Es ist ein Zukunftsthema, das viele Menschen weltweit, aber auch in unserer Region umtreibt: Was macht der Klimawandel mit unseren grünen Lungen, den Wäldern? Die SÜDKURIER-Redaktion hat diese Problematik jetzt in einer öffentlichen Veranstaltung aufgenommen mit der Frage: „Ist unser Schwarzwald noch zu retten?“
An die 400 Besucher folgten dazu am Dienstag, 14. November, trotz strömenden Regens der Einladung zum 70. ‚VS-Forum‘ in die Neuen Tonhalle, um zu hören, wie die Wissenschaft und die Forstwirtschaft die Lage beurteilen. Dabei wurde deutlich: Die Situation gibt Anlass zu erheblichen Sorgen.
Der Wissenschaftler Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der Universität Freiburg, zeichnete eingangs ein ungeschminktes Bild von den sich beschleunigenden negativen Auswirkungen der Erderwärmung auf unsere Wälder.
Immer mehr Wälder sterben
Durch die steigenden Temperaturen und heißen Sommer der letzten fünf Jahre seien massive „Vitalitätsverluste und wachsende Mortalität“ der Wälder zu verzeichnen. Sprich: Immer mehr Wälder sind krank oder sterben ab. Zwischen 2018 bis 2020 sind in Deutschland rund 500.000 Hektar Kahlflächen entstanden, wo zuvor dichter Wald stand.

Abgerundet wird das Krankheitsbild durch ein weiteres Voranschreiten der Versauerung der Böden infolge der Luftbelastungen, die Zerstörung von Jungbäumen durch massiven Wildverbiss und durch eine alarmierende Zunahme von Schädlingen und Krankheiten, die zum Teil neu eingeschleppt wurden.
Beispiel ist das aktuelle wie unerwartete Sterben der Eschen. „Mit der Esche verlieren wir einen Hoffnungsträger für die Zukunft und ein großes Stück Artenvielfalt“, rekapitulierte Bauhus. Wenn sich die Erderwärmung fortsetze wie zuletzt, sehe es für die Wälder in den Jahren 2070 bis 2100 düster aus.
Die Fichte wird in Deutschland verschwinden
Mit dem weiteren Temperaturanstieg werde der Mensch und die Forstwirtschaft immer stärke der Kontrolle über die Gestaltung des Waldes verlieren“, sagte der Forstwissenschaftler. Und: „Wir werden in Zukunft keine stabilen Zustände der Wälder mehr haben.“ Im letzten Drittel des Jahrhunderts dürfte die Fichte als derzeit verbreitetste Baumart in Deutschland aus Mitteleuropa weitgehend verschwunden sein.

Die Forstwissenschaft und die Forstwirtschaft erprobt derzeit auf vielen Flächen, welche Bäume die Fichte unter den sich verändernden klimatischen Bedingungen ersetzen könne. Wo die Reise hingeht, weiß derzeit niemand. Die Diskussion wird nach dem Eindruck des Forstwissenschaftlers noch zu sehr „schwarz-weiß“ diskutiert.
Sein Plädoyer: Die Verjüngung der Wälder sollte mit vielen unterschiedlichen neuen Baumarten erfolgen, um mit den Jahren herauszufinden, welche Bäume am besten mit dem Stress des Klimawandels klarkommen. Mit „gemischten Wäldern“ könnten den Risiken am besten begegnet werden.
Schädlinge, Krankheiten, Stürme
Für die Forstwirtschaft bedeute dies eine sinkende Produktivität, die Einbringung neuer Baumarten in den Wald, zunehmende Störungen durch Sturmschäden, Schädlinge und Krankheiten sowie erheblich steigenden Kosten, beispielsweise für Pflegemaßnahmen und die Waldverjüngung.
Der wenig erbauliche Ausblick war die Grundlage für die anschließende Diskussionsrunde. „Da kann man richtig schlechte Laune bekommen“, kommentierte Andreas Ambrosius, Mitglied der SÜDKURIER-Chefredaktion und Moderator des Abends, diese Bestandsaufnahme.

