Manchmal zeigen Kundinnen Mona Suroglu auf dem Handy völlig unrealistische Fotos. Superglatte Haut, strahlender Teint, kein noch so winziger Makel. Filter bei Instagram und Co. leisten ganze Arbeit und wecken den Wunsch, das eigene Aussehen so weit wie möglich zu optimieren. Ihnen kann Mona Suroglu dann nicht helfen – jedenfalls nicht in dem Maß, wie sie es sich gewünscht hätten.

„Das zwanghafte Verändern: Das finde ich ganz schlimm“, sagt die 32-Jährige. Mona Suroglu ist promovierte Ärztin für Allgemeinmedizin. Ihre Schwerpunkte sind allerdings weniger Bluthochdruck, Diabetes, Impfungen und EKG, sondern die ästhetische Medizin.
Die Helferlein in ihrer Villinger Praxis heißen nicht Penicillin, Heparin und Betablocker, sondern Botox, Hyaluronfiller und Polynukleotide.
Längst kein Tabu mehr
Was bis vor ein paar Jahren noch Anlass für Tuscheleien hinter vorgehaltener Hand (“Die XY hat doch garantiert gebotoxt!“) oder Stars und Sternchen vorbehalten war, ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Aus der Großstadt zurück nach VS
Wer in puncto Schönheit nachhelfen lässt, hat häufig kein Problem mehr damit, offen dazu zu stehen. „Das hat sich komplett gewandelt“, beobachtet auch Mona Suroglu, die nach beruflichen Stationen in Köln und Düsseldorf in ihre Heimatstadt Villingen zurückgekehrt ist. „Warum sollte man sich auch schämen? Wer hätte nicht gerne strahlende Haut?“

Die Zeit anhalten, das wollen viele. Hier ein Fältchen verschwinden lassen, dort das Kinn modellieren. Dafür sind sie bereit, tief in die Tasche zu greifen.
Die ästhetische Medizin besteht größtenteils aus privatärztlichen Leistungen, sieht man einmal von Eingriffen wie beispielsweise dem Anlegen abstehender Ohren ab, wenn der psychische Leidensdruck bei manchen Betroffenen groß ist.
Warum hat sich Mona Suroglu ausgerechnet für diesen Zweig der Medizin entschieden – in Zeiten, in denen angesichts des Fach- und Hausärztemangels Praxen zum Teil verschenkt werden, weil sich keine Nachfolger finden?
Die klassische Laufbahn? Lieber nicht
Medizin – das sei schon immer ihre Passion gewesen und das Einzige, was sie sich habe beruflich vorstellen können, blickt sie zurück. Eine Hausarztpraxis gründen wie ihre Mutter Barbara – oder deren Praxis in Villingen sogar irgendwann übernehmen? Die junge Ärztin schüttelt den Kopf.
Sie weiß von ihrer Mutter, wie viel Einsatz Hausärztinnen und Hausärzten abverlangt wird, gerade, wenn sie als Einzelkämpfer eine Praxis betreiben. Wie viel unbezahlte Arbeit sie aufgrund der Budgetierung leisten und wie wenig Freizeit oft bleibt. „Das politische System müsste sich schon stark verändern, damit die klassische ärztliche Tätigkeit attraktiver wird“, findet sie.
KV betont Vorzüge im Südwesten
Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) sieht man das anders: „Aus unserer Sicht ist es gerade auch in Baden-Württemberg attraktiv, als Hausarzt oder Hausärztin tätig zu sein“, sagt Sprecher Kai Sonntag.
Im Südwesten sei die hausarztzentrierte Versorgung („Hausarztverträge“) weit verbreitet, die den Hausärzten eine deutlich höhere Vergütung ermöglichen. Das gebe es in dieser Form in keinem anderen Bundesland.
Bei den Hausärzten klafft eine große Lücke
Das ändert jedoch nichts daran, dass laut Versorgungsbericht der KV im Jahr 2024 landesweit 960 Hausärztinnen und Hausärzte fehlten.
Mona Suroglu setzt trotzdem vorerst auf privatärztliche Tätigkeit. „Ich hatte schon immer ein Faible für Ästhetik und die Möglichkeiten, die sie bietet. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass ich selbst früher sehr schlimme und schmerzhafte Akne hatte“, sagt die 32-Jährige.
Von der Kundin zur Mieterin
Sie war deshalb lange Kundin im Medical Beauty Spa von Verena Schulz in Villingen, um dort die Spuren ihrer eigenen Hauterkrankung behandeln zu lassen. In eben jenem Schönheitsinstitut ist Mona Suroglu nun selbst mit ihren Praxisräumen als selbstständige Ärztin ansässig. „Ich bin sozusagen von der Kundin zur Mieterin geworden.“

Hier spritzt sie Botox, füllt mit Hyaluronsäure auf, glättet Fältchen – und berät. Auf dem Sideboard in ihrem Sprechzimmer steht ein Kunststoff-Modell der menschlichen Haut, das die einzelnen Schichten darstellt.
Behandlungen nicht ohne Risiko
Ästhetische Medizin ist immer auch Millimeterarbeit. „Die Injektionstechnik muss perfekt sein“, sagt Mona Suroglu. Trifft man beispielsweise beim Spritzen ein Gefäß, kann schlimmstenfalls das umliegende Gewebe absterben.
Generell ist medizinische Fachkenntnis also unerlässlich, es gibt Risiken. So informiert die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) auf ihrer Homepage, dass das Injizieren von Hyaluronsäurepräparaten möglicherweise zu lang anhaltenden Schwellungen führen kann.
Und Botox-Behandlungen, die gezielt Teile der mimischen Muskulatur im Gesicht lähmen sollen, um so Falten im Gesicht zu glätten, können Begleiterscheinungen wie „verstärktes Hängen der Oberlider“ hervorrufen. „Die Wirkung sowie unter Umständen unerwünscht auftretende Nebenwirkungen halten etwa drei Monate an“, so die VDÄPC.
Ein neues Leben gibt es nicht per Injektion
Und manchmal schickt die Ärztin Leute auch wieder weg. Etwa, wenn hinter dem Besuch in ihrer Praxis völlig unrealistische Erwartungen stecken. Ein anderer Mensch, ein anderes Leben – das wird und bekommt man auch mit Filler in den Lippen und gestrafften Augenlidern nicht.

Betonen, was ein Mensch an Vorzügen mitbringt, zum Beispiel eine schöne Lippenform oder tolle Augen: So beschreibt Mona Suroglu ihre Philosophie.
Es gehe nicht darum, komplett verändert aus einer Behandlung zu kommen, sondern zufrieden. Diese Zufriedenheit ist für sie ein wichtiger Aspekt bei ihrer Tätigkeit.
„Es ist nicht so, dass ich mich als Ärztin vor dem Leid drücken will. Aber so kann ich ganz viele Leute glücklich machen, und alle kommen freiwillig“, sagt sie. „Wer geht schon gerne zur Darmspiegelung?“
Gut altern statt nicht altern
Die Kundinnen stammen dabei längst nicht nur aus der Generation der 30- bis 50-Jährigen. Ihre bisher älteste sei 93 Jahre alt gewesen, sagt Mona Surgoglu. Deshalb mag sie auch das Wort Anti-Aging nicht. Well-aging, also „gut altern“, empfindet sie als den passenderen Begriff. „Wir sollten alle dankbar sein, dass wir alt werden dürfen. Das ist ein wahnsinniges Privileg. Und viele möchten das eben so schön wie möglich erleben.“