Die Bundeswehr ist eine Friedenstruppe und genau so traten ihre Repräsentanten am Dienstag vor dem VS-Gemeinderat auf. Kein leichter Einsatz für die Uniformierten – die Gesamt-Stimmung im Rat ist negativ zum Vorhaben eines Standortübungsplatzes zwischen Überauchen und Tannheim. Ergebnis von fast zwei Stunden Debatte: Der Rat beauftragte die VS-Stadtverwaltung, Möglichkeiten zu finden um zu verhindern, dass der Übungsplatz in Betrieb gehen kann. Außerdem muss das Vorhaben noch eine Prüfung für Umweltverträglichkeit und Artenschutz bestehen, bevor es umgesetzt werden kann.

Militärischer Sperrbezirk: Wie andere Gelände bei Donaueschingen (unser Bild) soll die Anlage bei Tannheim nicht eingezäunt werden.
Militärischer Sperrbezirk: Wie andere Gelände bei Donaueschingen (unser Bild) soll die Anlage bei Tannheim nicht eingezäunt werden. | Bild: SK

521 Hektar groß ist der Flächenbedarf, der für das in Donaueschingen stationierte Jägerbataillon 292 angemeldet ist. Ein Hektar entspricht genau 10.000 Quadratmetern, zur Veranschaulichung wird eine solche Fläche auch gern in der Größe etwa eines Fußballplatzes bemessen. Tatsächlich hat ein Fussballplatz annähernd 8500 Quadratmeter. Soviel will die Bundeswehr im Wald pachten oder vielleicht sogar kaufen? Eine Frage dazu ließ Sprecher Klaus Sasse vor der Sitzung bewusst offen.

Das könnte Sie auch interessieren

Betont wurde in einem SÜDKURIER-Gespräch vorab, dass im Wald bei Tannheim „nicht mit scharfer Munition und nicht mit scharfen Handgranaten und auch nicht mit Kettenfahrzeugen geübt wird“. Die SÜDKURIER-Frage, wie eine Übungs-Handgranate einerseits und eine scharfe andererseits detonierten, erklärte der Sprecher so: „Die scharfe Granate explodiert mit einem gewaltigen Knall, unsere Übungshandgranate hingegen lediglich mit einem kleinen Puff.“

Klar war in der Sitzung des Gemeinderates: Die Bundeswehr will informieren und das als problematisch beladene Vorhaben, das die Stadtverwaltung in einem sechsseitigen Papier in Frage stellt, in einem milderen Licht darstellen. Bei den Stadträten verfing das überwiegend in Villingen-Schwenningen nicht. Tannheims Ortsvorsteherin Anja Keller verurteilte das Vorhaben mit klaren Worten. „Für uns ist das Geballere vor der Haustüre überhaupt nicht tragbar.“ Sie stellte das Vorhaben in einen fragwürdigen Zusammenhang, als sie ausführte, dass am beabsichtigten Standort „mehrere Schutzgebiete kartiert sind – vom Bund gefördert“, wie sie betonte.

Schützenhilfe bekam Tannheims resolute Rathaus-Chefin von vielen Seiten.Der langjährige Schwenninger Kinderarzt Karl-Henning Lichte sagte nur einen Satz: „Ich kann mir eine künftige Betreuung krebskranker Kinder in der Tannheimer Nachsorgeklinik in einem solchen Umfeld nicht mehr vorstellen.“ Klinik-Geschäftsführer Thomas Müller hatte zuvor das Wort ergreifen dürfen. Er prangerte an, dass die Militärpläne „bei unseren Spendern auf großes Unverständnis stoßen“. Das Haus finanziert auch Teile des laufenden Betriebs dank solcher Unterstützer. Die Nachsorgeklinik brauche die Ruhe und Abgeschiedenheit für ihre Arbeit, so wie vergleichbare Kliniken ebenso.

Während SPD, Grüne und Freie Wähler das Vorhaben attackierten, äußerte sich die CDU mit ihrem Sprecher Klaus Martin zurückhaltend. Er bedankte sich für die guten Informationen, die so bislang nicht vorgelägen hätten. Das CDU-geführte Bundesverteidigungsministerium habe, so ein Bundeswehrsprecher vorab gegenüber dieser Redaktion, die jetzt vorgestellten Bedarfe genehmigt. In der Sitzung sagte ein Sprecher der Bundeswehr, eine Ausweitung des Bedarfs sei im laufenden Verfahren nicht möglich. Genau dies befürchtet aber die Stadtverwaltung VS. Würde ein Truppenübungsplatz gebaut, sei „eine etwa zehnfache Größe von 521 Hektar erforderlich“ – sowie viel mehr Infrastruktur wie etwa eine eigene Kommandantur.

