Es war der kürzeste Narrensprung der vergangenen Jahrzehnte: Nach einer Stunde waren am Fasnetsmontag in Rottweil die letzten der zugelassenen 1000 Narren durch das Schwarze Tor gezogen: Das gab es vermutlich das letzte Mal in den Nachkriegsjahren.
Und Krieg, ja, auch der prägte diese ungewöhnliche Fasnet. Ein Weißnarr trug eine selbstgemalte Friedensfahne, manch einer hatte die Seidentüpcher in Blau und Gelb gewählt, den Farben der Ukraine.
Allerdings überwog das Corona-Thema. Darauf hatte man ja Zeit sich einzustellen. So hatte einer der typischen Rottweiler Narren, ein Federahannes, eine Maske an seinen Stecken gehängt – das übliche Kalbsschwänzle musste in diesem Jahr weichen. Andere hatten ihren Stecken in Frischhaltefolie gewickelt.
Dass die Rottweiler überhaupt einen Narrensprung organisiert hatten, stieß andernorts und auch im Städtle selbst nicht nur auf Gegenliebe. 4500 Zuschauer und 1000 Narren hatten Zunft und Stadt pro Sprung erlaubt, und um die dafür nötigen Eintrittskarten zu bekommen, musste man sich in lange Schlangen stellen. Am Ende gab es doch noch genug.
Ob es daran lag, dass zunächst 2G+ galt, und erst später, als die Karten schon fast alle weg waren, auf 3G umgestellt wurde, bleibt dahingestellt. Jedenfalls ging ohne Karte nichts, die Obere und Untere Hauptstraße waren komplett abgeriegelt. Security kontrollierte die Covid-Zertifikate und Personalausweise und sammelte die Karten ein.
Angekündigt war von den Veranstaltern auch Sichtschutz, damit es keine Zaungäste gibt. Der stand dann in Form von zwei Feuerwehrautos auf der Hochbrücktorstraße und dem Friedrichsplatz.

Wer geschickt genug war – die nötigen Beziehungen vorausgesetzt –, hatte sich einen Platz in einem der Häuser gesichert, die ja oft genug einen Hintereingang haben. Dort kam man dann ohne Kontrollen in den Genuss des Narrensprungs, aber eben von oben. Auch die Stadtoberen genossen einen tollen Blick vom Rathaus aus auf das Geschehen.
Es blieb ein in vieler Hinsicht kurioser Narrensprung, bei dem die Narren Larven und ein Teil der Zuschauer Masken trugen. Dem aber dann auch ein wirklich buntes Treiben in der Oberen Hauptstraße folgte, eine Straßenfasnet mit Aufsagen und Singen, eigentlich ganz so, wie es sein sollte.
Da die Straßensperren pünktlich zum Sprungende aufgehoben wurden, konnte dann dabei sein, wer keine Eintrittskarte hatte. Wer sich allerdings mit dem Auto vorbeimogelte, der sah alt aus, denn neben den Landsknechten, die traditionell für Ordnung sorgen, waren auch Security-Leute unterwegs und die Polizei. Einem Autofahrer aus VS wurde dies prompt zum Verhängnis. Alle anderen hatten sichtlich große Freude an dieser Fasnet unter strahlend blauem Himmel – die, das meinten viele, gerne jedes Jahr so sein darf.
Das sagt die Narrenzunft
„Der Rottweiler Narrensprung mit seiner langen Tradition ist für viele Menschen viel mehr als eine Fastnachtsveranstaltung, er ist ein ganz wesentlicher Bestandteil ihrer Identität. Wir wollten den Bürgern nach zwei Jahren Pandemie wieder etwas Normalität zurückgeben und das ist uns bei allen Einschränkungen dennoch gelungen“, meint Georg Hauser, zweiter Narrenmeister der Narrenzunft Rottweil.
Das meint die Stadt Rottweil
Trotz des Kriegs in der Ukraine hatten Stadt und Narrenzunft Rottweil an der Veranstaltung der Narrensprünge festgehalten. In einer am Donnerstag verbreiteten Erklärung verwies die Stadt Rottweil auf Erfahrungen mit der Absage des Narrensprungs während des Golfkriegs 1991. „Eine Absage bedürfte zunächst einer Diskussion in der Bürgerschaft auf breiter Basis, das war in der Kürze der Zeit diesmal nicht mehr möglich“, so Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß. Zudem ruft er in Erinnerung, dass 1991 dennoch ein unorganisierter Narrensprung stattgefunden hatte. „Unter Pandemiebedingungen hätte das letztlich den Verzicht auf Infektionsschutzmaßnahmen wie 3G und Einlasskontrollen bedeutetet, was angesichts weiterhin hoher Infektionszahlen alles andere als sinnvoll gewesen wäre.“
Gleichzeitig blicken Stadt und Narrenzunft Rottweil mit großer Sorge auf die Ereignisse in der Ukraine: „Der Krieg erschüttert die Menschen in unserer Stadt zutiefst, selbstverständlich wird es auch aus Rottweil Zeichen und Aktionen der Solidarität mit der Ukraine geben“, kündigt Broß an.