Möglicherweise ist es Landesrekord: In der mit knapp 18.000 Einwohnern relativ kleinen Stadt Trossingen gibt es sage und schreibe um die 30 Kameras für die Videoüberwachung. Damit versucht Trossingen, Gewaltdelikte einzudämmen. Ist die Stadt damit ein Vorbild für andere Kommunen?
Videokameras an Brennpunkten auch in VS?
Der Villingen-Schwenninger Kreisvorsitzende der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Gottfried Schmidt, findet, dass die Stadt im Landkreis Tuttlingen, die für ihre Hohner-Musikwerke bekannt ist, da einiges richtig macht.
Er fordert seinen Parteifreund, Oberbürgermeister Jürgen Roth (CDU), jedenfalls auf, in Villingen-Schwenningen nachzuziehen. Dem Beispiel Trossingen sollten wir „daher folgen und an Brennpunkten ebenfalls Überwachungskameras installieren“, schreibt er Roth in einem offenen Brief, der der Redaktion vorliegt.
Auf Nachfrage präzisiert er, an welche Orte er dabei denkt. Im Mittelpunkt stehen aus seiner Sicht Schwenninger Brennpunkte: der Vorplatz des Bahnhofs, der Busbahnhof, der Außenbereich des City-Rondells sowie Muslen- und Marktplatz. Hier komme es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Schlägereien.

Datenschutzbeauftragter des Landes sieht es kritisch
Inzwischen antwortete ihm Roth. Die Stadtverwaltung VS habe mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI) Kontakt zur Videoüberwachung aufgenommen. Von dort erhielt die Stadt die Antwort, dass sich die Rechtslage seit der letzten Stellungnahme des LfDI zur Videoüberwachung in VS im März 2023 nicht geändert habe und eine Videoüberwachung somit nicht zulässig sei.

Doch warum schafft Trossingen den Aufbau einer Videoüberwachung, aber Villingen-Schwenningen nicht? Die Antwort ist einfach: Trossingen hat selbstständig als Ortspolizeibehörde entschieden und kämpft offensichtlich auch mit krasseren Gewaltfällen, als es in Villingen-Schwenningen der Fall ist. Das LfDI kann konsultiert werden. Die letzte Entscheidung liegt aber bei der Ortspolizeibehörde selbst, federführend ist in Trossingen das Ordnungsamt.
Allerdings hat sich Trossingen die Entscheidung, etwa 30 Kameras einzusetzen, nicht einfach gemacht, wie die Sprecherin der Stadtverwaltung, Sabine Felker-Henn auf Anfrage deutlich macht. „Wir sind uns unserer Verantwortung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte bewusst und nehmen dies sehr ernst.“

„Mehrbelastung an Straftaten“
Die Videoüberwachung wurde in Zusammenarbeit und Absprache mit den örtlich zuständigen Polizeidienststellen gezielt in Bereichen installiert, die nach objektiver Feststellung eine deutliche Mehrbelastung an Straftaten oder Ordnungsstörungen aufweisen.
Auslöser für die Installation waren unter anderem zwei gewalttätige Auseinandersetzungen am Bahnhof im Jahr 2024. Eine machte auch über Trossingen hinaus Schlagzeilen, weil die exzessive Prügelei unter Jugendlichen auf einem Handyvideo festgehalten wurde. Auch am Stadtpark gebe es immer wieder Probleme. Die Installation habe eine abschreckende Wirkung, außerdem helfen die Kameras, falls wegen einer Straftat ermittelt werden müsse, erläutert die Sprecherin der Stadt.
Dank der Videoüberwachung konnten bereits mehrere Straftaten aufgeklärt werden, berichtet Felker-Henn. Aufnahmen wurden zum Tötungsdelikt Ende Januar von der Kriminalpolizei angefordert. In einem anderen Fall konnte ein Tatverdächtiger entlastet werden, zuletzt wurde ein mutmaßlicher Schläger durch die Aufzeichnungen überführt, erklärt die Sprecherin.
Es finde keine Live-Überwachung statt, die Aufnahmen werden nur dann gesichtet, wenn es zu konkreten Straftaten oder Ordnungsstörungen kommt, betont die Sprecherin der Trossinger Verwaltung.
Was bringt die Dauerüberwachung?
Die Erfahrungen seien jedenfalls sehr gut, sagt Felker-Henn: „Sowohl im Stadtpark als auch im angrenzenden Quartier sorgen die Kameras dafür, dass sich die Verhältnisse entspannt haben.“ Zudem sei nachts ein privater Securitydienst im Einsatz, die Polizei habe ihre Präsenz in Trossingen erhöht.
Gleichzeitig habe man öffentliche Flächen belebt, wie den Stadtpark rund ums Rathaus. Dort gab es eine bewachsene Sitzecke, die immer wieder Drogenkonsumenten angezogen hat. Sie wurde freigeschnitten, sodass sie besser einsehbar ist. Es wurde ein öffentlicher Bücherschrank daneben gestellt und die Ecke zur Leseecke gemacht. Dort treffen sich jetzt Studenten der naheliegenden Hochschule für Musik.

Auch ein Spielplatz am Stadtpark, angrenzend an zwei Kindergärten, wird nun öfter kontrolliert. „Drogenkonsumenten fühlen sich hier nicht mehr wohl“, berichtet die Stadtsprecherin.
Vor der Montage der Kameras fanden Abstimmungen mit dem kommunalen Datenschutzbeauftragten und den örtlichen Polizeidienststellen statt. Aktuell steht die Stadt zudem im engen Austausch mit dem Landesdatenschutzbeauftragten, der zwar im Einzelfall Untersagen aussprechen kann, allerdings keine genehmigende Funktion hat, wie die Pressestelle des LfDI feststellt.
Stadt muss Grenzen einhalten
Das heißt: Jede Stadt im Land kann eine Videoüberwachung aufbauen, sofern sie sich an die rechtlichen Grenzen hält. So war es auch in Trossingen. Sie erfolgte eigenverantwortlich seitens der Stadt, bestätigt ein Sprecher des Innenministeriums. In solchen Fällen gebe es keine Statistik, es könne also auch nicht gesagt werden, ob Trossingen vergleichsweise viele Kameras im Verhältnis zur Größe der Stadt installiert hat.
Konstanz denkt an keine dauerhafte Überwachung
Doch wie sieht es in anderen Kommunen, beispielsweise in Konstanz, aus? Hier gibt es „im öffentlichen Raum bisher keine dauerhafte Videoüberwachung“, teilt die Verwaltung auf Anfrage mit. Auch wurde bisher nicht ernsthaft über eine permanente Videoüberwachung nachgedacht. Überlegungen gab es allenfalls zum Schutz von Gebäuden oder Anlagen vor Vandalismus, heißt es abschließend.