Vier Fraktionen, vier Meinungen? Das kann man im Falle von Greensill und den drei Millionen Euro, die die Stadt Hüfingen Anfang Januar bei der mittlerweile insolventen Bank angelegt hat, nicht sagen. Doch deutlich haben sich in diesem Falle die Trennlinien im Hüfinger Gemeinderat verschoben. Während zu Beginn der Legislaturperiode die neue BFSO/Grünen-Fraktion mit ihrer Meinung oft allein und auch das ein- oder andere Mal ordentlich Gegenwind bekommen hat, war nun deutlich zu beobachten: Im Falle Greensill ist vieles anders. Deutliche Kritik muss Bürgermeister Michael Kollmeier gleich von drei Fraktion einstecken: SPD, FDP/FW und BFSO/Grüne beziehen deutlich Stellung, während die CDU wesentlich moderater unterwegs ist.

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Das sagt CDU-Fraktionssprecher Christof Faller:

„Keiner in der Festhalle hätte sich wohl träumen lassen, dass wir einmal so einen Punkt auf der Tagesordnung haben. So eine Situation kennt man eigentlich nur aus dem Fernsehen“, sagt der CDU-Fraktionssprecher. Der Anwalt Andreas Lang, der Hüfingen in dieser Angelegenheit vertritt und auch die Vorgänge im Rathaus selbst aufarbeitet, habe nun „ein kleines bisschen Licht in den Dschungel“ gebracht. „Wir wollen nun nicht den Stab brechen, aber auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagt Christof Faller. Die Stadt lege oft Geld an und es könne auch ein Fehler passieren. „Aber ein Fehler, der so gravierende Auswirkungen hat, darf nicht passieren.“

Christof Faller
Christof Faller | Bild: V.Schmider

Das Umfeld auf den Finanzmärkten sei schwieriger geworden und deshalb sei eine größere Sorgfaltspflicht wichtig. „Wir haben ein Vier-Augen-Prinzip festgelegt, das in diesem Fall jedoch versagt hat“, so Faller und fügt hinzu: „Was wir aber erwartet hätten, wäre ein klein wenig Demut.“ Damit spielt der CDU-Fraktionssprecher auf den Bürgermeister an, der zwar wiederholt von Demut gesprochen hatte, wohl aber nicht genüg gezeigt hatte. Kritik gibt es auch dafür, dass in den Sitzungsunterlagen unter dem Punkt „Was lief schief?“ erst an letzter Stelle die Vorgänge im Hüfinger Rathaus aufgeführt und zuvor die Bundesanstalt für Finanzaufsicht und die Wirtschaftsprüfer aufgelistet worden waren. „Wir können alles unterschreiben. Aber der Fehler, der uns das Geld gekostet hat, ist in Hüfingen passiert.“ Allerdings: „Wenn das Geld früher angelegt worden wäre, säßen wir nun auch hier.“

„Ich glaube nicht, dass in irgendeiner anderen Kommune, die Geld bei der Greensill-Bank angelegt hat, so über die Verwaltung und Gemeinderäte hergezogen wurde.“
Christof Faller, CDU-Fraktionssprecher

Gegen Kritik, dass die Stadt zu viel gespart habe und lieber investieren solle, wehrt sich Faller. „Hüfingen kann seit 50 Jahre auf solide Finanzen verweisen. Nur durch gutes Wirtschaften kann sich die Stadt seit Jahrzehnten eine gute Infrastruktur leisten.“ In den nächsten Jahren sei sehr viel geplant und die Finanzreserven würden ordentlich zusammenschmelzen. „Befremdlich“ sind für Faller allerdings die Spekulationen, wie lange sich der Bürgermeister noch halten werde. „Ich glaube nicht, dass in irgendeiner anderen Kommune, die Geld bei der Greensill-Bank angelegt hat, so über die Verwaltung und Gemeinderäte hergezogen wurde.“

Das sagt die SPD-Fraktionssprecherin Kerstin Skodell

Deutliche Kritik gibt es von Kerstin Skodell und das nicht nur im Bezug darauf, dass Hüfingen einer der „allerletzten“ Kommunen gewesen sei, die Festgeld bei der Greensill Bank angelegt habe – zu einem Zeitpunkt, wo jeder Laie schon im Internet über die Schieflage der Greensill Bank recherchieren“ habe können. „Wenn wir uns die Verzinsung der beiden Geldanlagen ansehen, stellt sich die Frage, was die Verantwortlichen dabei gedacht haben, drei Millionen Euro für null bis 0,05 Prozent Zins, überstürzt und ohne professionelle Recherche, in eine unsichere Bank anzulegen, um einen Kleckerbetrag von Strafzinsen zu sparen“, fragt sich die SPD-Fraktionssprecherin. Die Strafzinsen hätten die wenigen Tage um die Jahreswende nicht einmal 500 Euro ausgemacht. „Es wäre Zeit genug gewesen sich in Ruhe mit dieser Anlagesituation auseinanderzusetzen“, so Skodell. Nun würden externe Berater neben der Verwaltung sitzen. Da frage man sich schon, warum man auf diese nicht schon beim Anlegen einer solch hohen Summe zurückgegriffen habe.

