Nicht jeder versteht es, seinem Gegenüber die Wahrheit liebenswert und humorvoll ins Gesicht zu sagen. Wenn dann aber der Adressat auf das Gesagte mit einem Lächeln reagiert, obwohl der Sprücheklopfer völlig anonym geblieben ist, befinden wir uns in der Fastnachtszeit. Strählen heißt die Hauptaufgabe des Narren, wenn er durch sein Städtle flaniert.
Auf dem Weg zum Straßen-Entertainer
Andere sprechen aber auch einer hohen Kunst, durch die Maske oder Scheme ganz persönliche Begebenheiten oder kleine Missgeschicke in Erinnerung zu bringen. Aber wie verwandelt sich der schweigsame Narro der Straßenfasnet zu einem inspirierten Entertainer, der am Straßenrand einen Besucher nach dem anderen in seinen Bann zieht?
Doch Strählen will gelernt sein. Deshalb haben Oberhansel Michael Schlatter und Obergretel Ljerka Dörle zwei Narros aus Villingen in die Zunftstube geladen. Bei einem keineswegs bierersten Strählseminar zeigten Frank Haas, der schon seit vielen Jahren als Narro ins Häs geht, und der Vize-Zunftmeister Alexander Brüderle, worauf es beim Strählen ankommt.
Auch die Villinger mussten es lernen
Die erste Botschaft stimmt zuversichtlich. Denn Strählen kann man lernen. Und Strählen ist auch einem Villinger Narro nicht in die Wiege gelegt. Vor bald 35 Jahren riefen damals zwei Fasnetlegenden den ersten Strählkurs ins Leben. Der anfangs belächelte Kurs entwickelte sich über die Jahre zu einer festen Institution in der Vorfasnetszeit.
Funktioniert das Strählen, dann ist es ein fein abgestimmtes Schauspiel in Worten und Gesten, in dem der Narro stets alle Zügel in der Hand hält. Und das funktioniert nur mit Vorbereitung.

Denn der Narr, der seine Maske vors Gesicht hält und deshalb an der Stimme nicht erkannt werden kann, muss auch etwas Unterhaltsames zu sagen haben. Die beiden Villinger Strählexperten sammeln in ihrem Strählbuch das gesamte Jahr über Geschichte, Anekdoten, Presseberichte über bekannte Personen. Sie haben aber auch Klassiker für Männer, Frauen, Lehrer oder einfach Frisuren im Repertoire.
Die Experten verstehen es natürlich auch, ihr Strählen auch bei Fremden oder ausländischem Publikum anzubringen. Wichtig seien immer ein Anfang und ein Ende des kurzen Dialogs, wobei der Strähler immer das letzte Wort und damit Recht habe. Für Frank Hass gibt es da keine Richtlinien, schon aber Tabus, die eingehalten werden müssen.
In einem Punkt sind die Villinger Narros beim Strählen aber unterreicht. Während nämlich die Donaueschinger Hansel nur eine Maske haben, sieht dies in Villingen bei den Narros schon anders aus. Jede Maske verkörpert einen anderen Charakter, was sich in der Stimmhöhe und auch der Art des Inhalts widerspiegelt.
„In Villingen strählen wir zwei Tage. Während am ersten Tag noch die freundliche Scheme des Narro mit der eher hohen Stimme benutzt wird, ist am zweiten Tag der „Surhebel“ mit der tieferen Stimme an der Reihe. Allerdings verhehlten die beiden Experten nicht, dass das Strählen schwieriger geworden sei. Vor allem der Störfaktor Musikbeschallung sei hier zu nennen, die so laut sei, dass man kaum etwas verstehe.

Ebenso werde man sich am Strählort niemals die Maske vom Gesicht ziehen, ergänzte Alexander Brüderle. Denn beim Narro stehe die Eitelkeit ganz oben an, was sich auch im Schauspiel des Strählens zeige. „Wir sind echt Klugscheißer“, meint Haas. Übrigens welche mit Kondition. „Ein Narro muss körperlich und geistig fit sein. Dies bedeutet ein, zwei Schorle, dann ist aber Schluss und Sitzenbleiben geht natürlich auch nicht, dies macht lahm“, so Frank Haas.
Die Seminarteilnehmer aus Donaueschingen und Bad Dürrheim zeigten sich beeindruckt. „Gerade jetzt, da die Donauhalle nach dem Umzug am Sonntag geschlossen ist, sollten wir das Strählen ausprobieren“, animierte Oberhansel Michael Schlatter. Die beiden Villinger bekräftigten seine Auffassung. „Jeder kann strählen – jeder kann gestrählt werden“, nannte Alexander Brüderle den weiten Rahmen, in dem das Herz der Fasnet schlagen darf.