Heimlich, still und leise sind die vermeintlichen Scherzbolde in der Nacht auf den 1. Mai unterwegs. Ihre Botschaft: eine Kommentierung zu einer nicht unumstrittenen politischen Entscheidung in der Kommune. Seit Montag, 14. Oktober 2024 gilt auf mehreren Straßen in Hüfingen statt Tempo 50 nur noch Tempo 30. Begründet wurde das aus den Verpflichtungen der Stadt aus der Fortschreibung des Lärmaktionsplanes. 

Diskussion lief weiter

Auch nach Einführung des Tempolimits auf der Dögginger, Schaffhauser und Donaueschinger Straße, für die Hauptstraße, Bereiche der Bräunlinger Straße und für die Hochstraße lief die Diskussion munter weiter. Bis eben Unbekannte an den genannten Straßen die Tempo-30-Verkehrszeichen mit einem täuschend ähnlichen Zusatzschild versahen.

„Wegen ein paar Pfeifen“, lautet der Text darauf. Nicht konkret, aber doch despektierlich genug, dass sich genügend Leute ungerecht angemacht fühlen konnten.

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Der Spuk war im Übrigen am späten Vormittag vorbei, die Zusatzbeschilderung war entfernt. Übrigens, so haben es Zeugen gesehen, durch die Polizei. Die Streifen waren am Mai-Feiertag in Sachen möglicher Scherze ohnehin verstärkt unterwegs und erledigten das schnell, so Polizeisprecher Daniel Brill.

Mit einer Anzeige für die Scherzbolde sei nicht zu rechnen. Denn: Es wurde nichts beschädigt und die Autofahrer wurden nicht in die Irre geführt.

Scherz schnell wieder abgeräumt

Der vermeintliche Scherz war nur kurz zu sehen. Bei dieser öffentlichen Präsenz nicht verwunderlich, schaffte es aber gleichwohl ohne zeitliche Verzögerung in die sozialen Netzwerke.

Zwei Posts auf Facebook sammelten mehr als 1000 Daumen und lachende Gesichter ein. In den Kommentierungen finden sich sachliche Argumente in Richtung Kinder- und Anwohnerschutz ebenso wie Diskussionen über bessere Umwege, Kritik an der „Geldbeschaffungsmaßnahme“ oder einhellige Zustimmung. „Auch wenn es verboten ist, feiere ich den Anbringer des Schildes“. Eine Kommentierung, die allein 46 Mal Zustimmung findet.

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Nicht durchgängig lustig, auch wenn er schmunzeln musste, findet Scherz und Reaktionen SPD-Gemeinderat Mete Ünal. Die Tempo-30-Zone fuße auf einem amtlichen Lärmgutachten, schrieb er am Tag nach dem Maischerz der Redaktion. Hunderte Anwohnerinnen und Anwohner seien dem Straßenlärm gesundheitsschädlich ausgesetzt.

Politische Entscheidungen sollten zwar stets kritisch hinterfragt werden dürfen. „Hingehen Gutachten zu ignorieren oder ins Lächerliche zu ziehen, sei nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern untergräbt auch das Vertrauen in demokratische Entscheidungsprozesse“, so Ünal.

Respektlose Kommentierung

Die Stadtverwaltung und der Gemeinderat hätten gewissenhaft abgewogen und aufgrund dieses Prozesses eine Entscheidung getroffen. Diese nachträglich mit dem Begriff Pfeifen zu kommentieren, sei nicht witzig, sondern respektlos gegenüber gewählten Vertreterinnen und Vertretern.

Die Anwohnerinnen und Anwohner litten seit Jahren unter dem hohen Verkehrsaufkommen und den damit verbundenen gesundheitlichen Belastungen durch Lärm. Deren Beschwerden und Sorgen mit einem spöttischen Schild abzutun, „finde ich respektlos gegenüber allen, die sich ein lebenswerteres Wohnumfeld wünschen“, so Ünal weiter.

