Die Inzidenz pro 100.000 Einwohner steigt dramatisch. Seit Tagen liegt sie um die 600, die Corona-Station im Klinikum ist mit über 100 Infizierten voll. So stehen jetzt wieder schärfere Maßnahmen an. Im Fokus sind diejenigen, die sich bislang nicht gegen das Coronavirus haben impfen lassen.

Daher greift ab Montag, 22. November, 0 Uhr, eine neue Allgemeinverfügung des Landkreises. Das bedeutet etwa: Ungeimpfte dürfen nachts zwischen 21 und 5 Uhr die Wohnung nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Außerdem sind einige Bereiche des öffentlichen Lebens nur noch für Geimpfte und Genesene zugänglich, wie beispielsweise Gastronomiebetriebe im Freien, Mensen und Caféterien an Hochschulen oder der Einzelhandel, ausgenommen sind Geschäfte, die der Grundversorgung dienen. Die Reaktionen auf eine zugespitzte Situation.

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„Härtere Maßnahmen nicht ausgeschlossen“

„Die Zahlen gehen durch die Decke, daher mussten wir reagieren“, erklärt Landrat Sven Hinterseh auf Anfrage. Er verweist vor allem auf das Klinikum, wo inzwischen über 100 Corona-Patienten liegen. Die Situation dort sei dramatisch. Letztendlich helfe nur, sich impfen zu lassen, „die Impfquote muss besser werden“. Vor allem „wollen wir nun auch verstärkt die Ungeimpften ansprechen und nicht nur die, die sich inzwischen schon ein- oder zweimal haben impfen lassen“.

Daher werde aktuell mit Hochdruck daran gearbeitet, das neue Impfzentrum im Schwarzwald-Baar-Center zu eröffnen. Hinterseh geht derzeit davon aus, dass es ab Donnerstag „den Regelbetrieb aufnehmen kann“. Wären angesichts der ernsten Situation nicht viel strengere Maßnahmen notwendig? „Wir müssen auch die Verhältnismäßigkeit wahren“, aber „ich schließe nicht aus, dass es in einigen Wochen auch noch härtere Maßnahmen gibt“.

Landrat Sven Hinterseh will noch schärfere Maßnahmen nicht ausschließen.
Landrat Sven Hinterseh will noch schärfere Maßnahmen nicht ausschließen. | Bild: Simon Wöhrle

„Impfen, impfen, impfen“

Die Allgemeinverfügung sei doch ein deutlicher Hinweis, in was für „einer schwierigen Situation wir wegen der hohen Inzidenz sind“, sagt Villingen-Schwenningens Oberbürgermeister Jürgen Roth. Auch ihm bereitet vor allem die dramatische Lage ihm Klinikum Sorge. Wenn immer mehr Kapazitäten in die Corona-Intensivmedizin flößen, könnten bald ein lebensbedrohlicher Schlaganfall oder Herzinfarkt nicht mehr ausreichend vor Ort behandelt werden. „Das wollen wir nicht.“

Die Allgemeinverfügung „sind ein deutlicher Hinweis, in was für einer schwierigen Suation wir sind“, meint der VS-OB Jürgen ...
Die Allgemeinverfügung „sind ein deutlicher Hinweis, in was für einer schwierigen Suation wir sind“, meint der VS-OB Jürgen Roth. | Bild: Stadt Villingen-Schwenningen

Aus seiner Sicht helfe nur „impfen, impfen, impfen“. Die Stadtverwaltung habe schon viel getan, um auf die verschärfte Situation zu reagieren. So wurden die Weihnachtsmärkte, die anderswo im Land immer noch stattfinden dürfen, „schweren Herzens“ abgesagt. Diese Entscheidung ist „uns nicht leicht gefallen, aber wir konnten die Hygiene-Regeln nicht garantieren“.

Doch wer überwacht die nun verschärften Regeln, vor allem die weitgehende nächtliche Ausgangsperre für Ungeimpfte? Strichprobenweise werde kontrolliert, aber alles könne der Kommunale Ordnungsdienst der Stadt nicht allein schaffen, betont Roth. Da werde es schnell eine Absprache mit der Landespolizei geben.

Wer kontrolliert?

