Insgesamt acht Mitglieder von Rotem Kreuz (DRK) und dem Malteser Hilfsdienst (MHD) haben in den vergangenen Tagen den Menschen im besonders stark betroffenen Landkreis Ahrweiler geholfen. Mindestens 125 Menschen sind dort der Flutkatastrophe zum Opfer gefallen. Stellvertretend für die Gruppe berichten Michael Weißer (DRK Ortsverein Furtwangen und Kreisbereitscjaftsleiter im Kreisverband Donaueschingen) und Maximillian Riegger (Malteser Hilfsdienst), wie sie in der Katastrophenregion geholfen haben.

So erlebt Michael Weißer den Einsatz: Irgendwann hat die Bundeswehr Sonnencreme besorgt und an die Helfer verteilt, die in der prallen Sonne ihren Dienst verrichteten. Dort im rheinland-pfälzischen Ahrweiler. Dort, wo sich Tage zuvor eine meterhohe Flutwelle ihren zerstörerischen Weg von der Quelle bis zur Mündung der Ahr gebahnt hatte. „Wenn man so schnell aufbricht, vergisst man halt manches“, sagt Michael Weißer. Auch die Sonnencreme.

Der 34-jährige Rotkreuz-Helfer aus Furtwangen war von Samstag bis Dienstag im Hochwasser-Katastrophengebiet im Einsatz. Seinen Einsatzbefehl erhält er um 10 Uhr morgens. Eine Stunde später ist er schon unterwegs zur Sammelstelle in Bruchsal, von wo aus die Helfer weiter ins Katastrophengebiet fuhren. Seine Aufgabe: Menschen aus Notunterkünften in Altenheime, Pflegeheime und Hotels zu bringen, um in den Unterkünften Platz für die nächsten Menschen zu schaffen.
Sein erster Eindruck: „Extrem erschreckend. Klar kannte man die Bilder aus den Nachrichten, aber vor Ort ist das noch mal etwas ganz anderes.“ Die Lage in der Stadt: gespenstisch und unwirklich. „Man fährt durch enge Gassen, sieht Blumen an Balkonen und denkt sich: hübsche Gegend. Dann biegt man um die Ecke und ist im Krieg.“

In den Straßen und Gassen türmen sich Sperrmüll und Schlamm, Autos liegen auf dem Dach, als wären sie Spielzeuge in einem Sandkasten. In einer Baumkrone hängt in vier Meter Höhe eine Waschmaschine. Auf den Straßen sind Menschen mit Plastiktüten unterwegs, in die sie ihre nötigsten Habseligkeiten, Dokumente und Unterlagen gestopft haben.
„Wir hatten einen Patienten, der nachts aufgewacht war, weil sein Bett durchs Zimmer schwamm. Im dritten Stock.“Michael Weißer
Mit dem Krankenwagen bringen Michael Weißer und seine Kollegen die Menschen aus den Notunterkünften in Pflegeeinrichtungen und Hotels. Die einen reden wie ein Wasserfall, die anderen schweigen. Jeder geht auf seine Weise mit traumatischen Erlebnissen um.
Dauereinsatz bis zum frühen Morgen
„Wir hatten einen Patienten, der nachts aufgewacht war, weil sein Bett durchs Zimmer schwamm“, sagt Michael Weißer. „Im dritten Stock.“ Bis zum Morgengrauen am Dienstag sind er und seine Mitstreiter im Dauereinsatz. Dann geht es für den 34-Jährigen, der im normalen Leben als Elektroniker in der Industrie arbeitet, zurück in den Schwarzwald.

Was man aus einem solchen Einsatz mitnimmt? Dankbarkeit für den ganz normalen Alltag. „Wenn man so etwas erlebt hat, relativieren sich viele Probleme.“
Von der Arbeit in den Einsatz
So hat Maximillian Riegger den Einsatz erlebt: Als am Donnerstagnachmittag der Anruf kommt, ist der Erzieher noch bei der Arbeit in der Nachsorgeklinik Tannheim. Von der Klinik erhält er sofort die Erlaubnis, an dem Einsatz teilzunehmen, er holt sich Wechselkleidung, fährt zur Dienststelle und ist um 21 Uhr an der Sammelstelle in Bruchsal.

Begonnen hat der 29-Jährige seine Blaulicht-Karriere bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). „Die direkte Arbeit am Patienten hat mich aber auch gereizt“, sagt er. Heute ist er Rettungssanitäter und Gruppenführer beim Malteser Hilfsdienst.
Seit Stunden ohne Strom
Vergangene Woche evakuiert er mit Kollegen das Krankenhaus von Ahrweiler. Im Morgengrauen fangen sie an. Es ist dunkel, denn der Strom ist seit Stunden ausgefallen. In den Straßen stinkt es nach ausgelaufenem Heizöl und Fäkalien aus den überfluteten Abwasserkanälen.

Mit Lastwagen werden die Helfer die letzten Meter zum Krankenhaus gebracht, denn die von Schutt bedeckte Straße kann kein normales Fahrzeug befahren.
Patienten im Lastwagen
Am Krankenhaus bringt die Feuerwehr die Patienten nach unten, wo sie von Maximillian Riegger und seinen Kollegen inmitten von Schlamm im Empfang genommen werden. Manche von ihnen gehfähig, andere nicht: „Diese Patienten wurden auf Matratzen in den Laderaum gelegt“, berichtet Maximillian Riegger. „Normalerweise würde man das niemals so machen, aber es ging einfach nicht anders.“ Mit den Lastwagen geht es zu den Krankenwagen und mit diesen weiter in umliegende Kliniken, die vom Hochwasser verschont wurden.
Abgerissene Balkongeländer
„Je näher man an die Ahr kam, umso größer war die Zerstörung“, schildert er. Autos, die in Gebäude gedrückt wurden, dunkle Straßen ohne Strom, komplett weggespülte Straßenzüge und abgerissene Balkongeländer.

Hat man als Helfer bei einem solchen Einsatz Angst? „Eigentlich nicht“, sagt Maximillian Riegger. „Wir sind immer nur so weit gegangen, wie es ging. Wenn es irgendwo nicht weiter ging, hat das Technische Hilfswerk die Straße geräumt.“
Die nächsten fahren los
Bis die Hochwasserschäden beseitigt sind, werden Wochen und Monate vergehen. Noch immer wird in den Katastrophengebieten unter Hochdruck gearbeitet. Auch mit Hilfe aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. „Heute kam der Einsatzbefehl für fünf Kameraden als Lastwagenfahrer“, sagt Jürgen Riegger am Donnerstagabend. Sie werden an diesem Wochenende im Katastrophengebiet Hilfstransporte übernehmen. Damit irgendwann in Ahrweiler wieder so etwas wie Normalität einkehrt.