Der Gang in die Apotheke ist im Zuge der seit Monaten grassierenden Erkältungswelle mit viel Unsicherheit verbunden. Menschen wissen nicht, ob sie dringend benötigte Medikamente bekommen.

Das stellt auch die Apotheken in der Region vor immer größere Probleme. Peter und Florian Meess von der Hofapotheke in Donaueschingen berichten, dass vor allem die Versorgungssituation für Kinder eine „absolute Katastrophe“ sei.

Viele Medikamente wie Fiebersäfte oder Antibiotika für Kinder gehen in den Apotheken aus und können nicht nachgeliefert werden. Von ...
Viele Medikamente wie Fiebersäfte oder Antibiotika für Kinder gehen in den Apotheken aus und können nicht nachgeliefert werden. Von manchen Medikamenten sind laut Florian Meess – hier im Mai 2021 – von der Hofapotheke in Donaueschingen nur noch ein paar Packungen im Lager. | Bild: Wursthorn, Jens

„Die Lage gerade ist sehr traurig“, bestätigt Roswitha Rebmann. Sie ist Filialleiterin der Klosterring-Apotheke in Villingen. „Dass es so leer gegrast ist, gab es meines Wissens noch nie.“

Moritz Witt, Direktor der der Apotheke im Schwarzwald-Baar-Klinikum, sieht mehrere Gründe für den Lieferengpass der Medikamente: „angeschlagene Lieferketten aufgrund der Pandemie, bessere Erlösbedingungen für die Pharma-Hersteller im EU-Ausland oder Produktionseinstellungen von Hauptlieferanten.“

Außerdem steigere die erhöhte Anzahl infektionsbedingter Erkrankungen, insbesondere Atemwegsinfektionen den Bedarf an Schmerz- und Fiebersäften sowie Antibiotika.

Vorräte für Kindermedikamente gehen aus

Das Kernproblem bleibt jedoch, dass die Vorräte vor allem für Kinderarznei zur Neige gehen und wichtige Medikamente aufgrund der Lieferengpässe nicht nachgeliefert werden können. Durch die anhaltende Erkältungswelle sind speziell Antibiotika wie Penicillin betroffen, so Meess.

Die Lieferengpässe für Antibiotika treffen auch die Klosterring Apotheke in Villingen.
Die Lieferengpässe für Antibiotika treffen auch die Klosterring Apotheke in Villingen. | Bild: Daniel Vedder

„Ich sehe den Punkt auf uns zukommen, an dem die Ausweichmöglichkeiten ausgehen“ berichtet Florian Meess. Es werde immer schwieriger für Apotheker und Ärzte noch Alternativen zu finden, die verschrieben werden können.

Logistischer Aufwand sichert Versorgung

Noch ginge es mit Zeit und Geduld, dass man für die Kinder eine Lösung findet, berichten Peter und Florian Meess. Bislang konnten sich Apotheker gemeinsam mit Kinderärzten in der Region noch mit Dosierungen und Ausweichmedikamenten so koordinieren, dass Kinder noch versorgt werden konnten.

Es sei jedoch ein enormer logistischer und zeitlicher Aufwand, vor allem für die kleinen Apotheken der Region. „Die Versorgung funktioniert nur, weil alle Ärzte und Apotheken im Umkreis so toll zusammenarbeiten, sonst wäre das schon zusammengebrochen“, bilanziert Peter Meess.

Ähnlich beschreibt Moritz Vitt die Lage: Man habe ein Team eingerichtet, das ständig die Datenbank kontrolliere, welcher Lieferant welche Medikamente verfügbar haben. Das nehme jedoch Personal in Anspruch, das an anderer Stelle wieder fehle. Auch der LAV bestätigt auf Nachfrage, dass Mitarbeiter in Apotheken bis zu 15 Prozent ihrer Arbeitszeit nur damit verbringen, nach Alternativen in der Arzneimittelversorgung zu suchen.

Moritz Vitt führt die Apotheke am Klinikum in Villingen-Schwenningen. Über ein personalaufwändiges System kann er den Lieferengpässen ...
Moritz Vitt führt die Apotheke am Klinikum in Villingen-Schwenningen. Über ein personalaufwändiges System kann er den Lieferengpässen bisher beikommen. | Bild: Sandra Adams

Vor allem im Notdienst führt dies zu Problemen, die Eltern mitunter zu weiten Reisen zwingen, um wichtige Medikamente für ihre kranken Kinder zu besorgen. So kann auch Florian Meess von einem Fall erzählen, in dem ein Vater nachts Stunden aus Lörrach nach Donaueschingen fuhr, um Saft für sein Kind zu besorgen. Apothekerin Roswitha Rebmann beschreibt ähnliche Fälle.

Frühling als kurzfristige Hoffnung

Für die Apotheker liegt die kurzfristige Hoffnung auf Entlastung durch den Frühling. Scharlach und andere vor allem im Herbst und Winter verbreitete Infekte gehen in den warmen Jahreszeiten weniger um. So könnte sich die Erkältungswelle wieder legen und Medikamentenvorräte wieder auffüllen lassen.

Gesetzesentwurf sorgt für Skepsis

Aufgrund der dort geringeren Produktionskosten, hat sich die Produktion von Antibiotika zunehmend nach Asien – vor allem Indien und China – verlagert. In Europa wird 2023 beispielsweise nur noch im österreichischen Kundl vollumfänglich Penicillin hergestellt.

Der Anfang April von der Bundesregierung verabschiedete Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Lieferengpässe gibt den Apothekern höchsten langfristig Hoffnung. Die Produktion von Medikamenten wieder stärker nach Europa und Deutschland zu bringen, werde Jahre dauern, befürchtet Peter Meess. Von Grunderwerb über Zulassung für die Produktion bis hin zum Anwerben von Fachpersonal, müsse erst grundlegende Infrastruktur geschaffen werden.

Auch dass der Gesetzesentwurf vorerst auf Kinderarzneimittel abhebe, greife zu kurz, da alle Menschen von fehlenden Medikamenten betroffen sein, kritisiert der Apothekerverband. Eine langfristige Lösung wären nur möglich, wenn „tragfähige Änderungen politisch und strukturell erreicht werden“.

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