Bisher habe die Polizei von der Allgemeinverfügung nur durch eine Mail und aus der Presse erfahren, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz. Daher konnte die Verfahrensweise bisher noch nicht besprochen werden. Das solle am Montag geschehen.

Menschenleerer Hanselbrunnenplatz in der Donaueschinger Innenstadt. Tische und Stühle sind weggeräumt. Das gilt allerdings nur für ...
Menschenleerer Hanselbrunnenplatz in der Donaueschinger Innenstadt. Tische und Stühle sind weggeräumt. Das gilt allerdings nur für Ungeimpfte. Für sie gilt bald eine nächtliche Ausgangssperre. | Bild: Roland Sigwart

„Ein drittes Jahr so weitermachen?“

Von der neuen Regelung ist auch die Hotellerie der Region betroffen. Wie wird die neuerliche Entscheidung dort aufgenommen? Getroffen wird das Hotel Öschberghof bei Aasen davon allerdings nicht in besonderem Maße, hier gelten bereits 2G, sagt Hotelchef Alexander Aisenbrey: „Was sollen wir denn auch anderes machen? Sollen wir ein drittes Jahr so weitermachen wie bisher?“

„Es gibt andere Bereiche, die völlig außer Acht gelassen werden.“
Alexander Aisenbrey

Um der Situation Herr zu werden gebe es nur eine Möglichkeit: „Impfen!“, so Aisenbrey weiter. Der Direktor ärgert sich dabei auch, dass der Fokus nur allzu oft auf Gastronomie und Hotellerie gerückt werde: „Es gibt andere Bereiche, die völlig außer Acht gelassen werden. Fahren sie mal mit der Bahn nach Hamburg. Dort am Flughafen herrschen Mindestabstände von fünf Zentimetern.“ Man brauche jetzt wieder Normalität und müsse die Situation in den Griff bekommen.

Alexander Aisenbrey, Hoteldirektor Öschberghof
Alexander Aisenbrey, Hoteldirektor Öschberghof | Bild: Roland Sigwart

Und die lauten Stimmen, die besonders in den sozialen Medien gegen die aktuellen Maßnahmen poltern? „Jene die laut sind, sind die verantwortlich für die 300 Menschen, die täglich sterben, oder wenn meine Mitarbeiter in Kurzarbeit müssen? Wir müssen das jetzt durchziehen!“

Saison so gut wie durch

Das Donaueschinger Anton-Mall-Stadion: Auch im Freien wird mit der neuen Allgemeinverfügung des Landkreises 2G notwendig sein.
Das Donaueschinger Anton-Mall-Stadion: Auch im Freien wird mit der neuen Allgemeinverfügung des Landkreises 2G notwendig sein. | Bild: Roland Sigwart

Der SSC Donaueschingen wird von der neuen Allgemeinverordnung ebenfalls kaum getroffen. Warum, das erklärt der Vorsitzende der Donaueschinger Fußballer, Kai Sauser: „Alle Schüler gelten durch die Testung in der Schule ohnehin als getestet. Da gibt es keine Einschränkungen.“ Da man im Verein sehr viele Kinder und Jugendliche habe, sei es hier kein Thema. Und bei den Aktiven gebe es am Sonntag, 21. November, ohnehin das letzte Heimspiel, „dann ist die Saison punktemäßig durch.

Kai Sauser, Vorsitzender SSC Donaueschingen.
Kai Sauser, Vorsitzender SSC Donaueschingen. | Bild: SSC Donaueschingen

Wenn man dann nicht mehr trainieren kann, dann geht die Welt davon auch nicht unter“, so Sauser weiter. Spannend werde es indes am Donnerstag. Da seien weitere Maßnahmen der Landesregierung angekündigt: „Es gibt bereits diverse Gerüchte, die im Raum stehen. Ich denke, da kommen dann weitere Einschränkungen auf uns zu.“

„Zum Glück ein minder schweres Problem“

„Wir haben in der ersten Mannschaft nicht einmal eine Handvoll Spieler, die ungeimpft sind“, betont Alexander Rieckhoff, Pressesprecher des FC 08 Villingen. Die Oberligaspieler und ein Teil der U 21 seien Vertragsspieler und damit gelten sie als normale Beschäftigte. Falls sie nicht geimpft sind, reiche ein Schnelltest. Für die anderen bei der U 21, die ungeimpft seien, ist ein PCR-Test notwendig. Doch der sei auf Dauer für die Spieler zu teuer, sodass sie von sich aus nicht antreten. Weil es sich nur um wenige Betroffene handele, sei es zum Glück ein minder schweres Problem.

