Ein Schreiben des Polizeipräsidiums Konstanz an die Narrenzünfte der Region schlägt hohe Wellen. Die Fastnacht solle im Keim erstickt werden, werfen drei Narrenvereinigungen dem Polizeipräsidium vor. Man komme sich vor wie Verbrecher, heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Roland Wehrle (Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte), Kurt Szofer (Narrenfreundschaftsring Schwarzwald-Baar-Heuberg) und Rainer Hespeler (Narrenvereinigung Hegau-Bodensee).

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Kein anderes Präsidium verfolge eine so restriktive Linie wie das in Konstanz, zumal die Zunftmeister parallel dazu auch angerufen worden seien. In dem Schreiben wurde den Vereinen unter anderem mitgeteilt, dass auch das Aufhängen von Bändeln und Narrenbaumstellen unzulässig, da nicht mit der Corona-Verordnung vereinbar sei.

Anselm Säger
Anselm Säger | Bild: Narrozunft

Was sagen Zünfte aus der Region zu der Diskussion? „Die Polizei ist da schon ziemlich hemdsärmelig vorgegangen“, sagt Anselm Säger, Zunftmeister der Villinger Narrozunft. Dass das Konstanzer Präsidium mit seinem strikten Kurs scheinbar im Alleingang unterwegs ist, heißt Säger nicht gut: „So etwas muss von oben kommen, da braucht es eine einheitliche Linie.“ Die Zünfte seien schon gebeutelt genug, „da muss man nicht noch mit dem Knüppel draufhauen“.

Er habe Verständnis für die Kritik der Verbandspräsidenten, auf der anderen Seite stünde eben die Coronaverordnung, die besagt: Das Haus darf aus triftigen Gründen verlassen werden, und Fastnacht zählt nicht dazu. Ohne Frage seien die Narren massiv eingeschränkt, doch es gehe um die Frage, was in der aktuellen Situation Sinn ergebe. „Im Vordergrund muss stehen, dass die Zahlen nicht explodieren und dass Handel und Gastronomie wieder öffnen dürfen. Dann haben wir 2022 hoffentlich eine doppelt schöne Fasnet.“

Komplettverzicht aufs Häs

Säger hatte im Vorfeld bereits explizit dazu aufgerufen, komplett aufs Häs zu verzichten. „Je mehr Hästräger auf der Straße, umso mehr Publikum“, sagt er. Ein solches Szenario wolle die Polizei vermeiden: „Die Polizei ist nun einmal im Zugzwang, die Coronaverordnung umzusetzen.“ In diesem Jahr müsse man sich Alternativen überlegen – so wie der virtuelle Ball der VS-Zünfte oder das Wuescht-Radio, eine Idee der Wuescht-Gruppe, das in den nächsten Tagen auf Sendung gehen wird. Am Fasnetmentig, verrät Säger, wird es einen historischen Montags-Umzug zu hören geben. „Die Leute sollen um 9 Uhr morgens zu Hause Wuescht-Radio hören und nicht draußen herumlaufen.“

Meik Gildner.
Meik Gildner. | Bild: Sprich, Roland

Meik Gildner, Zunftmeister der Hexenzunft Villingen, hat das Schreiben nicht als Gängelei empfunden. „Davor gab es einen freundlichen Anruf der Polizei. Da sagte man mir schon, dass man wisse, dass wir entsprechend an unsere Mitglieder appellieren“, schildert er. Das Schreiben sei wenig später eingetroffen. „Dessen Formulierung war auch okay.“ Für die Hexenzunft sei der Appell der Polizei ohnehin nichts Neues gewesen.

Schon weit im Vorfeld habe man an die Mitglieder – und nicht nur an sie – appelliert, über die hohen Tage nicht in die Stadt zu gehen, Narretei zu Hause und online zu genießen und sich auf die Fastnacht 2022 zu freuen. „Für uns war die Sache klar, das kann auch jeder in den sozialen Medien nachlesen. Von daher würde ich mich keiner Diskussion anschließen wollen.“

Alexandra Pies.
Alexandra Pies. | Bild: Sprich, Roland

Auch in St. Georgen waren kleine Aktionen geplant. Alexandra Pies ist Zunftmeisterin der Narrenzunft St. Georgen. „Ich bin sehr verärgert und sehr traurig über diese Entscheidung. Wir wollten am vergangenen Samstag ein paar Spättle aufhängen. Wie üblich haben wir vorab die Polizei darüber informiert und auch, dass die Aktion coronakonform stattgefunden hätte. Pro Team wären nur Personen aus einem Haushalt mit einer weiteren Person an der Aktion beteiligt gewesen. Da wurde uns mitgeteilt, dass dies verboten sei, da die Ausgangsbeschränkung auch am Tag gelte und die aufgehängten Spättle zum Feiern animieren würden.“

„Ein bisschen Fasnet hätte gut getan“

Pies befürchtet, dass man mit einem generellen Verbot nun die Menschen dazu bringe, sich in privatem Raum zu treffen, wo das Feiern nicht kontrollierbar sei. „Ein bisschen Fasnet hätte der Bergstadt gut getan.“

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Ebenfalls untersagt wurde von der Polizei eine von der Narrenzunft Weiher-Hexen geplante Aktion, die am schmotzigen Donnerstag im Auto, besetzt mit Mitgliedern eines Haushaltes, durch verschiedene Wohngebiete von St. Georgen fahren wollten, um den Leuten aus dem Fahrzeug heraus zuzuwinken.

