Die Corona-Krise hält die Welt in Atem. Noch ist auch nicht absehbar, wie die genauen Folgen schließlich aussehen werden, sollte sie einmal vorbei sein. Klar ist, dass sich vieles verändern und nicht mehr wie bisher weitergehen wird.
Experten rechnen dabei mit Einbußen für die Wirtschaft, sehen eine Rezension kommen. Aber was machen die derzeitigen Lebensumstände eigentlich mit der Psyche der Menschen und wie sieht es dort aus, wo sich Fachleute um Menschen mit psychischen Erkrankungen kümmern?
Patientenzahl liegt bei 60 bis 70 Prozent der üblichen Kapazität
„Die Patientenzahlen sind derzeit rückläufig“, erklärt Matthias Holzapfel. Er ist leitender Psychologe des Mediclin Zentrums für Psychische Gesundheit in Donaueschingen. Nahe dem Klinikum gelegen, werden dort etwa Menschen behandelt, die mit Depressionen zu kämpfen haben, unter Angst- und Zwangsstörungen leiden, Psychosen haben oder psychische Störungen mit einem psychotraumatischen Hintergrund. Therapien und Behandlungen, die nicht verschoben werden können, würden derzeit anders terminiert, so Holzapfel. Man sei derzeit auf 60 bis 70 Prozent der üblichen Kapazität.
Wie aber kann eine Therapie überhaupt ablaufen, wenn etwa auf Abstandsregeln zu achten ist? In Donaueschingen gibt es etwa eine Therapieform, bei der mit Lamas zusammen gearbeitet wird. Patienten gehen mit den Tieren und Klinikpersonal auf eine kleine Wanderung. Gelernt wird etwa der soziale Kontakt. Tatsächlich ist das immer noch möglich: „Wir gehen allerdings mit kleineren Patientengruppen raus“, sagt Holzapfel. Dabei müsse dann auch der Abstand eingehalten werden. „Der Tross zieht sich dann eben über rund 25 Meter. Mit den Lamas geht das allerdings sehr gut.“ Tatsächlich werde man aber auch von Passanten angesprochen: „Die wundern sich natürlich, wenn sie solch eine Gruppe von Menschen sehen.“
„Das Risiko, dass alles stillsteht, ist viel zu groß. Anderen Kliniken sei es bereits so ergangen.“Matthias Holzapfel
Auch andere Gruppentherapien finden statt, allerdings ebenfalls mit verkleinerten Gruppen und immer angepasst an die jeweilige Raumgröße. Die Einhaltung der Vorgaben sei indes immens wichtig. „Das Risiko, dass alles stillsteht, ist viel zu groß. Anderen Kliniken sei es bereits so ergangen“, erklärt Holzapfel. Als zu Beginn der Ausbreitung des Coronavirus die Maßnahmen entsprechend eingeführt wurden, seien einige Patienten irritiert gewesen: „Einige waren verängstigt und wir mussten diesbezüglich manche auch aufklären. Vorsicht ist wichtig, aber auch, nicht in Panik zu verfallen“, sagt der leitende Psychologe.

Welche Auswirkungen die äußere Krise etwa auf depressive Menschen habe, das lasse sich nicht generell beantworten: „Was man allerdings schon sehen muss: Viele Gemeinschaftsaktionen sind gut und können nun in diesem Maße eben nicht mehr stattfinden. Das birgt dann eine gewisse Gefahr.“ Gerade soziale Kontakte seien wichtig. Die Einschränkungen sorgen dabei aber für große Hürden. „Wir empfehlen da eigentlich das Gegenteil.“ Eine ältere Patientin habe etwa zum Einkaufen gehen wollen. „Eigentlich ist das ein großer Erfolg. Ich musste ihr dann aber raten, besser darauf zu verzichten“, erklärt Holzapfel. „Es sind momentan eben andere Zeiten.“
Patientin näht über 400 Masken
Es gebe aber auch das komplette Gegenteil. In der Krise blühen Leute auf. „Wir haben eine Patientin, der es dadurch besser geht. Sie hat damit begonnen, für ihr Umfeld Masken zu nähen. Sie hat schon über 400 hergestellt und ihre Stimmung ist wesentlich besser als sonst.“
„Ich könnte mir vorstellen, dass etwa durch soziale Notlagen viele Probleme entstehen können.“Matthias Holzapfel
Die große Bandbreite der Reaktionen lasse daher auch keine pauschalen Antworten zu: „Es gibt jetzt viele Psychologen, die in Fernsehsendungen vor die Kameras treten und Hypothesen äußern. Die Beschäftigung damit ist wichtig, aber verallgemeinern geht nicht.“ Man werde die exakten Folgen erst viel später feststellen können und dann sehen, was es mit den Menschen mache: „Ich könnte mir vorstellen, dass etwa durch soziale Notlagen viele Probleme entstehen können.“
Die Krise fördern viel Vergrabenes oder Verdrängtes wieder zutage
Genauso könnte es Impulse geben, die positiv wirken: „Dass etwa die Gemeinschaft wieder stärker geschätzt wird und Solidarität einen höheren Stellenwert bekommt.“ Die Krise fördere viel Vergrabenes oder Verdrängtes wieder zutage.
Wie kann man sich schützen?
Home Office, geschlossene Kindertagesstätten und Spielplätze, wenig Abwechslung – was für die Psyche in Zeiten der Corona-Krise wichtig sein kann. Ein paar Tipps.
- Struktur: „Eine persönliche Struktur für den Tag zu haben ist wichtig. Und Struktur bedeutet ja nicht Gleichförmigkeit“, erklärt Matthias Holzapfel, leitender Psychologe des Mediclin Zentrums für Psychische Gesundheit. Routine sei gut, Abwechslung aber auch. Man dürfe sich jedoch nicht mit vielen Kleinigkeiten verzetteln
- Ausflug: „So gut es eben geht sollte man Ausflüge unternehmen und raus ins Grüne gehen. Sich bewegen und für so viel Input wie möglich sorgen“, so Holzapfel. Wald, Natur und Bewegung seien wichtige Komponenten, um auch psychisch gesund zu bleiben.
- Soziale Kontakte: Die sind nicht in der üblichen Form möglich, können jedoch auch anders gewahrt werden: „Man muss sich hier behelfsmäßig helfen, etwa über Videotelefonie per Skype.“
- Einstellung: „Wir müssen auf das achten, was uns erlaubt ist und uns darüber glücklich schätzen“, so Holzapfel. In anderen Ländern seien die Möglichkeiten nach draußen zu gehen nicht so differenziert wie in Deutschland. „Umso wichtiger ist es, das zu nutzen und spazieren zu gehen. Man sollte die Situation nicht schönreden, aber auf das sehen, was man machen darf.“