Für den FC 08 Villingen sind die verschärften Regeln kein großes Problem, sagt Pressesprecher Alexander Rieckhoff.
Für den FC 08 Villingen sind die verschärften Regeln kein großes Problem, sagt Pressesprecher Alexander Rieckhoff. | Bild: privat

„Wie wird sich das auswirken?“

„Seit Mittwoch hatten wir 3G. Wieviel Prozent sind noch nicht geimpft? Die fallen dann jetzt weg“, sagt Patrick Schmoll, einer der Vorsitzenden des Donaueschinger Gewerbevereines und Inhaber der Herrenmode Schmoll an der Karlstraße. Schmoll sei zwar nicht entspannt, aber zuversichtlich: „Von Mittwoch bis Samstag war bei uns niemand mit einem Test“, erklärt er. Alle Kunden hätten sofort den Impfnachweis vorgezeigt. „Wir müssen jetzt prüfen, wie sich die neuerliche Regelung auswirkt.“ Aber: „Ich nehme es so, wie es ist.“ Schon jetzt sei in der Stadt allerdings weniger los gewesen.

Patrick Schmoll, Inhaber des Herrenmodegeschäfts Schmoll.
Patrick Schmoll, Inhaber des Herrenmodegeschäfts Schmoll. | Bild: Simon Wöhrle

„Die Politik hat leider versagt“

„Jeder muss seinen Teil dazu beitragen, um das Infektionsgeschehen einzudämmen“, betont Tanja Broghammer, selbst Einzelhändlerin und stellvertretende Vorsitzende der Sparte Handel im Gewerbeverband Oberzentrum. Für den Handel sei es schwer, betont sie. Doch nicht die Maßnahmen an sich kritisiert sie, sondern die Ausnahmen. So sei es für sie immer noch nicht nachvollziehbar, dass wie vor einem Jahr zum Beispiel für Baumärkte weniger scharfe Regeln gelten. Das sei nicht gerecht „und war es auch vor einem Jahr nicht“.

Tanja Broghammer sieht erneut eine schwere Zeit auf den Handel zukommen.
Tanja Broghammer sieht erneut eine schwere Zeit auf den Handel zukommen. | Bild: Fröhlich, Jens

Doch die Politik habe nichts daraus gelernt, sich nicht auf die Situation vorbereitet und habe „leider versagt“. Sie kann nur an die Vernunft der Menschen appellieren, sich jetzt impfen zu lassen. Zum Vergleich blickt sie manchmal auf Spanien: Dort gebe es eine hohe Impfquote, in vielen Teilen des Landes eine niedrige Inzidenz und trotzdem tragen die Menschen Masken. Wurden die Deutschen dort früher bewundert, werden sie „inzwischen ausgelacht“.

„Es geht nur noch um Symbolik“

„Wir stehen vor einer Bankrotterklärung an unsere liberale Gesellschaft“, erklärt der Villinger FDP-Landtagsabgeordnete Frank Bonath in einer Pressemitteilung. Diese Anweisung des Sozialministeriums Baden-Württemberg zeige die Hilflosigkeit der Regierung. „Eine Ausgangssperre bei uns im ländlichen Raum wird keinen Effekt zur Pandemiebekämpfung haben“, betont er weiter. Es gehe lediglich um Symbolik.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Frank Bonath bezeichnet die Allgemeinverfügung als Bankrotterklärung für die liberale Gesellschaft.
Der FDP-Landtagsabgeordnete Frank Bonath bezeichnet die Allgemeinverfügung als Bankrotterklärung für die liberale Gesellschaft. | Bild: Abgeordnetenbüro Frank Bonath MdL

Die Gesellschaft werde sich weiter spalten, wenn solche drastischen Maßnahmen ausgerufen würden. Alle, die sich noch nicht durchringen konnten, sich impfen zu lassen, „bitte ich noch einmal, darüber nachzudenken und sich bei seriösen, aktuellen Quellen zu informieren“. Impfen und konsequentes Testen sei aktuell der einzige Weg, gegen die Pandemie effektiv vorzugehen.