Peter Stelzl beschreibt die akustische Veränderung: „Normalerweise dringt Musik aus allen geöffneten Fenstern. Jetzt ist das Haus still.“ Das Haus ist die Kunst- und Musikschule www.kms-ds.de an der Stadtkirche, Stelzl ist stellvertretender Leiter der Musikschule; einer Einrichtung, die ihr Angebot derzeit unter Corona-Bedingungen ausspielt. „Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen“, sagt Musikschulleiter Clemens Berger, räumt aber ein, dass die Pandemie-Situation Lehrer wie Schüler gleichermaßen auslauge. Jeder sehne sich nach dem Normalbetrieb, ergänzt auch Kai Armbruster, in der Musikschule für die elementare Musikpädagogik zuständig.
Einzelunterricht hinter Plexiglaswänden
Doch der Normalbetrieb ist seit über einem Jahr vorbei. Kein Gruppenunterricht, keine Vorspiele, keine Konzerte. Stattdessen blicken Lehrer und Schüler auf ziemlich genau ein Jahr Online-Unterricht zurück: mit Entwicklungen und Erfahrungszuwachs. Auch wenn sich ab Frühsommer 2020 erste Lockerungen für Streich-, Tasten- und Blasinstrumente ergaben, und im zweiten Halbjahr Einzelunterricht hinter Plexiglaswänden möglich wurde, blieb der Online-Unterricht das prägende Unterrichtselement; als Möglichkeit, Schüler in ihrer Entwicklung weiter zu begleiten und das Gemeinschaftsgefühl bestmöglich zu erhalten.
So wurde der Fernunterricht binnen einer Woche aufgegleist. Länger, so erinnert sich Berger, habe es gebraucht, bis allen Beteiligten klar war, dass es sich in der Folge keineswegs um eine kurze Pause des Präsenzunterrichts handelt. Es schlug die Stunde der Tüftler. Denn mögen Online-Konferenzen im Geschäftsbereich in leidlicher Tonqualität annehmbar sein, braucht es im Musikunterricht eine Klangqualität, die der Wirklichkeit möglichst nahe kommen sollte. Zudem benötigen Gesang und Musik etwa ganz andere Grundkomponenten. Die Lehrkräfte modulierten deshalb mit Mikrofonen, Software oder Toneinstellungen an ihren Rechnern und gaben ihren Gegenübern Hilfestellungen, damit mitunter selbst aus dem Smartphone brauchbares Unterrichtsmaterial tönte.

Dem Fernunterricht mussten die Eltern explizit zustimmen. Zuvor war diese Form des Unterrichts in der Satzung der Musikschule nicht vorgesehen. Für den Fernunterricht wird der normale Gebührensatz fällig. Damit hilft der Fernunterricht der Musikschule, das Corona-Defizit zu mindern. Es blieben aber Einnahmenverluste aus Kooperationen und Gruppenunterricht. Der Fernunterricht hilft aber auch den Lehrkräften. 45 Männer und Frauen unterrichten am Standort Donaueschingen und den Außenstellen Hüfingen und Bräunlingen, 29 von ihnen sind freiberufliche Honorarkräfte. „Gerade wenn sie im Rock- und Popbereich tätig sind, haben sie Einbußen“, sagt der Schulleiter. Da könne der Fernunterricht helfen.
Lernfortschritte seien auch im Onlineunterricht zu erzielen, sagt Peter Stelzl. Insbesondere dann, wenn Kinder strukturiert lernen und die Kinder hinterher sind. Wie in der „richtigen“ Schule eben auch. Schwierig werde es, auch hier die Parallele, wenn es daheim beengt, laut und mit nur ein, zwei internetfähigen Geräten in der ganzen Familie zugeht.
Das wirkt langfristig. Nach Kai Armbrusters Beobachtung seien viele Familien inzwischen des Online-Unterrichts müde: egal ob Schule oder Musikschule. Instrumenten- oder Gesangsunterricht werde vereinzelt ausgesetzt. Laut Peter Stelzls Einschätzung habe, seit Kinder und Jugendliche verstärkt mit Laptop oder Smartphone beschäftigt sind, die Konzentrationsfähigkeit abgenommen. Lerndefizite und Motivationsansatz, so ist er sich gleichwohl sicher, würden nach der Pandemie aufgeholt.
Mittels Unterricht die eigenen Fertigkeiten auszubauen, ist dabei nur eine Seite des Musizierens. Zur anderen Seite gehören Zielsetzung, Aufregung, gemeinsames Erleben und gemeinsames Gelingen; ein Konzert mit Publikum oder ein Vorspiel im internen Musikschulkreis. Um den Spannungsbogen, die Mischung aus Kribbeln und Übungsfleiß zu halten, setzt die Musikschul-Leitung auf eine pandemiebedingte Variante des traditionellen Schuljahresabschlusskonzerts im Strawinsky Saal der Donauhallen.
Fast wie ein echtes Konzert
In der Umsetzung stützt man sich dabei auf die Ende 2020 entstandene Videoproduktion, die als Konzertersatz rund 40 Minuten Klangbilder von Klavier- und Akkordeonkompositionen enthielt. In ähnlichem Stil werden wieder Schülerbeiträge aufgenommen. Doch die Konstellation im Konzertsaal mit Aufnahmeteam und einzelnen Zuhörern verschaffe den jungen Musikern einen Rahmen, der dem echten Konzert ein Stück entgegen komme. Und weil man heute noch nicht erahnen könne, wie die Abstands- und Hygieneregeln zum Schuljahrsende aussehen werden, passe die Vorbereitung für einen Solovortrag für die Konserve ebenso wie vor Publikum. Für Musikschüler, die noch nicht bereit sind für Publikum, bieten die Lehrkräfte ein klasseninternes Vorspiel an, das ebenfalls aufgenommen wird. Die kleine Bühne eben.