Wasserstoff soll, wenn es nach der Bundesregierung geht, eine zentrale Rolle beim klimagerechten Wandel der Wirtschaft spielen. Das Kabinett hat bereits im Sommer den Bau eines Versorgungsnetzes beschlossen. Das Gas soll in der energiehungrigen Stahlindustrie für mehr Umweltverträglichkeit sorgen. Und es soll als Energieträger dienen – beispielsweise bei Fahrzeugen oder beim Heizen.
„Wenn man sich anschaut, was im Moment passiert im Bereich von Wasserstoff, so muss man sagen, dass der Zug den Bahnhof verlassen hat“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck laut einem dpa-Bericht im September. Wie sieht es aber in der Region aus?
Spätzünder Schwarzwald-Baar
„Beim Ausbau der Wasserstofftechnologie ist der Schwarzwald-Baar-Kreis spät dran“, sagt Martin Schmidt von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg. „Und die Unternehmen finden das nicht gut.“ Das mag im ersten Moment verwundern, denn in die drei Landkreise sind nicht gerade für Schwerindustrie oder Chemieriesen bekannt.

Tatsächlich sind im Bereich Schwarzwald-Baar-Heuberg laut IHK etwa 25.000 Erwerbstätige bei Unternehmen der Automobilwirtschaft beschäftigt. Das macht 8,8 Prozent der Arbeitsplätze aus. Bundesweit sind es gerade mal 7,3 Prozent. Nun lässt der Durchbruch beim Wasserstoff-Antrieb aber noch auf sich warten.
Mit Vielfalt gegen die Unsicherheit
Die größtenteils kleinen und mittelständischen Unternehmen der Region warten aber nicht einfach ab. „Sie befinden sich seit Jahren in der Transformation“, sagt Martin Schmidt. Seiner Ansicht nach sind die hiesigen Firmen damit nicht zu früh gestartet, eher zu spät. Denn: „Wo die Reise hingeht, weiß keiner.“ Deshalb setzen die Betriebe auf Diversifikation: vielseitige Produkte, verschiedene Branchen, unterschiedliche Märkte.
Allerdings sei der Automobilmarkt sehr margengetrieben, das bedeute hohen Kostendruck für die Zulieferer. Gerade für die Kleineren sei es daher schwierig, die notwendigen Ressourcen für Forschung und Entwicklung aufzubringen.
Kleine Unternehmen vernetzen sich
Dem soll die Vernetzung der Automotive-Branche entgegenwirken. Dazu gibt es das Projekt AuToS, für das Martin Schmidt verantwortlich ist. Die Aufgabe passt zu seinem Aufgabenbereich bei der IHK. Dort ist er nicht nur Geschäftsbereichsleiter Innovation und Technologie. Zum Spektrum gehören passenderweise auch Energie und Umwelt, International sowie Unternehmensförderung.
Stadtwerke stellt Expertengruppe auf
Heizen, fahren, produzieren – natürlich geht das mit Wasserstoff, wenn der H2 auch zur Verfügung steht. Für Oliver Bauer von den Stadtwerken Villingen-Schwenningen (SVS) ist das deshalb auch ein Zukunftsthema. „Wir haben dazu eine Expertengruppe, die schaut, wo es hingeht“, sagt er. Denn das sei derzeit noch völlig unklar. „Wir haben Wasserstoff zusammen mit vielem anderem auf dem Schirm.“

Für den Sprecher der Stadtwerke ist klar: „Es gilt, keinen Bereich außer Acht zu lassen, da alles interessant werden kann.“ Die Zukunft sieht Bauer in einem Energiemix, der für jeden Verbraucher passend ausgewählt wird. „Es wird nicht den einen Energieträger geben, der alles abdeckt“, sagt er.

Zu den Faktoren, die laut Bauer beleuchtet werden, zählt die Frage, ob es sich für Unternehmen lohnt, Wasserstoff selbst zu erzeugen. Hintergrund ist, dass das von der Bundesregierung beschlossene Wasserstoff-Kernnetz nicht bis in den Schwarzwald-Baar-Kreis reicht. Zwischen Freiburg, Stuttgart und Ulm sind nach aktuellem Stand keine Hauptleitungen vorgesehen.
Das sorgt in der Region nicht gerade für Begeisterung. „Es kann nicht sein, dass die industriestarke Region in der Planung von Terranets BW und Umweltministerium überhaupt nicht vorkommt“, wird Thomas Albiez, IHK-Hauptgeschäftsführer, in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit den drei Landkreisen Schwarzwald-Baar, Rottweil und Tuttlingen zitiert.
„Wasserstoff kann ein zentraler Baustein in der Energieversorgung Baden-Württembergs werden. Die Energieversorgung der Unternehmen wird diversifiziert, die Versorgungssicherheit von Gewerbegebieten erhöht“, verweist Albiez auf die Bedeutung der Technologie.
Zukunftsschmiede braucht den Anschluss
Die Betriebe benötigen eine betriebsnahe Versorgungsinfrastruktur, findet Wolf-Rüdiger Michel, Landrat des Landkreises Rottweil. „Dann fungiert der ländliche Raum auch hier als Zukunftsschmiede für neue Energiekonzepte und neuartige Dienstleistungen um die Technologie.“