Die erste Antwort ist die selbe. Ob man den Geschäftsführer von Wiha fragt, oder die Geschäftsführerin von Identa. Beide sagen auf die Frage, was ihr größtes Problem ist: „Die Bürokratie.“ Unabhängig voneinander. In zwei völlig anderen Gesprächen.
Gespräche, die einen Einblick in die aktuelle Realität von Unternehmern und Unternehmerinnen geben und auch beleuchten warum der Schwarzwald-Baar-Kreis im aktuellen Wirtschaftsbericht der IHK überhaupt nicht gut abschneidet.
Die aktuelle Situation: Weniger Aufträge und mehr Diversifikation
Christina Haller ist Geschäftsführerin von Identa. Ein Mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Schwenningen. 105 Mitarbeiter, knapp 30 Millionen Umsatz. „Wir sind eines der Unternehmen“, sagt Haller, „die noch erfolgreich sind.“ Seit Anfang des Jahres fertigen sie unter anderem das 49-Euro-Ticket. Und sie arbeiten an einer neuen Art des Autoschlüssels: Eine App und eine Karte mit der sich das Auto öffnen und starten lässt.
Diese Art der Diversifikation, sie „hat uns geholfen, dieses Jahr erfolgreich abzuschließen“, sagt Haller. Und fügt hinzu: „Wir wissen nicht, was nächstes Jahr auf uns zukommt.“
„Umsatzseitig trifft es uns noch nicht“, sagt Wilhelm Hahn, Geschäftsführer beim Werkzeughersteller Wiha mit Sitz in Schonach und Mönchweiler. „Produktionsseitig trifft es uns.“ Die Umsätze liegen immer noch über dem des Vorjahres. Wenngleich nicht mehr um 20 bis 30 Prozent höher, wie es in den vergangenen zwei Jahren der Fall war. „Wir verzeichnen ein normales Wachstum im einstelligen Bereich“, sagt Hahn.
Das hat natürlich auch Folgen für die Produktion. Statt drei Schichten arbeiten sie aktuell nur noch eineinhalb bis zwei Schichten.
Die größten Hürden: Bürokratie und Baukosten
Lieferkettengesetz, Social Responsibility, Datenschutz Nis 2 Richtlinien, Cyber-Security-Richtlinien, die Liste an Aufgaben, die Christian Haller aufzählt, die Unternehmen aktuell erfüllen müssen, wird immer länger. Sie brauchen inzwischen ein bis zwei Mitarbeiter, die sich nur um solche Aufgaben kümmern.
Erweiterungen plant Wilhelm Hahn schon gar nicht mehr in Deutschland. Für vier Millionen haben sie das Betriebsgebäude in Schonach energetisch saniert. Aber die großen Erweiterungen, wie beispielsweise die Verdoppelung der Lagerfläche, die passieren in Polen, Vietnam oder USA. Die Baukosten sind dort schlicht viel geringer.
Der Fachkräftemangel und wo er besonders wehtut
Bei Identa haben sie Stellen ausgeschrieben – Fachinformatiker und Personalreferent beispielsweise – auf die haben sie bislang keine einzige Bewerbung erhalten. In der Produktion stellen sie mittlerweile auch Arbeitskräfte ein, die kein Deutsch können.
Umso wichtiger ist es heutzutage Mitarbeiter zu halten. Christina Haller bezahlt den Mitarbeiterinnen beispielsweise das Taxi, wenn sie nach der Spätschicht abends um 22 Uhr nicht anders nach Hause kommen. Weil kein Bus mehr fährt. Oder sie finanziert Kita-Plätze mit.
„Wie kriegen noch alles gedeckt“, sagt Hahn. „Manchmal dauert es aber Monate oder Jahre.“ Mitunter habe sich auch schon die Struktur im Betrieb geändert, weil eine Stelle nicht besetzen konnte.
Probleme mit der Arbeitserlaubnis
Hahn würde sich auch wünschen, dass es leichter wäre, beispielsweise für Geflüchtete, an eine Arbeitserlaubnis zu kommen. Die aktuelle Situation führte mitunter schon zu so paradoxen Situationen, dass einerseits keine Arbeitserlaubnis zu bekommen war. Andererseits er beispielsweise schon in ein oder zwei Fällen Ukrainer eingestellt hatte, deren eigentlicher Beruf Elektriker in Deutschland nicht anerkannt wird, und die dann in der Produktion arbeiten. Und nach kurzer Zeit wieder kündigen, weil sie mit der Unterstützung des Arbeitsamtes mehr Geld für weniger Aufwand bekommen können.
