Der Ton in deutschen Rathäusern wird rauer: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Verwaltungen sehen sich immer öfter mit aggressiven Bürgern konfrontiert. Lässt man Google die Begriffe „Rathaus“ und “Beleidigungen“ suchen, finden sich in Sekundenbruchteilen rund 70 Berichte über Vorkommnisse von Bayern bis Schleswig-Holstein.

„Das Aggressionspotenzial wächst“

In Bad Dürrheim will man sich das nicht mehr länger gefallen lassen. Über einen Notknopf können die Rathausmitarbeiter künftig Hilfe holen, wenn eine Situation zu eskalieren droht. „Der Respekt vor unseren Mitarbeitern hat deutlich nachgelassen. Dafür wächst das Aggressionspotenzial sowohl persönlich als auch in Schriftform“, wird Bürgermeister Jonathan Berggötz in einer Pressemitteilung zitiert.

Vorfall in Schramberg als Auslöser

In St. Georgen ist man diesen Schritt bereits vor längerer Zeit gegangen. Auslöser war im Frühjahr 2019 die Messerattacke auf einen Rathausmitarbeiter durch einen jungen Mann im benachbarten Schramberg, sagt Giovanni Costantino, Leiter des Fachbereichs Zentrale Steuerung und Dienste im Rathaus. „Damals haben wir gesagt: Wir müssen auch etwas unternehmen. Es kann immer etwas passieren.“

Giovanni Costantino ist Leiter der Abteilung Steuerung und Zentrale Dienste im Rathaus St. Georgen. Nach dem Messerangriff auf einen ...
Giovanni Costantino ist Leiter der Abteilung Steuerung und Zentrale Dienste im Rathaus St. Georgen. Nach dem Messerangriff auf einen Schramberger Rathausmitarbeiter im Jahr 2019 hat man in der Bergstadt begonnen, die Mitarbeiter im Umgang mit schwierigen Kunden zu schulen. | Bild: Roland Sprich

Konkret wurden zwei Maßnahmen ergriffen: Für bestimmte Bereiche wurde ein Alarmknopfsystem eingeführt, außerdem seien alle Mitarbeiter geschult worden. Dabei ging es unter anderem um das richtige Verhalten bei einer drohenden Eskalation und um die Frage, wie die per Alarmknopf gerufenen Helfer korrekt vorgehen, um die Situation nicht noch zu verschlimmern. Dem Sicherheitsgefühl der Mitarbeiter habe das sehr gut getan, sagt Giovanni Costantino. Die Schulungsinhalte würden deshalb auch immer wieder aufgefrischt.

Einen Fall mit kompletter Eskalation habe es noch nicht gegeben, wohl aber immer wieder hitzige Debatten, gerade in publikumsintensiven Bereichen. Aber auch, wenn es ums Geld geht, – Stichwort: Bußgelder – blieben Diskussionen nicht aus.

Arbeitgeber in der Fürsorgepflicht

Eines ist Giovanni Costantino wichtig: „Das soll jetzt nicht so wirken, als ob wir Angst hätten oder als ob hier ein Brennpunkt wäre.“ Als Arbeitgeber befinde die Stadtverwaltung jedoch auch in der Fürsorgepflicht.

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Im Donaueschinger Rathaus kennt man das Problem ebenfalls, schildert Verwaltungssprecherin Beatrix Grüninger. Als explizites Beispiel nennt sie das publikumsintensive Amt Öffentliche Ordnung. Hier seien verbale Angriffe und Beleidigungen durchaus präsent.

Es wird gedroht und geschimpft

In allen Sachgebieten komme es immer mal wieder zu schwierigen Situationen. Beschimpfungen seien den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht unbekannt und es seien auch bereits Drohungen ausgesprochen worden.

Im Donaueschinger Rathaus können Mitarbeiter mit einem Knopfdruck einen Notruf auslösen. Vor allem im Amt Öffentliche Ordnung werden die ...
Im Donaueschinger Rathaus können Mitarbeiter mit einem Knopfdruck einen Notruf auslösen. Vor allem im Amt Öffentliche Ordnung werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder verbal angegangen, schildert Pressesprecherin Beatrix Grüninger. | Bild: Jennifer Schwörer, Stadtverwaltung Donaueschingen

Ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleibe glücklicherweise von derartigen Angriffen verschont. Dennoch: Dass der Ton generell rauer geworden ist, stellt man auch im Donaueschinger Rathaus fest. Damit einher gehe, dass die Kunden in ihrem Auftreten resoluter geworden seien und die Grenzen der Höflichkeit nicht immer gewahrt würden.

Schulungen in Konfliktmanagement

Die Stadt behilft sich mit verschiedenen Maßnahmen: So wurden bereits vor einigen Jahren technische Vorkehrungen, beispielsweise eine hausinterne telefonische Notruftaste an allen Arbeitsplätzen oder Türöffnungsmechanismen in einzelnen Bereichen der Verwaltung, eingerichtet. Zu den städtischen Präventionsmaßnahmen zählen auch Selbstverteidigungskurse sowie Schulungen zum Konfliktmanagement oder Deeskalationstrainings für die Mitarbeiter.

130 Dezibel zur Abschreckung

Zudem wurden Arbeitsplätze im Amt Öffentliche Ordnung zur Abschreckung mit einem Hand-Alarmgerät ausgerüstet: Das Signal mit einer Lautstärke 130 Dezibel – vergleichbar mit einem Presslufthammer – dürfte wohl die meisten in die Flucht schlagen.

Es gab auch bereits Hausverbote

Bei besonders renitenten Kunden setze die Stadtverwaltung auch dahingehend Grenzen, dass in der Vergangenheit bereits Hausverbote ausgesprochen und Strafanzeigen gegen Bürger gestellt wurden, die beleidigend und ausfällig geworden seien.

Mit Plakaten weist die Stadt VS darauf hin, welches Verhalten in den städtischen Dienststellen nicht geduldet wird.
Mit Plakaten weist die Stadt VS darauf hin, welches Verhalten in den städtischen Dienststellen nicht geduldet wird. | Bild: Nathalie Göbel

In Villingen-Schwenningen weisen Plakate an exponierten Stellen in der Stadtverwaltung darauf hin: Gewalt in jeglicher Form, ob verbal oder körperlich, wird hier nicht toleriert. Zu verbalen Übergriffen komme es vorwiegend in Dienststellen mit großem Publikumsverkehr, sagt Madlen Falke von der Pressestelle. Dort sind auch Notrufe geschaltet, über die das Geschehen in einem Büro auf allen anderen Apparaten in den Büros hörbar ist.

Falschparker fährt städtischen Mitarbeiter an

„Auch in den Dienststellen der Stadtverwaltung kommt es zu Beleidigungen, Pöbeleien und es gab auch schon Angriffe auf Mitarbeiter im Dienst“, berichtet Falke. So sei vor einiger Zeit ein Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes von einem Falschparker absichtlich angefahren und verletzt worden.

Vorbeugung durch Wissen

Auch die Stadt VS setzt auf Prävention: Im städtischen Fortbildungsprogramm gebe es immer wieder entsprechende Schulungen zum Thema Gefährdungsbeurteilung, Umgang mit schwierigen Kunden, Selbstbehauptung und Selbstverteidigung, so Madlen Falke.