Im Jahr 1963 gründete Otto Martin mit seiner Frau Christel die Metzgerei Martin in Vöhrenbach. Heute, 61 Jahre später, wird ein weiteres Kapitel in dieser Geschichte in Donaueschingen aufgeschlagen, mit einerseits betrübendem Inhalt, aber auch gespickt mit Hoffnung und Zuversicht.
Am 29. Juni hatte die Metzgerei Martin an der Ecke Rosenstraße und Zeppelinstraße zum letzten Mal für Laufkundschaft geöffnet, so wie seit insgesamt 61 Jahren, seit 1969 in Donaueschingen. Damals hatte Otto Martin das Gebäude in Donaueschingen von seinem Lehrmeister Josef Deufel übernommen, 1973 folgte die Neueröffnung. Doch jetzt sind die Lichter hier aus.

Was ist passiert?
„Wir haben die Reißleine gezogen“, erklärt Gabriele Schulz im Gespräch. Grund waren finanzielle Schwierigkeiten, die sich über die vergangenen drei bis vier Jahre zusehends verschärft hatten.
Hohe Personalkosten, Schwierigkeiten, neue Mitarbeiter zu finden und ein verändertes Kaufverhalten der Kunden nennen Mutter und Tochter als Gründe. „Die Menschen wollen heute am liebsten alle Einkäufe an einem Ort erledigen“, sagt Gabriele Schulz.
Hinzu kamen Instandhaltungskosten. Ein Problem, gerade für kleinere Betriebe, denn auch die müssen alle Gerätschaften vorhalten und Standards erfüllen. Umso größer der Betrieb, umso geringer fallen diese Kosten ins Gewicht.
Zuletzt hatten Mutter, Tochter und Sohn Sebastian Schulz als Geschäftsführer die Metzgerei am Laufen gehalten. Der Sohn hatte 2019 die Verantwortung übernommen.
Im April 2024 wurde schließlich Insolvenz beantragt und das als GmbH geführte Unternehmen ist Geschichte. Sebastian Schulz arbeitet mittlerweile als Angestellter in einem anderen Unternehmen.
Endet die Geschichte hier?
Das endgültige Aus bedeutet diese Wendung allerdings nicht. Mutter und Tochter wollen nicht aufgeben. „Auch wenn das sicher einfacher wäre“, sagt Gabriele Schulz. Beide könnten einfach anderswo anheuern, um Stress, Belastung und Verantwortung hinter sich zu lassen.
„Wir hängen an der Metzgerei“, so Isabelle Schulz. Daher wollen sie jetzt als Duo durchstarten, mit neuer Firma, neuem Konzept und alten Rezepten, auch ihrem Urgroßvater und Großvater Otto Martin zu Ehren. Seine Kreationen sind noch immer Grundlage vieler Produkte und sollen erhalten bleiben.
Das ist geplant
Isabelle Schulz als Inhaberin und Mutter Gabriele als Angestellte bereiten derzeit alles für einen Neustart vor, „während der Betriebsferien“, wie sie die Zeit zwischen Schließung und Neustart am 24. Juli nennen.
Das neue Konzept soll auf mehreren Bereichen fußen. Ein Standbein bleibt die Metzgerei. „Aber ohne Ladengeschäft“, so Gabriele Schulz. Es werden nur noch telefonische Bestellungen zur Abholung entgegengenommen. Das Sortiment wird reduziert, mit Fokus auf hauseigene Spezialitäten.
Cateringservice bleibt wichtig
Standbein Nummer zwei ist und bleibt der Catering- und Partyservice. „In gewohntem Umfang und Qualität“, so lautet das Versprechen auf einem Flyer, der in den Tagen vor der Schließung bereits an die Kunden verteilt wurde.
Leckereien auf Rädern
Ein dritter Bereich – der wohl wichtigste – soll das mobile Angebot sein. Mit einem Verkaufswagen wird Isabelle Schulz Wochenmärkte in Villingen und Geisingen besuchen.
Außerdem sind Stationen bei der Linde in Marbach (mittwochs), in Gailingen (donnerstags) und in Fürstenberg bei der Firma Erhart (freitags) geplant, immer nachmittags.
Ein Mittagsangebot gibt es immer dienstags und donnerstags ab 11 Uhr bei der Firma Gliese Bau im Donaueschinger Industriegebiet. Neben Wurstwaren sind dann selbstkreierte Mittagessen, Baguettes oder Salate mit an Bord.
Donnerstags ist Burger-Tag. Selbst gemachte Spezialitäten von Gabriele Schulz, wie zum Beispiel Mautaschen, Gulasch, Soßen oder Brühe, sollen sich saisonal abwechselnd auch im Angebot der Metzgerei wiederfinden.
Fleischerhandwerk landesweit unter Druck
Schwierigkeiten für kleine Metzgereien werden beim Deutschen Fleischer-Verband sichtbar. Dort wird von einem beschleunigten Betriebsschwund berichtet.
In Baden-Württemberg ging die Zahl der selbstständigen Unternehmen laut Bericht im Jahrbuch um knapp 100 im Vergleich zum Vorjahr zurück. Es sei zudem zu beobachten, dass verbliebene Betriebe größer werden.
Als Gründe werden Probleme bei der Nachfolgersuche und der Mitarbeitergewinnung aufgeführt. Steigende Kosten durch Corona, Krisen und Inflation sind weitere Punkte, die das Kaufverhalten verändert hätten. Es werde mehr auf günstige Preise geachtet.
Ein positiver Blick in die Zukunft
Negativ blickt Joachim Lederer allerdings keineswegs in die Zukunft. Er ist Landesinnungsmeister beim Landesinnungsverband für das Fleischerhandwerk in Baden-Württemberg. Er selbst betreibt eine Metzgerei in Weil am Rhein: „Eine Metzgerei mit genügend Mitarbeitern geht sehr gut“, erklärt er.
Die Auftragslage sei so gut wie nie. „Wir haben mit drei Mitarbeitern angefangen, jetzt haben wir 40“, sagt Lederer. Wenn die Mitarbeiter fehlen und die Öffnungszeiten angepasst werden müssen, das sei „ein Tod auf Raten.“ Man müsse am Markt Präsenz zeigen.
„Der Kunde will eine super Qualität und die Öffnungszeiten müssen passen. Wir haben etwa von 6 bis 18 Uhr geöffnet. Das erwartet der Kunde“, sagt Lederer. Daher gehe der Trend zu größeren Metzgereien, für kleinere sei es schwierig.
Azubis kommen aus allen Ländern
Der Fachkräftemangel sei indes schon seit 20 Jahren Thema: „Man muss andere und neue Wege gehen, um zu wachsen“, so der Landesinnungsmeister. Er sei nach Italien und Spanien gegangen, um Lehrlinge zu finden, habe später Flüchtlinge eingestellt.
Aktuell habe der Verband ein Projekt mit Indien, bei dem 70 junge Inder als Azubis nach Baden-Württemberg kommen: „Die Betriebe können sich bewerben. Die Azubis kommen dann hierher und fangen eine Lehre an.“ In Indien habe man einen Partner an der Seite, der das unterstütze, meint Lederer: „Unternehmer sein heißt auch, selbst tätig zu werden.“