Der Begriff „Fußballverrückt“ ist so eine Floskel, für deren Verwendung bei einer weithin bekannten Sonntagmorgen-Fernsehsendung nicht selten in ein Phrasenschwein eingezahlt werden muss. Auf Christian Keller trifft diese Bezeichnung aber voll und ganz zu. Längst hat der gebürtige Donaueschinger, der als Geschäftsführer seit über sieben Jahren die Geschicke des Fußball-Zweitligisten Jahn Regensburg leitet, seine Leidenschaft zum Beruf gemacht.

Erstwohnsitz in Gutmadingen

Und dennoch wird der 41-Jährige für immer ein Kind der Region bleiben. Das mag unter anderem daran liegen, weil er seinen Erstwohnsitz nach wie vor in Gutmadingen hat. „Der Schwarzwald-Baar-Kreis bleibt immer ein Bezugspunkt für mich. Dort war ich und bin ich gern, und dort leben meine Familie und nach wie vor auch gute Freunde. Wenn es die Zeit zulässt, bin ich gern zuhause, aber leider ist das zu selten der Fall.“

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Schwarzwald und Baar bedeuten für Keller Heimat. Dort könne er sich für einen kurzen Moment aus dem „doch recht hektischen Fußballgeschäft zurückziehen und abschalten“. Ab und an gerät er im Heimaturlaub aber auch in eine Zwickmühle – so wie am zweiten Oktober-Wochenende, als er während der Länderspielpause in der Gegend war: „Mein Bruder trainiert den SC 04 Tuttlingen in der Landesliga. Am Samstag habe ich dort zugeschaut. Natürlich bin ich bei sonstigen Heimataufenthalten, wann immer möglich, auch bei meinem Heimatverein FC Gutmadingen auf dem Sportplatz. Aber dieses Mal ging das leider nicht, weil beide Vereine gleichzeitig gespielt haben.“ Blöd gelaufen, denn aufteilen kann sich auch der bodenständige Fußballfunktionär nicht.

Seinen Erstwohnsitz hat Christian Keller nach wie vor in Gutmadingen. Schwarzwald und Baar bedeuten Heimat für den 41-Jährigen.
Seinen Erstwohnsitz hat Christian Keller nach wie vor in Gutmadingen. Schwarzwald und Baar bedeuten Heimat für den 41-Jährigen. | Bild: SSV Jahn

Fünf Fragen an einen Geschäftsführer im Profifußball

Spagat zwischen Profifußball und Hobbykick

Christian Keller führt ein Leben zwischen dem knallharten Geschäft im Profifußball und der nie abgerissenen Liebe zum Feierabendkick. „Ich schaue jedes Wochenende – nachdem ich alle Profiligen durchgegangen bin, was zu meinem Job gehört – wie der FC Gutmadingen, der SC 04 Tuttlingen und natürlich auch der FC 08 Villingen als Flaggschiff des Schwarzwald-Baar-Kreises gespielt haben“, erzählt er. Da könne man ihn auch genau fragen, wie welches Spiel ausgegangen ist und wer die Tore geschossen hat – „das bekomme ich dann immer hin“.

„Ich schaue jedes Wochenende, wie der FC Gutmadingen, der SC 04 Tuttlingen und der FC 08 Villingen gespielt haben.“
Christian Keller, Funktionär im Profifußball

Ob ihm gelegentlich talentierte Fußballer aus der Region empfohlen werden? „Im Schwarzwald-Baar-Kreis ist aktuell sicherlich kein Spieler unterwegs, der für einen Zweitligisten interessant ist. Villingen spielt in der sehr guten Oberliga, aber zum Profigeschäft ist das noch mal ein Riesenschritt“, schildert Keller. „Unser Scouting beim SSV Jahn startet ab den Regionalligen. Hier sind wir dann aber sehr umfangreich und im Detail unterwegs.“ Und dennoch: „In der Oberliga schauen wir uns nur selten um. Vergangene Spielzeit gab es aber beispielsweise den mehrfachen Hinweis, einen Spieler des FC 08 Villingen zu scouten. Ich habe diesen Spieler dann auch tatsächlich beobachten lassen. Im Ergebnis war er von Zweitliganiveau aber noch ein gutes Stück entfernt“, verrät Christian Keller.