Als weiterer Diskussionspartner stieß Förster Thomas Emmerich dazu, der als Leiter des Forstbezirks Südschwarzwald im Landesforstbetrieb sehr viel Erfahrung mit der Schädigung des Waldes hat. Denn gerade im Landkreis Waldshut werden die größten Waldschäden im Schwarzwald registriert.
Der Bergmischwald: Vom Ideal zur Illusion?
Mit welchen Schwierigkeiten die Forstleute kämpfen, schilderte Emmerich anschaulich. In den letzten 20, 30 Jahren war es das Ziel der Förster im Hochschwarzwald, einen stabilen „Bergmischwald“ vor allem mit Fichten, Tannen und Buchen aufzubauen. Mit diesem Fokus wurde der Wald systematisch verjüngt. Doch die rasante Erderwärmung droht diese Planung zunichte zu machen. Emmerich: „Wir fragen uns, ob diese Naturverjüngung noch für die nächsten hundert Jahre trägt?“

Mittlerweile, so schildert er, überlegen die Forstleute, ob sie die „Eichen-Mischwälder“, die bislang am Schwarzwaldrand in den unteren Höhenlagen beheimatet sind, „eine Stufe nach oben ziehen“ sollen: Etwa auf 400 bis 700 Meter Höhe, um dort die absterbenden Fichtenwälder zu ersetzen. „Doch die Bäume, die wir in 100 Jahren hier brauchen, kämpfen jetzt noch mit Frost und Kälte“, verdeutlichte der Förster die Schwierigkeiten solcher langfristigen Planungen.
Wäre es da nicht besser, die Natur sich selbst zu überlassen, wie dies der populäre Förster und Buchautor Peter Wohlleben als Königsweg empfiehlt? Wissenschaftler Jürgen Bauhus sieht dies skeptisch: Ganz auf die Kräfte der Natur zu vertrauen, sei bestenfalls eine unbewiesene Hypothese, schlimmstenfalls illusionäres Wunschdenken.
Der Klimawandel erfolge einfach zu schnell, als dass sich die Natur kurzfristig umstellen könne. Die Forstwirtschaft, so seine Empfehlung, sollte daher im Wald „Optionen für die Zukunft schaffen“, etwa mit neuen Baumarten und Pflegemaßnahmen.
„Für Nichtstun kein Verständnis“
„Für Nichtstun haben wir Förster kein Verständnis“, sekundierte Thomas Emmerich. Nichts tun hieße für den Schwarzwald, mit 80 bis 90 Prozent Fichten in die Zukunft zu gehe – einer Baumart, die mit steigenden Temperaturen überhaupt nicht zurecht kommt.
Ist der Wald, ist der Schwarzwald also noch zu retten? Vermutlich ja, sagt Forstwissenschaftler Jürgen Bauhus. Der Schwarzwald stehe im Moment auch noch deutlich besser da als die großen Waldgebiete in Mitteldeutschland. „Es wird in Zukunft noch Wald geben, aber er wird deutlich anders sein als heute“, lautet seine Prognose.
Ansprüche an den Wald reduzieren
Er sagt aber auch: Die Gesellschaft müsse ihre Ansprüche an den Wald deutlich herunterfahren, auch in seiner Funktion als CO2-Speicher. Wie sich aber der Schwarzwald am Ende dieses Jahrhunderts präsentieren wird, sollte es tatsächlich zu einer Erderwärmung von mehr als vier Grad Celsius kommen, „das habe ich mir ehrlich gesagt noch nie vorstellen wollen“, gesteht der Wissenschaftler. Klar sei auch: „Wir tun viel zu wenig gegen den Klimawandel.“
Forstamtsleiter Emmerich erklärt, im Schwarzwald, in ganz Deutschland, sei ein „wahnsinniger Input nötig, um den Wald zu halten“. Nur mit einem breiten gesellschaftlichen Engagement und Konsens sei dies zu schaffen.

Alles in allem ein unter die Haut gehendes Thema, das auch im Nachgang unter den Besuchern im Foyer, wo der SÜDKURIER zu Gesprächen und Getränken eingeladen hatte, intensiv weiter diskutiert wurde.