Vor etwa 2500 Jahren hatte sich die Demokratie in den griechischen Stadtstaaten entwickelt. Beim Fest zum 75. Jubiläum der Stadterhebung Wehrs würdigten die Redner die Städte als Orte der gelebten Demokratie und skizzierten die Herausforderungen und Chancen, denen sich die noch junge Stadt Wehr gegenübersieht.

Zahlreiche Bürger nehmen am Freitagabend am Festaufakt auf dem Wehrer Talschulplatz teil.
Zahlreiche Bürger nehmen am Freitagabend am Festaufakt auf dem Wehrer Talschulplatz teil. | Bild: Michael Gottstein

Stadt bedeutet auch Demokratie

Zahlreiche Bürger versammelten sich am Freitagabend auf dem Talschulplatz, wo vor 75 Jahren der Badische Staatspräsident Leo Wohleb die Urkunde zur Stadterhebung an Wehrs Bürgermeister Eugen Schmidle überreicht hatte. Dieser Tag sei ein Wendepunkt in der Stadtgeschichte gewesen, erklärte Bürgermeister Michael Thater. „Stadt bedeutet auch Demokratie, hier sind die handelnden Personen ansprechbar.“

Landrätin Marion Dammann überreicht Bürgermeister Thater einen Geschenkkorb.
Landrätin Marion Dammann überreicht Bürgermeister Thater einen Geschenkkorb. | Bild: Michael Gottstein

Demokratie lebt von Beteiligung

Festredner war Ralf Broß, der Hauptgeschäftsführer des Städtetags Baden-Württemberg und ehemalige Oberbürgermeister Rottweils, der ältesten Stadt des Landes. „Demokratie lebt von der Beteiligung, nicht vom Beifall.“ Städte zeichneten sich nicht nur durch die Einwohnerzahl, eine geschlossene Siedlungsstruktur oder die Einrichtungen für Kultur, Bildung, Sport und Soziales aus, sondern auch durch Gemeinschaft, Gestaltungskraft und Ehrenamt.

Festredner war Ralf Broß, Hauptgeschäftsführer des Städtetags Baden-Württemberg.
Festredner war Ralf Broß, Hauptgeschäftsführer des Städtetags Baden-Württemberg. | Bild: Michael Gottstein

Kommunen stehen vor großen Herausforderungen

Heute stünden die Städte und Gemeinden vor Herausforderungen durch knapper werdende Ressourcen, den Klimawandel, die gebremste wirtschaftliche Entwicklung und unversöhnlicher werdende Diskurse. Die Kommunen als Orte der gelebten Demokratie bräuchten mehr Handlungsspielräume, sagte Broß und forderte: „Keine Aufgabenzuweisung durch Bund und Land ohne entsprechende Mittelzuweisung und keine Regulierungen ohne Rücksicht auf deren Umsetzbarkeit.“

Martin Kistler Landrat vom Landkreis Waldshut.
Martin Kistler Landrat vom Landkreis Waldshut. | Bild: Michael Gottstein

Landrat Martin Kistler gratulierte im Namen des Kreises. „Wir sind froh, dass Wehr seit der Kreisreform 1973 zum Landkreis Waldshut gehört.“ Die Präsidentin des Trinationalen Eurodistrikts Basel, Marion Dammann, verwies auf die historischen Beziehungen Wehrs zu der Schweiz und Frankreich. Diese Vernetzung finde aktuell ihre Entsprechung in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.

Der ehemalige Kulturamtsleiter Reinhard Valenta moderierte die Podiumsdiskussion und konnte Ralf Broß mit der Mitteilung überraschen, dass Carl August Hipp, einer der Gründer der MBB, aus Rottweil stammte.

Der Stadtschlüssel, Fahnen und Blumen in den Wehrer Farben Blau, Weiß und Grün.
Der Stadtschlüssel, Fahnen und Blumen in den Wehrer Farben Blau, Weiß und Grün. | Bild: Michael Gottstein

Die Geschichte Wehrs wurde während der Industrialisierung, aber auch in jüngster Zeit durch Immigranten geprägt. Die junge Joana Alessi hat familiäre Wurzeln in Italien, Bosnien und Ostdeutschland und erklärte: „Ich würde mich voll und ganz als Wehrerin sehen.“

Die Zeitzeugen Willi Raiber und Martha Eschbach.
Die Zeitzeugen Willi Raiber und Martha Eschbach. | Bild: Michael Gottstein