Kerstin Skodell
Kerstin Skodell | Bild: Roland Sigwart

Die Zinssituation stelle die Stadt vor Herausforderungen, das entschuldige aber nicht überstürzte und unüberlegte Anlagengeschäfte. Kollmeier rühme sich mit Zinserträgen von 11,6 Millionen Euro, die die Stadt seit 2000 erwirtschaftet habe, aber nur ein Minimum davon wären in der Zeit entstanden, in der Kollmeier Bürgermeister ist. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es nie, die habe es auch noch nie gegeben. „Es gab aber Bürgermeister, die sich mit diesen Anlagegeschäften intensiv beschäftigt haben oder dann aber externe Berater hinzugezogen haben.“ Unter dem Strich steht für Skodell: Das Vorgehen habe nicht den Richtlinien entsprochen.

„Sie haben den Gemeinderat hinters Licht geführt. Das ist unglaublich und fördert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in keiner Weise.“
Kerstin Skodell, SPD-Fraktionssprecherin

Von einem „riesigen Vertrauensbruch“ spricht die SPD-Fraktionssprecherin im Bezug auf die Auflistung, wo die Stadt ihr Geld angelegt habe. Auf dieser Liste, die die SPD-Fraktion im Januar beantragt habe und die nach „erneutem Anmahnen“ dann Anfang März den Stadträten zur Verfügung gestellt wurde, stünde die Greensill-Bank nicht. „Sie haben den Gemeinderat hinters Licht geführt. Das ist unglaublich und fördert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in keiner Weise“, sagt Skodell, die auch das weitere Vorgehen kritisiert. Andere Kommunen hätten deutlich früher Kommuniziert und erst jetzt höre man zum ersten Mal, dass der Bürgermeister auch die Verantwortung übernehme. „Einen Schuldigen zu suchen und dann erst an die Öffentlichkeit gehen ist nicht die feine Art. Von einem Bürgermeister, der Chef der Verwaltung ist, erwarten wir hier etwas anderes“, sagt Skodell und fügt hinzu: „Der Chef trägt immer die Verantwortung.“

„Eines ist allerdings klar, einen untergeordneten Angestellten an den Pranger zu stellen, da machen wir nicht mit.“
Kerstin Skodell

Die drei Millionen würden die Stadt schmerzen. „Wir müssen und wollen alle eine Lösung finden, wie wir in Zukunft so eine Misere möglichst vermeiden können“, so Skodell. Dabei sei klar, der Gemeinderat gebe nur die Richtlinien vor und werde nicht in die innere Organisationshoheit der Verwaltung eingreifen. „Hinweise wer innerhalb der Verwaltung was zu machen hat, obliegt dem Bürgermeister als Chef der Verwaltung und nicht dem Gemeinderat.“ Die Verantwortung liege laut Richtlinie von 2018 und Gemeindeordnung mindestens beim Kämmerer. Abgesehen davon könne und dürfe sich ein Bürgermeister in der Größenordnung von Hüfingen auch in der Sache hier nicht der Verantwortung entziehen. „Lasst uns nach vorne schauen Lösungen finden und das Geschehene transparent und gerecht aufarbeiten. Eines ist allerdings klar, einen untergeordneten Angestellten an den Pranger zu stellen, da machen wir nicht mit.“

Das sagt FDP/FW-Fraktionssprecher Adolf Baumann:

„Wir sind alle seit dem Bekanntwerde mit einer nie da gewesene Situation konfrontiert“, sagt Adolf Baumann. Der Verlust von drei Millionen Euro werde das Denken und Handeln der Stadträte im Bezug auf den Haushalt maßgeblich verändern und der „Totalverlust“ errege die Gemüter in der Stadt. Gemeinderäte würden sogar anonyme Anrufe erhalten, in denen sie gefragt würden, ob sie noch ganz bei Trost wären. Für alle, denen die Dimensionen nicht klar wären: Die Größenordnung der drei Millionen Euro in Hüfingen würden beim Bund 30 Milliarden und beim Landkreis 30 Millionen Euro entsprechen.

Adolf Baumann
Adolf Baumann | Bild: Roland Sigwart

Deutlich kritisiert Baumann, dass Kollmeier sechs Wochen verstreichen lasse habe, bis er mit dem Thema öffentlich in den Gemeinderat gekommen ist. Andere Kommunen hätten da schneller gehandelt. Er selbst habe den Bürgermeister am 19. März um 9.50 Uhr angerufen und gebeten, dass doch bald eine Gemeinderatssitzung stattfinden müsse. Der Bürgermeister habe das Telefonat allerdings schnell mit der Begründung, er habe keine Zeit, beendet. So etwas sei ihm noch nie passiert, weder bei den Vorgängern im Hüfinger Rathaus, noch auf Kreisebene: „Der Landrat hätte innerhalb von 24 Stunden zurückgerufen und die früheren Hüfinger Bürgermeister auch.“

Hoffnung, dass Hüfingen noch einmal an das Geld kommt, hat Baumann nicht. „So eine Bankeninsolvenz kann vier bis fünf Jahre dauern und bis dahin ist längst kein Geld mehr da.“ Oft habe er darauf hingewiesen, dass bei den Hüfinger Finanzen Sicherheit vor Ertrag gehen müsse. „Dem einen oder anderen war es sicher schon lästig, so oft habe ich das angebracht. Aber offensichtlich ist da nicht zugehört worden.“ Bei Geldanlagen müssen Risiken bekannt, begrenzt und beherrschbar sein und sie müssten vor allem Sachkenntnis erfolgen.

