Es scheint das liebste Hobby der Stadträte zu sein: ausufernde Diskussionen über den Stadtbus. Jüngster Anlass war ein Antrag der FDP/FW-Fraktion, den Vertrag mit dem Betreiber, der Verkehrsgesellschaft Bregtal (VGB), nur um ein Jahr zu verlängern und die Zeit dafür zu nutzen, offene Fragen zu klären und das System weiterzuentwickeln. „Es steht außer Frage, dass wir ein funktionierendes Stadtbus-System brauchen“, sagt Fraktionssprecher Bertolt Wagner und erläutert, warum der Vertrag zum jetzigen Zeitpunkt nicht um sieben Jahre verlängert werden sollte. Bislang liege immer noch kein vollständiger Datensatz zur Fahrgastzählung vor. Die prognostizierten Zahlen für das dritte Betriebsjahr von 325 000 Fahrgästen wären etwa zu 77 Prozent erreicht, der Samstag und das Rufbusangebot nicht mit einberechnet.

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Die größte Gruppe der Fahrgäste sei die der Abonnenten, die fast 80 Prozent betragen, bei denen es aber annähernd keine Steigerung gegeben habe. „Wenn aber in der entscheidenden Gruppe der Abonnenten bereits kein Steigerungspotenzial mehr zu erkennen ist, stellt sich die Frage, woher denn die prognostizierten 400.000 Fahrgäste ab dem vierten Betriebsjahr kommen sollen“, fragt sich Wagner.

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Schon ohne Corona und den damit verbundenen Einbrüchen sei es schwer, die prognostizierten Zahlen zu erreichen. Anstatt der prognostizierten 20 Prozent liege der Anteil der Schüler bei rund 45 Prozent. „Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass in der gesamten übrigen Donaueschinger Bevölkerung die Bereitschaft, den Stadtbus zu nutzen überproportional schwach ausgeprägt ist“, sagt Wagner.

Noch keine VGB-Abrechnung

Außerdem müsse die VGB eine Abrechnung vorlegen. Bisher habe der Gemeinderat weder die Zahlen für 2018 noch für 2019. „Ohne dieses Zahlenwerk ist eine Beurteilung des tatsächlichen Kostenaufkommens für den Betreiber nicht ersichtlich“, sagt Wagner und fügt hinzu: „Als verantwortungsvolle Kaufleute sollten wir nicht einen Vertrag um sieben Jahre verlängern, ohne zu wissen, weshalb statt der vorhergesagten Betriebskosten von 183.000 Euro jetzt plötzlich 300.000 Euro aufgerufen werden.“ Des Weiteren würden dem Gemeinderat keine Zahlen vorliegen, welche Anteile die einzelnen Verkehrsunternehmen aus den Einnahmen des Verkehrsverbundes Schwarzwald-Baar (VSB) bekommen. „Ohne eine solche Kenntnis ist es in unseren Augen nicht zu verantworten, im wahrsten Sinne des Wortes blind den Vertrag um sieben Jahre zu verlängern.“

Kaum Veränderungen im Konzept

Außer der zusätzlichen Haltestelle auf der Mühlenbrücke, die aus dem Rat heraus vorgeschlagen worden sei, habe es in den vergangenen drei Jahren keinerlei Veränderungen am Konzept gegeben – trotz der vielen Ideen aus den Reihen des Gemeinderates: „Was aber, wenn nicht wirtschaftlicher Druck, erzeugt Veränderungswillen?“

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Wenn der Betriebskostenzuschuss in Höhe von 300.000 Euro für die nächsten sieben Jahre vertraglich vereinbart werden sollte, obwohl er laut Prognose bei 183.000 Euro liegen müsste, so lässt das laut Wagner nur zwei Schlüsse zu: „Entweder war das Stadtbus-Konzept längst nicht so erfolgreich, wie es uns in den vergangenen drei Jahren wieder und wieder dargestellt wurde oder wir werden der VGB in den kommenden sieben Jahren einen deutlich überhöhten Zuschuss bezahlen, denn nach einer erfolgreichen – aber teureren – Einführungsphase hätten die Betriebskosten auf 183.000 Euro sinken sollen.“

Wagner spricht Räten aus dem Herzen

Es ist nicht neu, dass Wagner den Stadtbus analytisch auseinandernimmt, neu sind allerdings die Reaktionen: „Er hat nicht nur mir aus dem Herzen gesprochen, sondern bestimmt dem einen oder anderen Gemeinderat“, sagt Grünen-Fraktionssprecher Michael Blaurock. Wagners Redebeitrag zeige, was in letzter Zeit für kleinere Verstimmungen gesorgt habe. „Es gibt einen Gesprächs- und Handlungsbedarf und einen deutlich erhöhten Bedarf an Fakten“, sagt Blaurock und fügt hinzu: „Indem wir solche Fragen stellen, stellen wir nicht den Stadtbus infrage. Aber bei allem Herzblut muss man an den Fakten dranbleiben.“ Auch SPD-Fraktionssprecher Gottfried Vetter fordert Kostentransparenz. „Die brauchen wir auch für die Akzeptanz der Bürger.“ Der Stadtbus müsse optimiert werden und die kritischen Fragen der Stadträte und der Bürger wären durchaus berechtigt.

Weishaar sieht Verbesserungsbedarf

„Der Ball, etwas zu verändern liegt nicht beim Betreiber, sondern bei uns“, sagt GUB-Fraktionssprecherin Claudia Weishaar. Für sie sind die 77 Prozent, die mit den Prognosen erreicht werden, eine gute Nachricht – zumal Samstag und Sonntag nicht gezählt worden sind. Aber auch sie sieht Verbesserungsbedarf. Beispielsweise könne das Industriegebiet angebunden werden, um so neue Fahrgäste zu gewinnen. Und dann – Stichwort Parkraumbewirtschaftung – gebe es ja noch das Verkehrskonzept: „Das liegt seit eineinhalb Jahren brach.“

CDU-Fraktionssprecher Marcus Greiner möchte lieber betrachten, wo man herkommt: „Wir hatten früher ein Stadtbussystem, bei dem jedem klar war, dass es nichts ist und haben da auch einen Haufen Geld gezahlt.“ Aber auch er will Zahlen: „Ich bin nicht gewillt, noch lange darauf zu warten.“

Vertrag um sieben Jahre verlängert

Und der OB? Der kommt zurück zum eigentlichen Thema: „Wir werden uns nichts verbauen mit dem Vertragsschluss. Die VGB und wir wollen, dass das System im laufenden Betrieb fortentwickelt wird“, sagt Erik Pauly. Eine Vertragsverlängerung von nur einem Jahr mache die VGB nicht mit. „Faktisch hätten wir ab Dezember keinen Vertrag mehr und das Landratsamt müsste eine Notvergabe für den Schülerverkehr machen. Die Stadt müsste eine europaweite Ausschreibung machen und hätte wohl drei Jahre gar keinen Stadtbus.“ Und so spricht sich dann doch eine Ratsmehrheit für eine Vertragsverlängerung von sieben Jahren aus.