Eine Liebe von klein auf

Bei so viel Verbundenheit zum Sport ist es quasi selbstredend, dass der heutige Geschäftsführer auch selbst gegen den Ball getreten hat. „Ich würde sagen, dass ich ein durchschnittlich begabter Spieler war, der vieles über Fleiß und Wille gemacht hat“, erzählt Keller rückblickend. „In der Oberliga hätte ich spielen können, aber für mehr hätte es sicherlich nicht gereicht.“ Mit gerade einmal 18 Jahren musste er seine Laufbahn schließlich wegen einer schweren Knieverletzung beenden – ein Schock: „Das hat mir damals natürlich wehgetan, weil Fußball das war, was ich geliebt habe. Da war es schade, so früh nicht mehr selbst spielen zu können.“

Selbstmitleid war jedoch keine Option, im Gegenteil: Keller münzte Tränen in Motivation um und absolvierte „sehr schnell sämtliche Trainerscheine bis zur A-Lizenz“, der zweithöchsten Lizenzstufe im Deutschen Fußball-Bund. Anstatt zu spielen, war Keller fortan bereits in jungen Jahren als Coach aktiv. „Als Trainer sieht man das Spiel aus einer ganz anderen Perspektive, man hat das große Ganze im Blick“, sagt er. Von dieser Erfahrung habe er profitieren können. Und gleichzeitig finanzierte er sich mit der Trainertätigkeit im Amateurbereich zwei Studiengänge sowie eine Promotion: „Man kann sich damit ein ganz ordentliches Taschengeld verdienen, das hat mir geholfen.“

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Vom Chaosclub zum etablierten Zweitligisten

Das Ende der eigenen Laufbahn liegt mittlerweile weit zurück. Längst ist Regensburg ein fester Bestandteil im Leben von Christian Keller geworden. Beim SSV Jahn erlebte er in den vergangenen Jahren so einiges: „Wir kommen aus dem Nirgendwo. Ich habe mich trotzdem ganz bewusst für diese Herausforderung entschieden.“ Denn der Funktionär sei niemand, der sich gern ins gemachte Nest setzt. Vielmehr mache er jene Dinge lieber, die noch stark entwicklungs- und ausbaufähig sind. „Noch vor wenigen Jahren war der SSV Jahn ein Chaosclub mit großen wirtschaftlichen Problemen. Sportlich herrschte ebenfalls größtenteils Tristesse. Der SSV Jahn hatte fast keine gesellschaftliche Verankerung mehr. Vertrauen und Glaubwürdigkeit in den Club waren verloren gegangen“, schildert Keller.

Mersad Selimbegovic ist aktuell Trainer des SSV Jahn Regensburg in der Zweiten Bundesliga.
Mersad Selimbegovic ist aktuell Trainer des SSV Jahn Regensburg in der Zweiten Bundesliga. | Bild: dpa

Nun spielt der Verein seit der Saison 2017/18 durchgehend in der Zweiten Bundesliga; brachte außerdem Trainer wie Markus Weinzierl, Heiko Herrlich und Achim Beierlorzer hervor. Keller: „Regensburg war keine grüne Wiese, um darauf etwas aufzubauen. Sondern eher eine braune Wiese oder ein Acker. Heute sind wir ein solide aufgestelltes, mittelständisches Fußballunternehmen, das wirtschaftlich kerngesund ist.“ Die Stadt in Bayern sei – wenn man alles richtig macht – ein Zweitligastandort. Für Erstligaambitionen reiche das Standortpotenzial – zumindest, wenn kein Wunder geschehe – aber nicht aus. „Wir erleben momentan die erfolgreichste Phase in der Clubgeschichte. Diese mitgestalten zu dürfen, macht Freude und stellt ein hohes Maß an Bindung zu Regensburg her“, sagt Christian Keller.

Es ist nicht einfach nur ein Job, dem der gebürtige Donaueschinger in Regensburg nachgeht. Es geht um Leidenschaft, Erfüllung und Freude. Mit seiner realistisch ausgerichteten Vereinsführung tut Keller dem SSV Jahn gut. Mindestens eine Gemeinsamkeit haben Regensburg und Eschingen darüber hinaus übrigens: die Lage an der Donau.