadt erlebbar sein sollen. So könnten die Besucher, die nicht gerade am musikgeprägten Herbstwochenende zu Besuch kommen, auch ein bisschen von der Besonderheit erleben. Und so soll es nun jedes Jahr eine dauerhafte Installation geben, so dass – wenn die Musiktage 2021 ihren 100. Geburtstag feiern – fünf verschiedene Klangprojekte in der Stadt zu finden sind. Denkbar wäre dann auch eine spezielle Stadtführung zu diesem Thema.

Donauhallen-Architekt Helmut Hagmüller und der Künstler Bernhard Leitner schreiten die Pergola ab, wo den Besuchern ab Herbst ein ...
Donauhallen-Architekt Helmut Hagmüller und der Künstler Bernhard Leitner schreiten die Pergola ab, wo den Besuchern ab Herbst ein Klangerlebnis geboten werden soll. | Bild: Stephanie Jakober

Doch erst einmal muss die erste Installation noch perfektioniert werden. Die Grundidee steht. Nun geht es an die Feinarbeit. Das Prinzip ist eigentlich einfach – die Wirkung umso beeindruckender. Bernhard Leitner hat einfach das Prinzip des Parabolspiegels umgekehrt. Wo es sonst seine Aufgabe ist zu bündeln, streut er nun. Doch nicht Licht und Strahlen, sondern Klänge. Ein Lautsprecher vor dem Parabolspiegel erzeugt den Klang, die Schale mit 45 Zentimetern Durchmesser streut den Klang, bis er auf eine Wand, eine Decke oder ein Objekt fällt und von dort wird der Klang weitergeleitet.

„Einfallswinkel ist gleich Ausfallswinkel“, erklärt Leitner, gibt dem alten Merksatz aus Schulzeiten eine ganz neue Bedeutung und lässt den Parabolspiegel noch einmal um ein paar Zentimeter neu ausrichten. Plötzlich hört es sich an, als ob die Stimme nicht mehr aus dem Lautsprecher hoch unter dem Dach der Pergola kommt, sondern irgendwo vom Boden. Zu sehen ist aber nichts. Tobias Eichinger vom Donauhallen-Team steht hoch oben auf dem Hubwagen und dreht das Werk von Leitner erneut. Plötzlich kommt die Stimme von der Wand der Donauhalle. Faszinierend.

Kulturamtsleiterin Lina Mell und Künstler Bernhard Leitner bereiten den Parabolspiegel vor.
Kulturamtsleiterin Lina Mell und Künstler Bernhard Leitner bereiten den Parabolspiegel vor. | Bild: Stephanie Jakober

Doch wenn die Installation fertig ist, dann soll das Klangerlebnis noch viel beeindruckender sein. Denn es werden eine Vielzahl von Parabolspiegeln in den Verstrebungen der Pergola aufgehängt, so dass bei jedem Schritt ein neues Klangbild geboten wird. Leitner spricht von akustischen Bildern, die sich bewegen werden. „Im Keller der Hofbibliothek habe ich so etwas schon einmal mit einer Wand gemacht. Doch das hier wird noch viel komplexer.“

Doch Anwohner, die sich nun Sorgen machen, dass sie Tag und Nacht, Jahr ein, Jahr aus, die Klanginstallation hören müssen, können beruhigt sein. Das Ganze soll über einen Schalter betätigt werden, damit die Klänge auch nur dann zu hören sind, wenn sich jemand dafür interessiert. Und mutmaßlich wird es auch eine Zeitsteuerung geben, so dass beispielsweise in der Nacht der Klang-Missbrauch unmöglich ist.

Der Künstler

Bernhard Leitner kam 1938 im österreichischen Feldkirch zur Welt. Nach seinem Abitur studierte er Architektur an der Technischen Hochschule in Wien. Zuerst war er als Architekt tätig. 1969 begann Leitner seine „Ton-Raum-Untersuchungen“, die aus der Idee entwickelt wurden, mit Ton als skulpturalem, architektonischem Material Raum zu gestalten. Von 1982 bis 1986 lebte er als freischaffender Künstler in Berlin. Ab 1987 übernahm er die Meisterklasse für Medienübergreifende Kunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Er hat dauerhafte Installationen in Berlin, Paris, Buchberg und St. Pölten. Leitner wurde mit dem Ehrenpreis des Deutschen Klangkunst-Preises und dem Österreichischen Kunstpreis für Video- und Medienkunst ausgezeichnet.