Es war Ende März, als ein Teil der Albert Schweitzer Klinik in Königsfeld kurzerhand zu einer Akutklinik für Corona-Patienten umgebaut wurde. Über 50 Patienten haben Chefarzt Bernd Mössinger und sein Team in dieser Zeit behandelt. Strikt isoliert von den anderen Patienten der Reha-Klinik, untergebracht in einem eigenen Gebäudetrakt. Nach Pfingsten wurde die Corona-Abteilung wieder geschlossen: „Ab Mitte Mai waren die Infektionszahlen so weit rückläufig, dass die Versorgung allein in den Akutkliniken und im Corona-Zentrum möglich war“, erklärt Bernd Mössinger auf Anfrage des SÜDKURIER.

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Aufwühlende Wochen

Etwa sechs Wochen waren es also, dass die Corona-Abteilung in Betrieb war. Eine Zeit, die auch an dem Chefarzt nicht spurlos vorüber gegangen ist. Wie hat er sie erlebt? „Im Lauf der Zeit habe ich zunehmend Respekt vor dem Virus bekommen“, erzählt der 60-Jährige Chefarzt für Pneumologie – also Lungenkrankheiten -, Allergologie und Schlafmedizin.

Die Albert Schweitzer Klinik in Königsfeld
Die Albert Schweitzer Klinik in Königsfeld | Bild: Wolfgang Trenkle

In Erinnerung geblieben sind ihm vor allem die Gespräche mit Patienten, aus deren Familie ein Mitglied, teilweise seien es auch mehrere Familienmitglieder gewesen, an einer Corona-Infektion verstorben sei: „Manchmal während sie selbst bei uns in der Klinik und auf dem Weg der Besserung waren.“ Selbst auf der Corona-Station in der Klinik zu liegen, isoliert, und dabei mit dem Verlust eines Familienmitgliedes kämpfen zu müssen, habe viele Patienten in eine tiefe Trauer gestürzt. „Unsere Psychologen haben sich sehr um diese Patienten bemüht.“ Neben der schmerzhaften Erfahrung denkt Mössinger gerne an Patienten zurück, die die Krankheit überstanden haben – deren Erleichterung und Dankbarkeit.

Bernd Mössinger
Bernd Mössinger | Bild: Mediclin

Über die Patienten

Zwischen 24 und 95 Jahre alt seien die mit dem Coronavirus infizierten Patienten gewesen. Das Durchschnittsalter habe bei 65 Jahren gelegen, gibt Mössinger an. Sind alle Patienten, die in der Albert Schweitzer Klinik behandelt wurden, auch wieder gesund geworden? „Die meisten ja“, antwortet der Arzt. Für einige der Patienten seien Rehabilitationsmaßnahmen angeordnet worden, damit sie wieder in ihren Beruf und Alltag zurückkehren konnten. „Einzelne wenige Patienten waren bei der Entlassung noch auf eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr angewiesen und dürften auch eine dauerhafte Schädigung der Lunge erlitten haben.“

Neue Erkentnisse gewonnen

Stolz ist Mössinger vor allem auf sein Team. Darauf, dass es ihnen gemeinsam gelungen ist, „aus einem Teil einer Rehaklinik eine Akutklinik zur Behandlung von Patienten mit einer hochgradig ansteckenden Infektionskrankheit zu machen“. Und das ohne detaillierte Planungen oder Vorgaben, was zu tun ist. Der Kraftakt hat sich gelohnt: Das Team konnte durch die Behandlung von Corona-Patienten wertvolle Erkenntnisse über das Virus erlangen. Denn nicht nur die Lunge wurde bei dem Krankheitsverlauf angegriffen: Viele der Patienten litten unter neurologischen Symptome, Problemen des Verdauungssystems, Herz-Kreislauferkrankungen oder psychischen Belastungen.

Lage im Landkreis

Wie schätzt Bernd Mössinger die Lage im Schwarzwald-Baar-Kreis ein? „Die Zahl der neu Infizierten ist sehr gering. Die der Erkrankten und stationär im Schwarzwald-Baar-Klinikum behandelten Patienten ebenfalls.“ Dennoch warnt Mössinger davor, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. „Lokale Ausbrüche wie in Gütersloh sind auch bei uns jederzeit möglich.“ Schutzmaßnahmen sollten seiner Meinung nach deshalb unbedingt beibehalten werden.

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Sorge vor Spaltung

Zu Beginn der Pandemie, sagt Mössinger, habe er „das besonnene und dennoch konsequente Vorgehen der Regierung“ sehr bemerkenswert gefunden und ebenso die „große Zustimmung durch die Bevölkerung“. Jetzt, wo die wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Folgen der Krise aufgearbeitet würden, vermisst er diese Konsequenz und sieht den Verlust in „teils kontroversen Statements aus der Politik“, was zur Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung führen würde. Seiner Meinung nach nutzen Verschwörungstheoretiker diese Unsicherheit aus, machen Stimmung gegen die Schutzmaßnahmen: „Diese zunehmende Spaltung macht mir Sorgen.“

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