Hier versagt der Landkreis
„Der öffentliche Verkehr könnte besser sein“, sagt Haller. Dazu zählt auch die Zuganbindung. „Für die jungen Leute ist das schon ein Hinderungsgrund, hierher zu kommen.“
Den größten Fehler sieht Haller aber woanders: Die gescheiterte Anbindung des Gewerbegebiets im Schwenninger Steinkirchring an die Bundesstraße. Die Fläche für eine neue Verbindungsstraße war bereits gerodet, als der Gemeinderat den Beschluss aus Kostengründen wieder kippte. Jetzt wird wieder aufgeforstet.
Staus wie in der Großstadt
„Das Gewerbegebiet hier ist nach wie vor nur über einen Kreisverkehr erreichbar.“ Zu Stoßzeiten gebe es Staus wie in der Großstadt. „Das finde ich nach wie vor kein gutes Zeichen an die Unternehmer vor Ort. Das gleiche gilt für den Lückenschluss.“
Wilhelm Hahn geht es da nicht anders. „Ich habe schon Sorge, dass wir im Kreis abgehängt werden.“ Sei es im Nahverkehr oder der digitalen Infrastruktur. Beim Thema Hausärzte oder Kita-Plätze. „Faktisch passiert nichts.“ Er hatte mal Mitarbeiter aus Shanghai in seinem Unternehmen, die standen dann ein Jahr auf der Warteliste für einen Kita-Platz. „Die Politik, die betrieben wird, ist feindlich für den ländlichen Raum.“
Die Region wird langsam abgehängt – das sieht auch die IHK so
Philipp Hilsenbek ist Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik bei der IHK. Er kennt die Entwicklungen nur zu gut. „Die Kurve bewegt sich seit 2018 runter.“ Also schon vor Corona und Ukraine-Krieg. Die Region hier ist stärker vom Einbruch betroffen, weil es mehr produzierende Unternehmen gibt als beispielsweise in Ballungsräumen wie Stuttgart. „Bei uns gibt es viele mittelständische Unternehmen mit Mitarbeiterzahlen zwischen 20 und 200“, sagt Hilsenbek.

Er sagt es sehr deutlich. „Es fällt immer schwerer, noch Argumente zu finden für den Standort.“ Plattitüden wie ein hohes Know-how bei den Mitarbeitern oder ein gutes Netzwerk innerhalb der Betriebe im Kreis – die ziehen schon lange nicht mehr. „Das haben die anderen auch.“ Hilsenbek sagt: „Unternehmen wollen wohnortnahe Schulen für die Azubis. Leistungsfähige Straßen und eine Anbindung an andere Wirtschaftsräume über Schiene.“ An allem hapert es hier im Kreis. Mitunter gewaltig.
Die größten Herausforderungen für die Zukunft
Es muss sich etwas ändern, da sind sich Hahn und Haller auch am Ende einig. „Ich habe große Hoffnung, dass in unserer Regierung ein Wachrütteln passiert, dass man sich über den Mittelstand mehr Gedanken macht“, sagt Haller. Für die Region sieht sie vor allem den Strukturwandel in der Automobilindustrie als kritisch an.
Trotz allen Optimismus, der einer Unternehmerin eigen ist, sagt Christina Haller am Ende: „Ich denke, dass da nächstes Jahr noch schwere Zeiten auf uns zukommen.“
Was heißt das für die Arbeitsplätze?
Mit einer großen Arbeitslosigkeit rechnet Hahn nicht. Vielmehr glaubt er, dass es nicht mehr so viele hochbezahlte Jobs in Industriebetrieben geben wird. Was wiederum zu sinkenden Steuereinnahmen führen würde.
„Viele bei uns haben einen Zweitjob“, sagt Hahn. Früher eher, um sich den Luxus einen zweiten Urlaubs leisten zu können. Heute wohl vor allem weil es notwendig ist. Angesichts immer weiter steigender Lebenshaltungskosten. Die er als Arbeitgeber nur bedingt ausgleichen kann. „Ich bekomme nicht so hohe Preissteigerungen am Markt durch.“ Um davon die nötigen Lohn- und Gehaltssteigerungen bestreiten zu können.
Wilhelm Hahn ist Unternehmer mit Leib und Seele und Vater von vier Kinder. Er kann gar nicht anders, sagt er: „Ich bin zum Optimismus verpflichtet.“ Er fügt aber auch hinzu: „Es war noch nie so einfach wie die letzten 20 Jahre. Und es wird die nächsten Jahrzehnte schwer.“