Was Waltraud Isak Anfang Mai widerfahren ist, darüber kann sie – auch jetzt noch – nur den Kopf schütteln. Verständnis dafür aufbringen, das fällt ihr schwer. Aber was ist denn überhaupt geschehen?
Im Mai muss Isak ins Krankenhaus. Die Diagnose steht schnell fest: Nierenstein. Nicht das erste Mal für Isak. Im Schwarzwald-Baar-Klinikum bekommt sie eine Schiene gelegt. Die wird gebraucht, um ein Hindernis im Körper zu überwinden und den freien Harnablass zu gewährleisten.
Der Nierenstein muss bei einem ambulanten Eingriff zertrümmert werden. Der Termin wird vereinbart und im Krankenhaus bekommt Waltraud Isak ein Formular mit. Das sei bei der Krankenkasse einzureichen. Es handle sich um Zusatzkosten, da es sich nicht mehr um einen Regeleingriff handle. „Ich habe mich gewundert. Es kommen doch sicher noch mehr Menschen mit einem Nierenstein“, sagt Isak.
Die Sache ist noch in Bearbeitung
Die Operation ist für den 30. Mai terminiert. Das Formular gibt sie bei ihrer Krankenkasse, der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) ab – und hört eine ganze Weile nichts mehr. „Am Freitag vor der Voruntersuchung habe ich mich dort gemeldet und mich erkundigt. Es war ja bald soweit und ich brauchte das.“ Bei der Krankenkasse erfährt sie, dass die Sache noch in Bearbeitung sei.
Auch nach der Untersuchung keine Nachricht. Waltraud Isak erkundigt sich wieder: „Es war immer noch in Bearbeitung.“ Sie wundert sich, was daran so lange dauern mag. Schließlich bekommt sie mitgeteilt, dass das Schwarzwald-Baar-Klinikum das Formular ihr gar nicht hätte mitgeben dürfen: „Es hieß dann, es müsse intern erst Rücksprache gehalten werden.“ Am nächsten Tag muss Isak allerdings ins Krankenhaus.
Ohne Formular geht es nicht
Eigentlich soll sie an diesem Tag den Nierenstein entfernt bekommen. Das Formular hat sie allerdings nicht dabei: „Ohne das geht es nicht. Ich musste also wieder nach Hause“, erklärt sie. Bei der Krankenkasse ist die Sache wegen Urlauben erst nach Pfingsten zu klären. Das Anliegen geht über Stuttgart nach Hamburg – und wird schließlich abgelehnt.
Die DAK liefert auch eine Begründung, warum sie in diesem Fall die Kostenübernahme verweigert: „Hintergrund ist das beantragte Ureteroskop als Einmalprodukt. Es gibt bereits verschiedene Gerichtsurteile, welche die Verwendung von Einmalprodukten ablehnen.“
Worum es in der Sache genau geht, das erfahren Waltraud Isak und ihr Mann Jürgen erst jetzt. Das Schwarzwald-Baar-Klinikum benutzt für den ambulanten Eingriff von ein Einmalprodukt, das die Versicherung ablehnt. Darüber ärgert sich Isak: „Ich gehe nicht aus Lust und Tollerei ins Krankenhaus. Und wenn so etwas zwischen Kasse und Krankenhaus ausgetragen wird, dann sollte das nicht auf dem Rücken der Patienten passieren.“
„Das widerspricht der Wirtschaftlichkeit“
„Ganz allgemein ist es so, dass die Nutzung eines Einmalendoskops dem Wirtschaftlichkeitsgebot widerspricht und zudem medizinisch nicht nachvollziehbar ist“, erklärt Daniel Caroppo von der Unternehmenskommunikation der DAK. „Das bestätigen zahlreiche Landessozialgericht-Urteile.“
Für derartige Untersuchungen von Versicherten werde im Regelfall ein Instrument eingesetzt, das wiederverwendbar sei. Damit verbunden sei die anschließende Reinigung und Sterilisation der verwendeten Instrumente.