Zeitzeugen und junge Menschen kommen zu Wort

Der Zeitzeuge Willi Raiber bezeichnete das Stadtfest 1950 als „Mutter aller Feste“, und Martha Eschbach, die damals als Festjungfer dabei war, berichtete, dass die Stadterhebung das Selbstbewusstsein der Wehrer gestärkt habe: „Es hät jo immer gheiße: Us Wehr kunnt nüt Gscheits her.“ Julian Fricker als Vertreter der jungen Generation möchte diesen Satz umwandeln in das neue Motto „Z‘Wehr git‘s mehr“. Er wünsche sich, dass sich Wehr auf Neuerungen einlasse.

Die Tanzschule Iris Jäger ist mit einer Minidisco vertreten.
Die Tanzschule Iris Jäger ist mit einer Minidisco vertreten. | Bild: Michael Gottstein

„Die Wehratalbahn ist nicht begraben“

Marion Dammann, Landrätin des Landkreises Lörrach sieht im Sisslerfeld eine große Chance, aber auch eine Herausforderung für die Kommunen, welche Wohnraum und Infrastruktur schaffen müssten. Auf Nachfrage Valentas meinte sie: „Die Wehratalbahn ist nicht begraben, sondern nur zurückgestellt“, worauf er antwortete: „Diese Beharrlichkeit haben wir.“ Die Stadtmusik unter Leitung von Jonathan Eberstein umrahmte den Festakt.

Die Hauptstraße war am Samstag 12. Juli eine Festmeile für Familien.
Die Hauptstraße war am Samstag 12. Juli eine Festmeile für Familien. | Bild: Michael Gottstein

Breites Familienangebot am Samstag

Bei sommerlichem, aber nicht zu heißem Wetter nutzten viele Familien am Samstag die Gelegenheit, über die Hauptstraße zu spazieren und die Angebote der Vereine und Organisationen nebst dem kulinarischen Angebot zu nutzen.

Leonie Buchna zeigte der neunjährigen Leana, wie man einen Teddybären verarztet.
Leonie Buchna zeigte der neunjährigen Leana, wie man einen Teddybären verarztet. | Bild: Michael Gottstein

Die Feuerwehr stellte ein Fahrzeug vor und bot Wasserspiele, das DRK war mit einer Hüpfburg, einer Teddyambulanz und einem Einsatzfahrzeug vertreten: Kinder konnten ihren Teddy verarzten oder den Blutdruck oder Puls messen lassen.

Ylli (links) und Hana basteln mit DLRG-Vereinsmitgliedern am Stand der Ortsgruppe Wehr Boote.
Ylli (links) und Hana basteln mit DLRG-Vereinsmitgliedern am Stand der Ortsgruppe Wehr Boote. | Bild: Michael Gottstein

Allerhand für Kinder

Entlang der Hauptstraße gab es Geschicklichkeitsspiele, die DLRG lud zum Bootebasteln ein, und das Familienzentrum informierte über seine Angebote. Das Jugendhaus hatte Kinder gebeten, ihre Lieblingsorte in der Stadt zu malen, und die Buchhandlung Volk bat zur Schnitzeljagd, bei der es drei Büchergutscheine zu gewinnen gab.

Zum Abschluss des Festes spielte die Band Sameday am Samstagabend auf dem Talschulplatz.
Zum Abschluss des Festes spielte die Band Sameday am Samstagabend auf dem Talschulplatz. | Bild: Michael Gottstein

Sameday-Konzert am Abend als Höhepunkt

Die Tanzschule Iris Jäger wartete mit einer Minidisco auf, und das Stadtmuseum hatte aus seinem Depot besondere Exponate ans Tageslicht geholt: Die Geschenke, die Wehr vor 75 Jahren bekommen hatte, und den gewaltigen, geschnitzten Wappenstuhl des Bürgermeisters, in dem der zierliche Staatspräsident Leo Wohleb einst fast versunken war.

Zum Abschluss des Festes spielte die Band Sameday am Samstagabend auf dem Talschulplatz.
Zum Abschluss des Festes spielte die Band Sameday am Samstagabend auf dem Talschulplatz. | Bild: Michael Gottstein

Den Abschluss fand das Fest am Samstagabend, als die heimische Band „Sameday“ vor großem Publikum auf dem Talschulplatz aufspielte.

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