Günther Reichenberger.
Günther Reichenberger. | Bild: Rüdiger Fein

Glonkivater Günther Reichenberger leitet jetzt seit zehn Jahren die Glonkigilde mit ihren 2000 Mitgliedern. Den Kontakt zum Villinger Polizeirevier bezeichnet er in Sachen Sicherheit als „entspannt und in Ordnung“. Es habe ein Gespräch gegeben, in dem er gebeten worden sei darauf hinzuwirken, dass die Mitglieder „an der Fastnacht zuhause bleiben“. Der Glonkivater sagt dazu: „Von allen Aktiven in Villingen wird die wenigste Gefahr ausgehen.“

Kreativität hat sich gelegt

Mit seinen vielen Abteilungen von den Glonkinchen bis hin zu den Blechtrommlern seien er und die Vereinsleitung digital in Kontakt. Reichenberger weiß, dass es in manchen Glonki-Gruppen „schon Ideen gegeben habe, was man trotz der Auflagen alles so machen könnte“. Seit den Wintermonaten habe sich solcherlei Kreativität aber wieder gelegt, die Pandemie-Entwicklung spreche eine zu deutliche Sprache. Er selbst wird am Montagmorgen in der Stadt schauen, ob alles ruhig ist, ob doch Hästräger losziehen. „Der Wunderfitz treibt mich da schon“, gesteht er.

Matthias Lachnit
Matthias Lachnit | Bild: Rüdiger Fein

„Das Schreiben vom Polizeipräsidium habe ich bekommen, und ehrlich gesagt war es mir erst einmal egal was ich da bekommen habe“, so die erste Reaktion von Zunftmeister Matthias Lachnit von den Marbacher Talbachhexen. Wenn man das Schreiben durchlese, stünde auch nicht anderes darin, als die Landesverordnung schon vorgeben würde. „Wir haben schon im Oktober 2020 entschieden, dass wir 2021 keine Fastnachtsveranstaltungen in Marbach durchführen und appellieren an unsere Zunftmitglieder über die Homepage sich an die Verordnungen zu halten“, so Lachnit. Man kenne die Rechtslage, sowie die Landesverordnung.

Anruf beim Präsidium

Verbieten im Häs einzukaufen oder damit auf der Straße herumzulaufen könne man allerdings nicht. „Aus Vereinssicht fühle ich mich nicht unter Druck gesetzt“, versichert Lachnit. Kein Verständnis habe er über das Verbot die Straßen von Haus zu Haus mit den Bändchen zu schmücken. „Wo ist da das Problem“, fragt sich Lachnit. Sein Anruf beim Polizeipräsidium hätte ihm keinen Grund zur Sorge bereitet. „Es war ein freundliches Gespräch und das Schreiben sollte nur ein reine Information an die Vereine sein“, berichtet Lachnit. Etwas anderes hätte das Polizeipräsidium nicht vorgehabt. Seinen ersten Eindruck, dass die Polizei die Vereine für dumm verkaufe wolle, hätte man mit dem Schreiben nicht bezwecken wollen, wurde ihm zugesichert.

Manuel Straub.
Manuel Straub. | Bild: Alina Gak

Manuel Straub vom Führungsteam der Wolfbach-Rolli Pfaffenweiler fühlt sich zwiegespalten. „Einerseits verstehe ich die Befürchtungen der Polizei wegen großen Menschenansammlungen, andererseits geht es uns um das Brauchtum“, so Straub. Er wäre es besser gewesen, die Polizei hätte im Vorfeld mit den Narrenvereinigungen gesprochen. Das hätte manche Missverständnisse ausgeräumt. Den Anruf der Polizei beschreibt Straub als sehr freundlich. Kein Eindruck eines Kontrollanrufes, keine offene Drohungen mit harten Durchgreifen. „Es kam in dem Schreiben falsch rüber, aber wir schauen darauf, dass die Regeln eingehalten werden, um aus der Pandemie zu kommen.“

Vorstand in der Verantwortung

Letztendlich habe man als Vorstandsteam eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitgliedern und Bürgern“, so Straub. Deshalb gäbe es auch in Pfaffenweiler keine Veranstaltungen. „Wir haben unter Einhaltung der Corona-Verordnungen den Kindern der Mitglieder eine Fasnet-Tüte vor die Tür gestellt, den Weihnachtsbaum an der Kirche zum Fasnetbaum umgestaltet, und der Wolfbach-Rolli zeigt sich im ganzen Ort auf den Fahnen an den Häusern der Mitglieder“, sagt Straub. „So schwer es uns auch fällt, wir müssen jetzt da durch, damit wir 2022 wieder gemeinsam Fasnet feiern können“, sagt Straub.