„Die Nutzung der wiederverwendbaren Instrumente ist in der jeweiligen Abrechnungsposition für die Untersuchung mit in die Bewertung der Vergütung für die Krankenhäuser eingeflossen und wird daher von den Krankenkassen unproblematisch übernommen“, so Caroppo weiter. „Uns liegen von keinem anderen Krankenhaus bundesweit ähnliche Forderungen vor.“
Mittlerweile war Isak beim Urologen und hat im Singener Krankenhaus einen Termin: „Dort wird das allerdings stationär gemacht. Ich bleibe also wohl ein bis zwei Nächte dort. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das für die Kasse günstiger wird.“
Sollte nicht das Problem der Patienten sein
Die habe – so Isak – wahrscheinlich sogar Recht: „Mir leuchtet es ein, kein Einmalprodukt zu verwenden. Aber das sollte nicht mein Problem sein – und das der Patienten.“ Seit Mai hat sie sich mit der Sache herumgeschlagen, „und es hat mich wirklich aufgeregt. Jetzt habe ich mich damit abgefunden.“
Was sich Waltraud Isak allerdings für eine Frage stellt: „Vor drei Jahren hatte ich schon mal Nierensteine – und auch eine Schiene. Damals hatte ich Schmerzen. Was wäre gewesen, wenn es dieses Mal auch so gewesen wäre? Was mache ich denn, wenn ich da Probleme bekomme und ins Krankenhaus muss? Wird der Eingriff dann trotzdem gemacht – und mit welchem Gerät?“ Das Personal dort sei immer nett und kompetent gewesen – „die können nichts dafür.“
Es sei ein Streit über die Krankenhaus-Politik – zwischen Kasse und Krankenhaus. Über die Sache könne sie nur ihren Kopf schütteln: „Und ich bin mit Sicherheit nicht die einzige, die das so erlebt.“
Nierenstein-OP nicht kostendeckend abrechenbar
Sandra Adams, Sprecherin des Schwarzwald-Baar-Klinikums erklärt, dass Vorgaben auf Bundesebene die generellen Abrechnungsregeln bestimmen: „Diese wurden leider derart gestaltet, dass die Materialkosten bei dieser Nierenstein-Operation bislang im Standard bei Weitem nicht kostendeckend abrechenbar sind, die Leistungen im Krankenhaus also ohne Zusatzabsprachen mit den Krankenkassen nicht wirtschaftlich erbracht werden können.“
Aufgabe der Krankenhäuser sei es, die stationäre Versorgung sicherzustellen – „auch, wenn dabei teilweise finanzielle Verluste entstehen. Bei ambulanten Leistungen zusätzlich jedes Mal ein Minus zu machen, gehört nicht zu den Aufgaben eines Krankenhauses“, sagt Adams.
„Selbstverständlich benötigen die Patienten Hilfe, die wir ihnen auch gerne anbieten. Allerdings müssen wir jetzt – mit den geänderten gesetzlichen Vorgaben – vor dem Eingriff sicherstellen, dass die Kostenübernahme für die Materialkosten durch die Krankenkassen erfolgt.“
Nicht alle Kassen schließen die Vereinbarung
Mit einigen Krankenkassen sei eine generelle Kostenübernahme-Vereinbarung im Frühjahr problemlos möglich, beispielsweise mit der AOK Baden-Württemberg. Es gebe aber auch Kassen, die bislang keine Vereinbarung schließen wollten. „In solchen Fällen muss der Patient leider eine Kostenzusage von seiner Krankenkasse vor dem Eingriff einholen“, sagt Adams.
Solange die Regelungen noch nicht auf Bundesebene angepasst seien, gebe es aus Sicht des Klinikums nur einen richtigen Weg: „Die Krankenkassen müssen über generelle Absprachen mit den Leistungserbringern sicherstellen, dass die entstehenden Materialkosten bei einem ambulanten Eingriff zur Stein-Entfernung im Krankenhaus von den Krankenkassen vollständig übernommen werden – so, wie das einige Krankenkassen bereits tun.“ Es sei beunruhigend, dass hier eine Versorgungslücke entstehen könne, bei der die Patienten die Leidtragenden wären.