„Herr Kollmeier, Sie müssen kräftig arbeiten, damit das Vertrauen wieder wächst und nicht das Misstrauen noch größer wird.“
Adolf Baumman, FDP/FW-Fraktionssprecher

„Die drei Millionen Euro sind sehr schmerzhaft und sie werden immer wieder für Spannungen zwischen Rat und Verwaltung, aber auch mit den Bürgern sorgen“, sagt Baumann und fügt hinzu: „Die Bürger werden das nicht so schnell vergessen.“ Neue Richtlinien dürften nicht „übersteuert“ sein und vor allem würden die besten Richtlinien nichts nützen, wenn man sie nicht beachte. „Herr Kollmeier, Sie müssen kräftig arbeiten, damit das Vertrauen wieder wächst und nicht das Misstrauen noch größer wird.“

Das sagt BFSO/Grünen-Fraktionssprecher Michael Steinemann:

Der BFSO/Grünen-Fraktionssprecher stimmt den Ausführungen der SPD-Fraktion und der FDP-Fraktion „voll und ganz“ zu und begrüßt die „klaren Worte“. Anstatt von 40 Kommunen, die betroffen sind, betont Michael Steinemann, dass es gerade einmal 0,03 Prozent aller deutschen Kommunen die Warnsignale nicht gesehen hätten – und darunter auch Hüfingen. „Der Imageschaden für unsere Stadt ist riesig“, sagt Steinemann, der sich auch fragt, wie andere betroffene Kommunen mit dem Thema umgehen.

Michael Steinemann
Michael Steinemann | Bild: Roland Sigwart

„Wenn ich die Unterlagen anschaue, fällt mir einiges auf, was man hinterfragen muss“, sagt er und fügt hinzu: „Warum wird die Schuld zuallererst bei anderen gesucht? Wir als Stadt und sonst niemand haben ohne Überprüfung des Geschäftsmodells der Greensill-Bank auf Plausibilität einen großen Teil unserer Gelder angelegt.“

In den Unterlagen werde die städtische Transparenz gelobt. „Ja, es wurde kommuniziert. Nach meinem Empfinden ging die Stadt aber nur durch den immer größer werdenden Druck anderer mit diesem Thema überhaupt an die Öffentlichkeit“, sagt der BFSO/Grünen-Fraktionssprecher. Kollmeier habe Anfang März gesagt, man wolle erst einmal abwarten. „So blieb halt immer ein Gschmäckle, das Thema aussitzen zu wollen“, so Steinemann. Auf der städtischen Facebook-Seite werde über jeden „umgefallenen Reissack“ berichtet, aber Informationen über den Greensill-Fall hätte man dort vergeblich gesucht.

„Die Bürger fordern Transparenz und Offenheit, Teilhabe und Anteilnahme. Verlorenes Vertrauen muss wieder zurückgewonnen werden.“
Michael Steinemann, BFSO/Grünen-Fraktionssprecher

Am 16. März hatte der BFSO/Grünen-Stadtrat einen offenen Brief geschrieben. Eine Antwort habe er ja nicht erwartet, aber schon, dass wenigstens ein paar Anregungen umgesetzt worden wären. Beispielsweise eine Einwohnerversammlung einzuberufen. „Die Bürger fordern Transparenz und Offenheit, Teilhabe und Anteilnahme. Verlorenes Vertrauen muss wieder zurückgewonnen werden“, sagt Steinemann.

Neben dem „schmerzlichen Verlust“ des Geldes, müsse man auch den „ungewöhnlichen Umgang“ mit Verwaltungsmitarbeitern hinterfragen. „Herr Bürgermeister, der Umgang mit dem Hauptbeteiligten wurde von vielen Bürgern als Schwäche ausgelegt“, sagt Steinemann und fügt hinzu: „Dieser wurde nämlich öffentlich gebrandmarkt. Fair war das nicht.“ Es hätte ihn menschlich gefreut, wenn man das öffentlich hätte gerade biegen können. Das obliege aber der Verantwortung des Verwaltungsleiters.

Grundsätzlich müsse man sich auch die Gewinnmaximierungsstrategie der Stadt hinterfragen. „Müssen Bauplatzpreise, Steuern und Gebühren immer höher werden, wenn man doch offenkundig gar nicht weiß, wo man das Geld sinnvoll investieren kann“, fragt Steinemann und spricht sich für Entlastung der Bürger und Unternehmen aus.