Vor etwa 2500 Jahren hatte sich die Demokratie in den griechischen Stadtstaaten entwickelt. Beim Fest zum 75. Jubiläum der Stadterhebung Wehrs würdigten die Redner die Städte als Orte der gelebten Demokratie und skizzierten die Herausforderungen und Chancen, denen sich die noch junge Stadt Wehr gegenübersieht.

Stadt bedeutet auch Demokratie
Zahlreiche Bürger versammelten sich am Freitagabend auf dem Talschulplatz, wo vor 75 Jahren der Badische Staatspräsident Leo Wohleb die Urkunde zur Stadterhebung an Wehrs Bürgermeister Eugen Schmidle überreicht hatte. Dieser Tag sei ein Wendepunkt in der Stadtgeschichte gewesen, erklärte Bürgermeister Michael Thater. „Stadt bedeutet auch Demokratie, hier sind die handelnden Personen ansprechbar.“

Demokratie lebt von Beteiligung
Festredner war Ralf Broß, der Hauptgeschäftsführer des Städtetags Baden-Württemberg und ehemalige Oberbürgermeister Rottweils, der ältesten Stadt des Landes. „Demokratie lebt von der Beteiligung, nicht vom Beifall.“ Städte zeichneten sich nicht nur durch die Einwohnerzahl, eine geschlossene Siedlungsstruktur oder die Einrichtungen für Kultur, Bildung, Sport und Soziales aus, sondern auch durch Gemeinschaft, Gestaltungskraft und Ehrenamt.

Kommunen stehen vor großen Herausforderungen
Heute stünden die Städte und Gemeinden vor Herausforderungen durch knapper werdende Ressourcen, den Klimawandel, die gebremste wirtschaftliche Entwicklung und unversöhnlicher werdende Diskurse. Die Kommunen als Orte der gelebten Demokratie bräuchten mehr Handlungsspielräume, sagte Broß und forderte: „Keine Aufgabenzuweisung durch Bund und Land ohne entsprechende Mittelzuweisung und keine Regulierungen ohne Rücksicht auf deren Umsetzbarkeit.“
Landrat Martin Kistler gratulierte im Namen des Kreises. „Wir sind froh, dass Wehr seit der Kreisreform 1973 zum Landkreis Waldshut gehört.“ Die Präsidentin des Trinationalen Eurodistrikts Basel, Marion Dammann, verwies auf die historischen Beziehungen Wehrs zu der Schweiz und Frankreich. Diese Vernetzung finde aktuell ihre Entsprechung in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.
Der ehemalige Kulturamtsleiter Reinhard Valenta moderierte die Podiumsdiskussion und konnte Ralf Broß mit der Mitteilung überraschen, dass Carl August Hipp, einer der Gründer der MBB, aus Rottweil stammte.

Die Geschichte Wehrs wurde während der Industrialisierung, aber auch in jüngster Zeit durch Immigranten geprägt. Die junge Joana Alessi hat familiäre Wurzeln in Italien, Bosnien und Ostdeutschland und erklärte: „Ich würde mich voll und ganz als Wehrerin sehen.“
Zeitzeugen und junge Menschen kommen zu Wort
Der Zeitzeuge Willi Raiber bezeichnete das Stadtfest 1950 als „Mutter aller Feste“, und Martha Eschbach, die damals als Festjungfer dabei war, berichtete, dass die Stadterhebung das Selbstbewusstsein der Wehrer gestärkt habe: „Es hät jo immer gheiße: Us Wehr kunnt nüt Gscheits her.“ Julian Fricker als Vertreter der jungen Generation möchte diesen Satz umwandeln in das neue Motto „Z‘Wehr git‘s mehr“. Er wünsche sich, dass sich Wehr auf Neuerungen einlasse.
„Die Wehratalbahn ist nicht begraben“
Marion Dammann, Landrätin des Landkreises Lörrach sieht im Sisslerfeld eine große Chance, aber auch eine Herausforderung für die Kommunen, welche Wohnraum und Infrastruktur schaffen müssten. Auf Nachfrage Valentas meinte sie: „Die Wehratalbahn ist nicht begraben, sondern nur zurückgestellt“, worauf er antwortete: „Diese Beharrlichkeit haben wir.“ Die Stadtmusik unter Leitung von Jonathan Eberstein umrahmte den Festakt.
Breites Familienangebot am Samstag
Bei sommerlichem, aber nicht zu heißem Wetter nutzten viele Familien am Samstag die Gelegenheit, über die Hauptstraße zu spazieren und die Angebote der Vereine und Organisationen nebst dem kulinarischen Angebot zu nutzen.

Die Feuerwehr stellte ein Fahrzeug vor und bot Wasserspiele, das DRK war mit einer Hüpfburg, einer Teddyambulanz und einem Einsatzfahrzeug vertreten: Kinder konnten ihren Teddy verarzten oder den Blutdruck oder Puls messen lassen.

Allerhand für Kinder
Entlang der Hauptstraße gab es Geschicklichkeitsspiele, die DLRG lud zum Bootebasteln ein, und das Familienzentrum informierte über seine Angebote. Das Jugendhaus hatte Kinder gebeten, ihre Lieblingsorte in der Stadt zu malen, und die Buchhandlung Volk bat zur Schnitzeljagd, bei der es drei Büchergutscheine zu gewinnen gab.

Sameday-Konzert am Abend als Höhepunkt
Die Tanzschule Iris Jäger wartete mit einer Minidisco auf, und das Stadtmuseum hatte aus seinem Depot besondere Exponate ans Tageslicht geholt: Die Geschenke, die Wehr vor 75 Jahren bekommen hatte, und den gewaltigen, geschnitzten Wappenstuhl des Bürgermeisters, in dem der zierliche Staatspräsident Leo Wohleb einst fast versunken war.

Den Abschluss fand das Fest am Samstagabend, als die heimische Band „Sameday“ vor großem Publikum auf dem Talschulplatz aufspielte.