Der Beschuldigte ist groß und stark, das Opfer hinkend und schmächtig. Ein 29-Jähriger soll einen 35-Jährigen bei einem Streit auf einer Baustelle in Villingen-Schwenningen beinahe mit einem Messer umgebracht haben.
Der Angeklagte muss sich derzeit vor dem Landgericht Konstanz wegen versuchten Mordes verantworten. Er streitet alle Vorwürfe ab. „Ich habe ihn nicht verletzt.“ Und sagt an anderer Stelle: „Ich besaß kein Messer und ich habe es nicht benutzt. Ich hatte gar keinen Grund dazu.“
Weil es möglicherweise doch um unkontrollierbare Wut und Rache geht, sind die Sicherheitsauflagen vor der ersten Gerichtsverhandlung hoch. Jeder Gast muss sich einem aufwändigen Sicherheitscheck mit Metalldetektor und gründlichem Abtasten auf Waffen unterziehen.
Im Gerichtssaal beginnt dann ein zähes Verfahren. Der Angeklagte und auch sein Opfer sind auf Dolmetscher angewiesen.
Auf der Baustelle in Villingen-Schwenningen soll sich im Oktober vergangenen Jahres ein Drama in zwei Akten abgespielt haben.

Erst soll es eine verbale und körperliche Auseinandersetzung gegeben haben, dann soll der Angeklagte nochmals mit fünf weiteren Personen gekommen sein. Dann soll der Streit eskaliert sein. Erst soll das Opfer von einem Unbekannten einen Stich in die Schulter bekommen haben, dann soll der Angeklagte das Messer gefordert haben, um den 35-Jährigen zu töten.
Der Angeklagte sitzt seit Oktober 2022 in Untersuchungshaft. Er wird in Handschellen und Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt. Bei der Verhandlung präsentiert er eine vorbereitete Erklärung. Nach dieser will er völlig unschuldig sein.
Angeklagter weist jede Schuld von sich
Er bedaure zwar, was dem Opfer widerfahren sei, er habe dieses aber weder mit der Hand noch mit dem Messer verletzt. Er habe auch niemanden dazu angestiftet. Es sei ihm nur darum gegangen, eine Schleifmaschine wieder zu bekommen. Der Angeklagte arbeitet als Stukkateur und wohnt mit seiner Familie im Kreis Tuttlingen.
Drehte es sich im Hintergrund des Streits möglicherweise um offene Rechnungen der pleite gegangenen Firma seines Vaters und seines Onkels sowie ein Betreibungsverfahren, dass der Vater gegen das Opfer führte?
Der Angeklagte weiß dazu nichts zu sagen. Er stellt vor Gericht fest, über die Geschäfte seines Vaters wisse er nicht Bescheid. Auch an anderen Stellen gibt er immer an, entweder nichts zu wissen, oder sich nicht zu erinnern.
Opfer war eine Weile gelähmt
Das Opfer aus Winterthur wurde durch den letzten Messerstich so schwer verletzt, dass es eine Weile gelähmt war, und noch immer unter den Folgen leidet. Vor Gericht erscheint der dünne, hinkende Mann sichtlich mit Schmerzen. Der Selbständige im Baugewerbe kann seiner Arbeit nicht mehr nachgehen.
In seiner Aussage belastete der Familienvater mit Frau und drei Kindern den Angeklagten schwer. Beim ersten Zusammentreffen habe er den Angeklagten gebeten, mit dem Vater zu sprechen, damit dieser die Betreibung beende, die dieser ohne Grund gegen ihn führe. Der Angeklagte habe aber nicht mit dem Vater sprechen wollen.
Das Opfer ist sich sicher, dass es noch rund 12.000 Schweizer Franken von der Firma des Vaters und des Onkels bekommen müsste. Doch diese Firma sei pleite gegangen. Auf der Baustelle sei es aber gar nicht um dieses Geld gegangen.
Wer führte den entscheidenden Messerstich?
Über das zweite Zusammentreffen berichtet das Opfer: Der Angeklagte, sein Bruder und andere Personen, die er nicht kannte, seien auf den Platz vor der Baustelle gekommen, und hätten angefangen, ihn zu schlagen. Als er einen Messerstich in die Schultern bekam, sei er in die Knie gegangen. Der Angeklagte soll das Messer beim entscheidenden zweiten Stich geführt haben. Ob er das auch wirklich gesehen habe, wollten mehrere Vertreter der Kammer wissen.
Der Zeuge beschreibt die Szene immer wieder mit anderen Worten. Zuletzt behauptet das Opfer, vor dem Stich beim Angeklagten ein Messer gesehen zu haben. Nach dem Stich, so sagt das Opfer, seien ihm die Sinne geschwunden: „Ich bin bewusstlos geworden. Ich war zu 80 Prozent tot.“
Es sind vier weitere Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird im April erwartet.