Überwiegt bei Eltern die Freude über einen geregelteren Alltag, oder die Sorge vor Ansteckung der Kinder, die ja nicht selten zu Risikogruppen zählen?
Erstens haben wir viele unterschiedliche Kinder mit ganz individuellem Betreuungsbedarf. Zweitens gibt es, wie überall in der Gesellschaft, natürlich auch bei uns Eltern, die gänzlich unterschiedlich mit dieser speziellen Situation umgehen. Solche, die froh sind, dass ihr Kind wieder in die Schule gehen kann und damit endlich ein wieder etwas geregelterer Alltag in der Familie einkehrt. Und dann wiederum solche, deren Kind zu einer Hochrisikogruppe gehört und sie es daher lieber zu Hause lassen.
Wir sind zwar mit dem Hygienekonzept in der Schule ganz gut aufgestellt, aber die Angst bleibt dennoch. Zumal es bei uns ja schon mit dem Bustransport anfängt: viele Kinder tolerieren keine Maske und sitzen zum Teil bis zu einer Stunde und länger pro Strecke im Bus, da wir ein sehr großes Einzugsgebiet aus mehreren Landkreisen haben.
Etwa 60 Prozent der Eltern an ihrer Schule schicken ihre Kinder wieder zum Unterricht. Die anderen 40 Prozent betreuen sie selbst zuhause. Wie machen Sie es?
Wir schicken unsere Tochter wieder in die Schule, da sie selber keiner Hochrisikogruppe angehört und eine Zweiteilung in vollbeschulte Schüler einer Klasse und solche im Fernunterricht keinen Sinn macht und personell durch die Lehrkräfte auch nicht leistbar ist. Meines Erachtens deutlich sinnvoller wäre hier die Öffnung der Schule im Wechselunterricht gewesen.
Wie lange kann man das als Eltern leisten, parallel zum Beruf oder im Homeoffice?
Wie lange? Es ist jetzt schon grenzwertig. Viele sind am Ende ihrer Kräfte, vor allem die Eltern, deren Kinder eine 1:1-Betreuung brauchen. Bei zwei berufstätigen Elternteilen hilft auch Homeoffice nur bedingt weiter, da die Betreuung eines Handicap-Kindes zuhause deutlich zeitintensiver ist. Das ist schon sehr schwer unter einen Hut zu bringen. Und natürlich spielt auch die Überlegung möglicher finanzieller Einbußen bei vielen eine Rolle, z. B. wenn der Arbeitgeber kein Homeoffice anbietet bzw.
dies berufsbedingt auch gar nicht möglich ist. Die sonst möglichen Betreuungsmöglichkeiten fallen momentan ja schließlich weg.
Selbst wenn jetzt die Schulöffnung bei uns hier vielleicht wieder eine gewisse Entlastung schafft: Auf der anderen Seite gibt es meist ja auch noch ein oder mehrere Geschwisterkinder, die eine (geschlossene) Regelschule oder Kindergarten besuchen und dann trotzdem zuhause betreut werden müssen. Nur müssen alle es aussitzen und das Beste daraus machen. Und da sitzen alle Eltern im gleichen Boot, ob behindert oder nicht.
Wie ist der Schulstart am Montag ihrer Meinung nach gelaufen?
Der Start selber ist an unserer Schule gut verlaufen. Die Frage ist hier ja wohl eher, ob diese Vollöffnung so sinnvoll war.
Was hätte man besser machen können?
Man hätte die Menschen, die an der Schule arbeiten, mal fragen sollen, ob das eine sinnvolle Idee ist, die Schule wieder voll zu öffnen. Jedes SBBZ hat seine eigenen Schwerpunkte, die Schüler zu unterrichten. Ich hätte es sinnvoller gefunden, die Schule im Wechselunterricht (Präsenz-/Fernunterricht) aufzumachen. Da hätte man die Kinder individuell und handlungsorientiert beschulen können und auch die Bewegungsfreiheit innerhalb der Schule wäre einfacher zu gestalten gewesen. Wir konnten uns letztes Jahr schon mal ein Bild davon machen, da hat dies eigentlich ganz gut geklappt. Und auch der akute Lehrermangel wäre so besser zu handeln gewesen.
Sind die Corona-Maßnahmen ausreichend umgesetzt?
Die Regeln können nicht immer hundertprozentig eingehalten werden, denn gerade Abstand zu halten, ist bei vielen Kindern aufgrund ihrer körperlichen Einschränkung nicht möglich (Essen verabreichen, wickeln, anziehen). Die Schule musste hier sehr viel in eigener Regie umsetzen, da das „normale“ Hygienekonzept vom Kultusministerium so nicht für uns anwendbar war. Wir sind oftmals auf uns alleine gestellt, aber dank unserer sehr engagierten Rektorin und ihrem ganzen Kollegium schaffen wir auch das!