„Hingegen Gutachten zu ignorieren oder ins Lächerliche zu ziehen, ist nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern untergräbt auch das ...
„Hingegen Gutachten zu ignorieren oder ins Lächerliche zu ziehen, ist nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern untergräbt auch das Vertrauen in demokratische Entscheidungsprozesse.“Mete Ünal, SPD-Gemeinderat | Bild: Roland Sigwart

Die Aussagen in den sozialen Netzwerken zeigten eine gefährliche Tendenz zur Delegitimierung demokratischer Strukturen. Dabei seien es genau diese Strukturen, die eine Beteiligung aller ermöglichen und sogar davon leben, etwa über Bürgerversammlungen oder Eingaben an den Gemeinderat.

Denn der erste Tagesordnungspunkt einer jeder Gemeinderatssitzung laute „Der Bürger hat das Wort“. Die fleißigen Kommentatoren von Facebook hätten es jedoch bisher zu keiner einzigen Sitzung geschafft, so Ünal.

Die Demokratie hält das aus

Ob der Scherz gelungen oder nicht gelungen ist, liege im Auge des Betrachters, meinte Bürgermeister Patrick Haas. Bei politisch sehr polarisierenden Themen bewege man sich immer auf einem schmalen Grat. „Ich denke aber, dass hier keine Grenze überschritten wurde und eine Demokratie das aushalten kann. Der Spaß hört auf jeden Fall auf, wenn Einzelpersonen persönlich angegriffen oder bedroht werden. Das kann ich bei dieser Aktion aber nicht erkennen“.

„Der Spaß hört auf jeden Fall auf, wenn Einzelpersonen persönlich angegriffen oder bedroht werden. Das kann ich bei dieser Aktion aber ...
„Der Spaß hört auf jeden Fall auf, wenn Einzelpersonen persönlich angegriffen oder bedroht werden. Das kann ich bei dieser Aktion aber nicht erkennen“.Patrick Haas, Bürgermeister | Bild: Roland Sigwart

Die Entscheidung für Tempo 30 basiere auf den Berechnungen des Lärmaktionsplans. Für die gewählten Volksvertreter handele es sich hierbei um kein Gewinnerthema, da die Bevölkerung in dieser Frage in zwei nahezu gleich große, verhärtete Lager gespalten ist. Demokratie bedeutet auch, getroffene Entscheidungen zu respektieren, auch wenn man selber anderer Meinung ist.

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Eines müsse man den Urhebern auf jeden Fall lassen, geht Haas nochmal auf die Schilder ein: „Sie waren sehr akribisch und haben meines Wissens nach jedes Schild im neuen Tempo 30er-Bereich mit diesem Hinweis versehen.“

Aktion wird mit Humor genommen

Von Seiten der Stadtverwaltung werde es aller Voraussicht nach kein Nachspiel geben. „Solange es keinen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gegeben hat, können wir die Aktion am ersten Mai mit Humor nehmen“, so Haas.

„Den Maischerz sollte man nicht überinterpretieren.“Markus Leichenauer, CDU-Fraktionssprecher
„Den Maischerz sollte man nicht überinterpretieren.“Markus Leichenauer, CDU-Fraktionssprecher | Bild: Roland Sigwart

Es sei eben ein Maischerz und vertretbar, meinte CDU-Fraktionssprecher Markus Leichenauer. „Den sollte man nicht überinterpretieren.“ Danach einfach wieder die kommunalpolitische Arbeit machen.

„Der Scherz war nicht unter der Gürtellinie. In der Begrifflichkeit vielleicht ein bisschen grenzwertig.“Michael Steinemann, ...
„Der Scherz war nicht unter der Gürtellinie. In der Begrifflichkeit vielleicht ein bisschen grenzwertig.“Michael Steinemann, Fraktionssprecher Freies Forum

„Der Scherz war nicht unter der Gürtellinie. In der Begrifflichkeit vielleicht ein bisschen grenzwertig“, sagte Michael Steinemann. Der Sprecher des Freien Forums meinte, derbe Botschaften müsse man – wie an der Fasnet auch – auch mal aushalten. Zumal das Thema, seit einem halben Jahr Fakt – durchaus politische Relevanz habe. Aus seiner Sicht sei das Tempolimit auch nicht in allen Abschnitten sinnvoll.