In Reihe eins: Militär neben der Verwaltungsspitze: So platzierte das VS-Rathaus Gäste der Bundeswehr für eine Projekt-Präsentation.
In Reihe eins: Militär neben der Verwaltungsspitze: So platzierte das VS-Rathaus Gäste der Bundeswehr für eine Projekt-Präsentation. | Bild: Matthias Jundt

Für die SPD stellte der Kriminalbeamte Bernd Lohmiller (Marbach) die Frage, wo die Donaueschinger Truppen denn aktuell übten. In Stetten am kalten Markt, erhielt er zur Antwort. Die Bundeswehrvertreter, die neben der Verwaltung bei den beiden Rathaus-Chefs sitzen durften, machten in der Sitzung klar, dass ein Übungsgelände seit Jahren benötigt werde. „Genau seit 2015, als in Immendingen der Standort geschlossen und das dortige Areal von Daimler für Autotests umgebaut wurde." OB Roths Frage, weshalb die Bundeswehr erst jetzt einen solchen Bedarf anmelde, wurde indirekt beantwortet: Verteidigungsminister de Maizière habe 2016 die Immendinger Schließung verfügt. Seither wirkten Ursula von der Leyen und jetzt Annegret Kramp-Karrenbauer auf diesem Posten. Ob die vielen Wechsel sich für die Erfüllung eines solchen Wunsches auswirkten, wurde von keinem der Militärs in der Sitzung artikuliert.

Das könnte Sie auch interessieren

Die AfD ging in der Sitzung auf Gegenkurs. Das Vorhaben, so Stadtrat Martin Rothweiler, werde zu negativ dargestellt. Der frühere Oberstleutnant und AfD-Stadtrat Olaf Barth sagte, seiner Meinung nach werde man in Tannheim von der ganzen Sache nichts mitbekommen und schon gar kein „Geballere“.

VS wird in der Planung des Projekts lediglich gehört. Die betroffenen Grundstückseigentümer sind das Land und das Donaueschinger Fürstenhaus. Genau über diese Konstellation echauffierte sich auch Anja Keller. Die Ortsvorsteherin von Tannheim: „Es kann doch nicht sein, dass wir da nicht mitentscheiden können.“

Da nützte es auch nichts, dass die Uniformierten zuvor betont hatten, der Übungsplatz werde nicht eingezäunt sondern auf den Zufahrtswegen beschrankt und nur an konkreten Test-Tagen weiter gesichert. Das Jägerbataillon 292 umfasst aktuell 924 Soldaten und 62 Zivilangestellte.

Nein vom Brigachtal

Erwartungsgemäß groß war das Interesse am von der Bundeswehr geplanten Übungsplatz, teilweise auf Brigachtaler Gemarkung – über 50 Bürger kamen, um sich zu den Plänen zu informieren. Am Ende stimmten die Gemeinderäte einstimmig gegen dieses Projekt, das sich mitten in ein Naherholungsgebiet befindet. So bemängelten die Gemeinderäte das Vorgehen der Bundeswehr. Gar als „dramatische Situation“ bezeichnete Forstexperte und Gemeinderat Jens Löw (SPD) die Planung. Nach seiner Meinung entbehrt dies jeglichen Feingefühls, so Löw. Hinsichtlich des wohnortnahen Standorts äußersten sich weitere Räte: Völlig geschockt zeigte sich auch Lothar Bucher (Bürgerinitiative Brigachtal). Ihm trieb das geplante Vorhaben Zornesröte ins Gesicht. Buchers Appell ging an alle Beteiligten, das Projekt auf alle Fälle zu missbilligen. Josef Vogt (Pro Brigachtal), wollte wissen, ob es nicht andere geeignete Flächen gäbe, als ausgerechnet ein Gebiet mit so vielen Biotopen. Dort gibt es natürliche Quellen, alten Baumbestand und vieles mehr, gab auch Förster Jens Löw zu bedenken.

Spannende Diskussion am Dienstagabend in Brigachtal. Die Bundeswehr stellt ihren Plan für einen Übungsplatz nahe Überauchen vor, die ...
Spannende Diskussion am Dienstagabend in Brigachtal. Die Bundeswehr stellt ihren Plan für einen Übungsplatz nahe Überauchen vor, die Bürger haben viele Fragen. Bild: Klaus Dorer

Rätin Brita Krebs (Bürgerinitiative Brigachtal) fragte sich, inwieweit geprüft wurde, ob in derart schutzwürdigen Gebieten überhaupt ein solches Projekt statthaft sei. Ein Besucher behauptete, dass bei solchen Projekten immer geprüft werden müsse, ob das Gemeinwohl der Bürger nicht höher zu bewerten ist, als das Interesse eines Nutzers. Insgesamt zeigten die Vertreter der Bundeswehr wenig Verständnis zu den vorgetragenen Einwänden der Räte. Sogar unsachliche Gesprächsführung warf die Bundeswehr einem Gemeinderat vor. Das Ganze sei schließlich eine politische Entscheidung, getroffen auf höchster Ebene“, wie Oberst Mertens meinte.