Es ist ein trauriger und besorgniserregender Rekord, den Klinik-Geschäftsführer Matthias Geiser verkündet: „Wir hatten am Donnerstag eine Online-Konferenz mit anderen Kliniken. Da sind wir der Spitzenreiter bei den betreuten Patienten. Wir sind absolut an der Spitze der Belastung und seit Tagen im Krisenmodus.“

Die hohe Inzidenz im Kreis sei eine extrem hohe Belastung und spiegle sich im Klinikum wider. Pro Woche, so Geiser weiter, kämen 60 neue Covid-Patienten ins Klinikum. Von den Neuinfektionen müssten acht bis zehn Prozent stationär behandelt werden.

Das könnte Sie auch interessieren

Wegen der hohen Belastung müssen auch nicht dringend notwendige Operationen weiter eingeschränkt werden. „Wir müssen Patienten kurzfristig absagen. Und das oft auch ohne Ersatztermin“, so Geiser weiter. Covid-Patienten aus der Region könnten aktuell noch aufgenommen werden, es könne aber sein, dass sich das ändert. Geiser: „Noch ist keine Trendumkehr absehbar.“

Im Intensivbereich gebe es zirka 50 Betten, hinzu komme der Schlaganfall-Bereich. Es könnten zwar noch mehr Betten betrieben werden, allerdings müsste dort dann auch Personal arbeiten, dass nicht speziell für die Intensivpflege ausgebildet wurde, so der Klinik-Geschäftsführer. Hinzu komme, dass es 19 schwangere Mitarbeiterinnen gibt. Die müssten sofort aus dem Beruf genommen werden. Geiser: „Und unser Krankenstand ist sehr hoch.“

Einer der aktuell Kranken ist der Pflegedirektor. Statt ihm äußerte sich am Freitag Joachim Kwiotek zur Situation der Pflege: „Wir tragen einen wesentlichen Teil zum Funktionieren des Gesundheitssystems bei. Zum Glück gibt es bei uns einen hohen Zusammenhalt unter den Kollegen. Wir müssen unsere Kräfte aber bündeln.“

Schwierig seien, neben der enormen körperlichen und psychischen Belastung die ständigen und kurzfristigen Strukturänderungen. „Stationen werden geschlossen, Covid-Stationen aufgebaut. Bei Covid-Patienten etwa brauchen wir doppelt so viel Personal für die Betreuung wie normal“, sagt Kwiotek weiter. Die Belastung führe auch dazu, dass eigene Qualitätsstandards verlassen werden müssen. Der Versorgungsstandard aber könne derzeit noch gehalten werden.

„In Deutschland haben wir noch nicht kapiert, was hier gerade überhaupt passiert“, sagt Matthias Henschen, ärztlicher Direktor am Klinikum. Die Situation nun sei es ganz andere als die vor einem Jahr: „Wir haben jetzt die Delta-Variante, die viel ansteckender ist. Sie hat eine Inkubationszeit von fünf bis sechs Tagen. Die Übertragung dieser Variante passiert auch wesentlich leichter.“ Auch geimpfte Menschen könnten das Virus übertragen, sie hätten aber eine viel niedrigere Dosis, betont Henschen.

Derzeit befinden sich 102 Corona-Patienten im Klinikum. Das ist der bisherige Höchststand, der im vergangenen Jahr vor Heiligabend an einem Tag erreicht worden war: „Ich rechne damit, dass wir 150 Covid-Patienten haben werden. Wann das der Fall sein wird, ist schwer zu sagen. Es könnte aber in zwei Wochen der Fall sein.“

Die Erkrankung selbst sei weiter für ältere Menschen vor allem mit Vorerkrankungen gefährlicher, auch die Impfwirkung schwäche sich vor allem bei Älteren eher ab. Henschen: „Teilweise passiert das schon nach zwei Monaten. Eine Booster-Impfung erst nach sechs Monaten ist daher zu spät.“

Henschen, der Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin ist, spricht sich neben der Immunisierung von Erwachsenen auch für die Kinder-Impfung aus. In den USA seien schon über eine Million Kinder geimpft und man habe damit gute Erfahrungen gemacht. Die europäische Zulassungsbehörde halte sich noch zurück: „Dass wir in Europa immer hinterher sind, macht mich unglücklich“, so Henschen.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch die Situation auf der Kinderstation sei am Limit. Fünf größere Kinder könnten dort im Maximalfall invasiv behandelt werden. Die hohe Belastung rühre auch daher, weil viele Kinder Krankheiten nachholten, die sie in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht hatten. Oft seien auch Säuglinge betroffen, die von ihren älteren Geschwistern angesteckt werden.

Impfappell

Generell zeigten Beispiele wie wie Portugal, wo die Impfquote der Bevölkerung laut Oxford University bei 86,6 Prozent liegt, dass die Impfung sehr sinnvoll sei. Henschen appelliert daher so emotional wie wohl noch nie: „Ich bitte dringend alle Menschen sich impfen zu lassen. Zudem müssen Abstände eingehalten, FFP2-Masken getragen und Kontakte vermieden werden.“ Gerichtet an die Klinik-Mitarbeiter fährt er fort: „Ich habe höchsten Respekt vor der Leistung der Kollegen. Ich hoffe, dass sie ihre Kraft beibehalten.“

Das könnte Sie auch interessieren